Leben in Bayern

Lothar Vormwald mit zwei Rillentellerisolatoren aus den 1960er-Jahren. (Foto: Christ)

25.05.2018

Ein Unterfranke unter Spannung

Ungewöhnliches Hobby: Lothar Vormwald sammelt Isolatoren – im Trafoturm in Lohr am Main lassen sich einige seiner 6000 Stücke bestaunen

Bereits als kleiner Bub hat er sein Herz verloren: an Isolatoren. Lothar Vormwald ist Teil einer 35-köpfigen Gruppe aus Europa, die regelmäßig gemeinsam Jagd auf ungewöhnliche Stücke macht, zuletzt in Rumänien. Und weil der 64-Jährige aus Lohr am Main auch andere mit seiner Leidenschaft anstecken will, betreibt er Europas einziges Isolatorenmusem.

Neulich war ein Besucher bei Lothar Vormwald, der alles ganz genau wissen wollte. Andere Gäste gab es an diesem Tag im Isalotorenmuseum in Lohr am Main nicht. „Doch mit diesem Mann verbrachte ich fast drei Stunden“, erzählt der 64-jährige Technikfreak. Und dennoch: Als der Gast ging, hatte er nur einen Bruchteil des Wissens angezapft, über das Vormwald verfügt.

Vormwald hat sein Herz an Isolatoren verloren. 6000 Isolatoren besitzt der Unterfranke: Rillentellerisolatoren, Vollkernisolatoren, Stabisolatoren oder auch Glockenisolatoren. Etwa 600 Stücke stellt er im denkmalgeschützten Lohrer Trafoturm aus. Jeden ersten Sonntag im Monat führt der Leiter des Ausnahmemuseums durch das europaweit einzige öffentliche Isolatorenmuseum.

Vormwald hält einen reichlich rußverschmutzten Isolator in die Höhe. „Der Mast, an dem er hing, befand sich in direkter Nähe einer Eisenbahnlinie“, erklärt er. Dass jemand von einem Gegenstand, der zu einem ziemlich schnöden Zweck benutzt wird, nämlich zwischen einem Leiter und der Erde oder zwischen zwei Leitern zu isolieren, so angetan ist, mag befremden. Doch in der Tat fällt das Wort „verliebt“ häufig, wenn Vormwald über seine Leidenschaft spricht. Als er ein kleiner Junge war, ist ihm auf dem Weg zum Opa erstmals ein Isolator aufgefallen. Das war 1962. Elektriker, die eine Hochspannungsleitung bauten, hatten ihn ins Gras gelegt. Was aber faszinierte ihn damals so daran?  „Verliebt war ich wahrscheinlich schon immer“, antwortet Vormwald und schaut den schmutzigen Isolator in seiner Hand an.

Als der im Einsatz war, tuckerten noch Dampfloks durchs Land. Die ummantelten die Isolatoren allmählich mit Ruß. Das war nicht gut. Um optimale Dienste leisten zu können, müssen Isolatoren sauber sein. Sonst leiten sie Strom, was ihren Zweck ad absurdum führt. Darum wurde von Zeit zu Zeit ein Einsatztrupp losgeschickt, um sämtliche Isolatoren zu putzen. Es sind solche Geschichten, die einen in eine Zeit katapultieren, wo völlig anders gewirtschaftet wurde als heute. „Arbeit war billig“, erklärt Vormwald. Material hingegen teuer. Heute sei das umgekehrt. Wie achtlos die Dinge inzwischen weggeworfen würden, klagt er.

Alte Isolatoren bringen in den USA viel Geld ein

Vormwalds große Leidenschaft ist auch von einem Hauch Melancholie überzogen. Irgendwann werde es keine ästhetisch schönen Porzellanisolatoren mehr geben, sagt er. Den Menschen, die sein Museum besuchen, präsentiert der Sammler zum Vergleich einen modernen Isolator aus Silikon. Glas- und Porzellanisolatoren aber bieten eindeutig größere haptische Genüsse – zumindest für Sammler wie Vormwald.

