Leben in Bayern

Daniel Glasl vor seinem 15-Quadratmeter-Luxus-Bauwagen. Er hat ihm sogar einen Namen gegeben: Max. (Foto: Jädicke)

29.03.2018

Ein Leben im Miniaturformat

Klein, kleiner, Tiny House: Die Wohn-Winzlinge sind nicht jedermanns Sache – und doch findet die Idee immer mehr Anhänger

Der Fotograf Daniel Glasl wollte schon immer eine Almhütte. Doch weil er keine Alm besitzt, hat er seine 15 Quadratmeter kleine „Heimat“ am Tegernsee beim Nachbarn auf die Wiese gestellt: Sein Alm-Bauwagen ist vollkommen energieautark und mobil. So wie Glasl entdecken immer mehr Menschen die Lust an Winzighäusern, ganz nach dem Motto: Weniger ist mehr. Da steht er, der Max. Mitten auf der Wiese. Dort am Rand von Rottach-Egern, wo einmal gebaut werden soll. Das hat der Gemeinderat beschlossen. Max ist ein kleiner, gemütlicher Alm-Bauwagen. Er gehört Daniel Glasl. Ein Rückzugsort soll er sein. „Eines Tages jedenfalls“, sagt Glasl und hantiert mit Topf, Wasser und Spirituskocher für den Tee. Vorerst aber vermiete er den 15 Quadratmeter großen Almwagen an Feriengäste. Denn der Preis dieses sogenannten Tiny House ist alles andere als „tiny“ (winzig). Mehr als 30 000 Euro hat das kleine Luxus-Minihaus gekostet. Nach oben gibt es kaum eine Grenze. Es gibt aber auch Häuser ab 5000 Euro.

Von außen ist Max eine ganz gemütliche Almhütte. Dunkles Holz, Fensterläden und Blumen davor. Auch innen geht es gemütlich zu. Ein großer Holzofen sorgt für Wärme und das Ambiente. „Ich wollte schon immer eine Almhütte haben“, sagt Glasl. Nur leider habe er keine Alm, auf der er bauen könnte. Also musste die mobile Variante her.

In den USA entstand mit der Finanzkrise der Trend

Ähnlich ist es auch einst jenem jungen Mann ergangen, der das Minihaus ins Rollen gebracht hat. Als Gründer des „tiny-house-movements“ gilt der Amerikaner Jay Shafer. Während der Finanzkrise 2008 wollte er vor allem wenig Ballast, aber trotzdem ein bezahlbares Haus haben. Sein Plan vom Miniatur-Häuschen scheiterte jedoch an der Baugenehmigung. So entstand die Idee, das Haus auf einen Doppelachsanhänger zu bauen.

Der erste Tiny-House-Besitzer aber soll sein Landsmann Henri David Thoreau sein, als er sich 1845 in seine selbst gebaute Hütte in den Wäldern von Massachusetts zurückzog und das autarke Leben propagierte. Auch ihn trieb der Wunsch nach Einfachheit, Ruhe und wenig Ballast. „Unsere Häuser sind ein derart belastender Besitz, dass sie uns häufig eher Gefängnis als Behausung sind“, soll er gesagt haben. Der Drang nach Freiheit, Mobilität und Heimeligkeit ist also älter als die letzte Finanzkrise.

Glasls Bauwagen im alpenländischen Stil kommt von jenseits der Grenze, aus Österreich, und ist vollgestopft mit Hightech: Solaranlage und Ökokläranlage auf dem Dach, Frischwassertank für zweimal 120 Liter, inklusive Wassertank-Webcam, 300 Liter Grauwassertank, ein wasserführender Holzofen und 1200-Watt-Heizstäbe, eine luxuriöse Dusche und eine Bio-Trenn-Toilette mit geruchshemmender Aktivkohle. Den Urin reinigt die Grünkläranlage, Fäkalien werden kompostiert. Kingsize-Bett mit viel Stauraum darunter, Tisch, Stühle, Küche. Dazu LED-Leuchten, ein Tablet für die Gäste inklusive WLan, Funklichtschalter; auch einen Wein-Kühlschrank gibt es. „Hier muss man auf nichts verzichten“, sagt Glasl. „Das ist ein echtes Smarthome.“

Wenn Glasl wollte, könnte er vollkommen energieautark und unabhängig in seinem Zwergenhaus leben. Und mobil wäre er auch. Denn das winzige Heim ist präzise auf einen Trailer mit zwei Rädern montiert und kann, wenn nötig, komplett an einen anderen Ort gefahren werden. So gesehen steht der Bauwagen Max ganz im Geist der Tiny-House-Bewegung. Für die findet der Tegernseer aber wenig schmeichelhafte Worte, die er aber lieber nicht in der Zeitung lesen will. Das alles ist dem Hausbesitzer und Ferienwohnungsvermieter zu idealistisch, zu wenig pragmatisch.