Und von denen gibt es in Europa nur wenige. 35 Köpfe zählt die Gruppe, in der auch Vormwald aktiv ist. Und unter ihnen ist der Handel mit Isolatoren verpönt. Sie werden getauscht. Anders in den USA, wo Sammlerstücke auch eine Menge Geld einbringen können. Vor Kurzem war Vormwald mit seiner Frau Daniele in Amerika. In einem Katalog entdeckte er, welche außerordentlich wertvollen Isolatoren er besitzt. Doch damit Geld machen, würde ihm nicht einfallen. Der gelernte Starkstromelektriker ist, zumindest, was sein Hobby anbelangt, ein ausgesprochener Verfechter des Tauschgedankens.

Zu den Prunkstücken von Vormwalds Sammlung gehört ein Delta-Glockenisolator aus dem Jahr 1897, der als erster am Reißbrett konstruiert wurde. Robert Friese hatte ihn zusammen mit der Porzellanfabrik Hermsdorf entwickelt. Auch ein Stabisolator aus dem Jahr 1920 sowie der Schweizer Glockenisolator „Beznau“ sind Blickfänger. Vormwald selbst hat allerdings keinen Isolator ganz besonders ins Herz geschlossen. Er schwelgt in seiner umfangreichen, bunten Sammlung. „Alle Stücke sind meine Lieblinge“, sagt er und strahlt.

Den ersten Isolator erhielt Vormwald von seinem Lehrbetrieb, der Lohrer Energieversorgung, geschenkt. Selbstverständlich besitzt er ihn heute noch. „Es ist ein L95 Rillentellerisolator“, erklärt er. Von da ab wuchs die Sammlung langsam, aber stetig. Anfangs kamen zwei oder drei neue Isolatoren im Jahr hinzu. Als Twen besaß Vormwald immerhin schon mehr als ein Dutzend unterschiedlicher Isolatoren. Der Sammlertrieb verstärkte sich, die Sammlung wuchs schneller. Irgendwann tummelten sich 50 Isolatoren in seiner Wohnung. Allmählich reifte der Gedanke heran, die Stücke öffentlich zu präsentieren.

Dass es irgendwo noch andere Menschen geben könnte, die sich leidenschaftlich für Isolatoren interessieren, hatte der Spessartbewohner allerdings lange nicht geahnt. Viele Jahre sammelte er alleine – bis er Teil der europäischen Gruppe wurde. Sie wird durch Tauschtreffen und mehr noch durch gemeinsame „Jagden“ zusammengeschweißt. Vor zwei Jahren zum Beispiel machte man sich gemeinsam nach Rumänien auf. „Es gibt dort jede Menge stillgelegter Stromleitungen, um die sich kein Mensch kümmert“, sagt Vormwald. Die Isolatoren-Jäger retten die Bauteile vor der Zerstörung. „Bei solchen Jagden wird eine Woche lang richtig gearbeitet“, schildert der Lohrer. Frühmorgens zieht die Truppe los, bis zum Abend wird auf Masten geklettert, um die Isolatoren abzumontieren. Jeder aus dem Team hat eine andere Aufgabe. Vormwald gehört zu den „Steigern“. Was bedeutet, dass er während der „Rettungsaktionen“ bis zu 25 Meter hohe Masten erklimmt.

Doch nicht nur solche Jagden lohnen sich. Wer mit offenen Augen über Land fährt, stößt immer wieder auf vergessene Isolatoren. Zum Beispiel entlang von Hochspannungsmasten. Lothar Vormwald hält stets die Augen offen, wenn er durch die Gegend kutschiert. Und so kamen in den vergangenen 50 Jahren mehr als 6000 Isolatoren aus aller Welt zusammen.

Von den Menschen, die seine Sammlung sehen wollen, verlangt Vormwald keinen Eintritt. Er freut sich daran, dass er mit seiner Leidenschaft andere Menschen begeistern kann. Jede Führung, berichtet er, ist anders. Irgendwer kommt immer vorbei. Manchmal auch Frauen, denen er auf den ersten Blick ansieht, dass sie im Grunde kein Interesse an Technik haben. „Doch wenn ich ihnen Isolatoren aus Rosenthal-Porzellan zeige, sind sie ganz begeistert“, erklärt Vormwald. (Pat Christ)

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