Seit einem Jahr ist Daniel Glasl Tiny-House-Besitzer. Das Minihaus hat aber auch seine Tücken. „Das ist nicht so einfach“, sagt er, „wenn man im Alter dann in den Zwischenboden kriechen soll, um Technik und Wassertank zu überprüfen.“ Holz müsse gemacht werden. Das autarke Leben müsse man genau planen, „sonst sitzt man plötzlich im Dunkeln oder in der Kälte ohne Strom und Wasser“, betont Glasl.

Das Hauptproblem in Deutschland aber ist der Standort. Dem werbewirksamen Bild, sich einfach mal mit seinem rollenden Haus an den nächsten Waldrand zu stellen, schiebt die deutsche Bauordnung einen Riegel vor. Man braucht eine Baugenehmigung. In Frankreich sind die Gesetze weniger scharf. Glasl kann nur jedem Bauherrn raten, sich beim Bauamt zu erkundigen. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Dauerstellplatz auf einem Campingplatz. „Man muss genau wissen, worauf man sich da einlässt“, sagt er.

Wie für viele andere in Europa ist das Minihäuschen für Glasl eher Zusatzoption. Den Grundsatz: „Weniger ist mehr“ findet er dennoch gut. Als er mal von einer großen Wohnung auf 25 Quadratmeter umziehen musste und von den 30 Umzugskartons nur fünf wieder öffnete, war ihm klar, wie glücklich man sein kann mit wenigen Dingen. Davon, „jedes freie Fleckchen zuzubetonieren“, wie es die Vorreiter des modernen urbanen Wohnens an den Architekturakademien prophezeien, hält Glasl aber nichts. Auf Dächern, in Hinterhöfen und auf Parkplätzen – überall aber scheint im urbanen Gefüge Raum für ein „Winzighaus“ zu sein. Die ehrgeizigen Entwürfe sehen Wohnraum zwischen sechs und 25 Quadratmetern vor.

Eine Zukunftsvision auch für Städte, in denen es eng wird

Die Lust am „Winzighaus“ schwappte Ende der 2000er-Jahre von den USA nach Europa hinüber. Seither haben ganze Architekturklassen auch in Europa den Minimalismus beim Hausbau als lohnende Spielwiese entdeckt. In Berlin arbeitet der Architekten-Nachwuchs an immer winzigeren Behausungen, mit immer clevereren und mobileren Lösungen. So richtig Fahrt aufgenommen haben die, zum Teil sehr spartanischen Behausungen in Großstädten wie München, Berlin oder Köln. „Ein Auto bekommt ganze acht Quadratmeter als Stellplatz“, heißt es. Acht Quadratmeter, die viele lieber als Lebensraum hätten. Für Studenten, Flüchtlinge oder einfach für alle, die in den Ballungsräumen kein Dach mehr über dem Kopf finden, das bezahlbar wäre. Gerade die urbanen Minivarianten zwischen sechs und zehn Quadratmetern sollen sich in jede noch so kleine Nische zwängen können und auch Stadtnomaden wie Touristen ein Heim bieten. Und sei es nur, um dem lästigen Pendeln zwischen Arbeitsplatz und Wohnung zu entgehen.

Vielen aber geht es um mehr als nur um eine günstige und flexible Unterkunft. Es ist der Community-Gedanke, der die Bewegung für viele junge Tiny-House-Liebhaber so attraktiv macht. Unabhängig leben und doch in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten zu Hause sein. Für Glasl selbst wäre das „auf Dauer nichts“. „Freiheit kommt auch von Platz“, sagt er.
(Flora Jädicke) Foto (Jädicke): Das kleine Heim von Glasl ist vollgestopft mit Hightech – und sehr gemütlich.

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