Leben in Bayern

Wie der Eingang des Forum Humor aussehen soll, weiß Reinhard Wittmann (69) schon. (Foto: Dominik Baur)

28.06.2019

Eine Heimstatt für den Spaß

Künstler und Enthusiasten kämpfen für ein Haus für Humor in München – und meinen es sehr ernst damit

München ist die Hauptstadt des Humors. Davon ist Reinhard Wittmann, ehemaliger Leiter des Literaturhauses, überzeugt. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern der Initiative „Forum Humor und Komische Kunst“ will er in der Landeshauptstadt eine Begegnungsstätte für Mensch und Humor bauen. Für die alte Viehbank im Schlachthofviertel gibt es bereits ein Konzept. Doch es fehlen noch ein paar Millionen Euro.

Nein, ein Museum soll es nicht werden. Und auch kein Theater, kein Zirkus –  aber doch auch irgendwie alles davon. In München wollen Enthusiasten eine universelle Begegnungsstätte für Mensch und Humor bauen. Und es ist ihnen sehr ernst damit.

 Kommt man von der U-Bahnstation Poccistraße, sind es nur ein paar Schritte bis zu der Stelle, wo der Humor ein Dach überm Kopf bekommen soll. Und das ist natürlich ein sehr passender Zufall, denn Pocci, das ist kein anderer als Franz Graf von Pocci, der Erfinder des Kasperl Larifari, der im 19. Jahrhundert dem Kasperl- und dem Marionettentheater einen bedeutsamen Auftrieb bescherte. Sonst hier: wenig Feingeist, stattdessen Wurstgroßhandel, Metzgereibedarf. Die Zenettistraße runter, dann geht es links in den Schlachthof. Hin und wieder lässt hinter den Mauern eine Kuh ein „Muh“ vernehmen, eines ihrer letzten.

Dreht man sich jetzt nach rechts, steht man vor der ehemaligen Viehbank. Die Fenster im Hochparterre sind vergittert, die Backsteine mit Graffiti besprüht, über dem Portal wacht Hermes, der Schutzgott der Kaufleute.

Co-Inspirator des Projekts: Gerhard Polt

Genau das richtige Gebäude für das Forum Humor, findet Reinhard Wittmann. Er ist im Hemd gekommen, die Ärmel hat er hochgekrempelt. Es ist einer der ersten heißen Sommertage in München. Hier haben früher die Viehhändler ihr Geld hingetragen, als auf dem Gelände noch der Viehhof war und die Tiere mit der Eisenbahn gebracht wurden. Wittmann zeigt die Rampe, wo früher das Schlachtvieh runtergetrieben wurde. Jetzt werden dort die entladenen Lkw gewaschen. Damals wurde hier noch echter Kuhhandel betrieben, Zwischenhändler kauften das Vieh und trieben es dann teils über unterirdische Gänge rüber in den Schlachthof. Heute kommen die Tiere im Lkw direkt in den Schlachthof, der Viehhof hat ausgedient. Es ist ein Viertel im Wandel. „An keinem anderen Flecken Münchens“, schreibt die Süddeutsche Zeitung, „herrscht eine ähnlich lässige Atmosphäre und kreative Stimmung, die sowohl von den Anwohnern als auch von Jugendlichen und Junggebliebenen aus der ganzen Stadt geliebt wird.“ Da, wo früher die Rinderhalle stand, ist heute eine Großbaustelle: das künftige Volkstheater. Daneben wirkt das Gebäude der Viehbank recht schmächtig. 1997 ist die Bank hier ausgezogen.

Betreten darf man das Bankhaus derzeit nicht. Wittmann beschreibt die alten Schalterhallen im Inneren, die sich zu Ausstellungsräumen umfunktionieren ließen, spricht von Synergien, die man mit den künftigen Nachbarn, dem Wirtshaus im Schlachthof, einer angesagten Anlaufstelle für Kleinkunst, und dem Volkstheater, nutzen könnte –  zum Beispiel bei größeren Bühnenveranstaltungen.

Die Idee für das Forum Humor und Komische Kunst, so der momentane Arbeitstitel, ist bereits ein paar Jahre alt. Zunächst hatte man allerdings in kleineren Dimensionen gedacht: 2010 gründete sich der gemeinnützige Förderverein, damals noch unter dem Titel Komische Pinakothek. Ausgehend von der Karikaturensammlung des Galeristenpaars Meisi und Helmut Grill verfolgte man den Gedanken einer klassischen Bildersammlung. Die Grills holten Wittmann mit ins Boot. Der warnte: Vier Wände mit humoristischer Flachware daran – das ist zu wenig.

Wittmann, Niederbayer, 69 Jahre alt, ist inzwischen Vorstandsvorsitzender des Vereins. In den Achtzigern hat er über das literarische Leben in Berlin promoviert, danach die Literaturhäuser in Hamburg und München aufgebaut, letzteres hat er bis zu seinem Ruhestand vor drei Jahren geleitet. Zuletzt wurde er dort für seine Ausstellungen zum Werk von Loriot, Helmut Dietl und Gerhard Polt gefeiert.

Polt stieß gemeinsam mit seiner Frau Tini zu dem Team, und er war es dann auch, der den entscheidenden Impuls gab – weg von der Pinakothek hin zum umfassenden Humoransatz. „Dem Humor“, so Polt, „muss man eine Heimstatt geben, in der die riesige Palette der komischen Künste und ihre Interpreten besucht werden können.“ So soll das Forum den Humor in all seinen Aggregatszuständen sammeln, erforschen, präsentieren. Dabei, das ist den Initiatoren besonders wichtig, wollen sie das Thema in seiner größtmöglichen Breite angehen. „Humor wird ja immer in die Kategorie U abgeschoben, dabei heben sich E und U beim Thema Humor auf“, sagt Wittmann. Ein besonderes Augenmerk gilt auch dem medizinischen Aspekt. Partner des Unterfangens ist deshalb der Arzt und Komiker Eckart von Hirschhausen mit seiner Stiftung Humor hilft Heilen.

Ansonsten geht es um Slapstick und Theaterkomödien genauso wie um Clowns und Cartoons, Karikatur und Kabarett, Karneval und Alltagshumor – dargereicht in Ausstellungen und Veranstaltungen. Der Verein KlinikClowns soll hier ein Büro beziehen. In einer Art Akademie der komischen Künste sollen sich im Obergeschoss Praktiker aus der Humorbranche um deren Nachwuchs bemühen. In dieser Breite werde das Haus des Humors oder wie auch immer es dann heißen mag, weltweit einzigartig sein, wirbt Wittmann.

Auch geografische Grenzen will sich das Forum nicht setzen, obwohl Wittmann zugibt: „Die Basis ist schon der bayerische Humor.“ München sei ja schließlich die Hauptstadt des Humors, das gehe von Karl Valentin über den Simplicissimus und den Nockherberg bis zur hiesigen Wirtshauskultur mit ihren Brettln und sogar den Blockbustern von Michael „Bully“ Herbig. Aber natürlich will Wittmann über den humoristischen Weißwurst-Tellerrand hinausblicken. „Lacht der Japaner eigentlich über Chaplin?“, fragt er sich beispielsweise. Und: Worüber amüsiert man sich in Afrika?

Gerade erarbeiten Nicola Lepp, Susanne Wernsing und Annemarie Hürlimann, die auch die Grimmwelt in Kassel kuratiert haben, ein künstlerisches Konzept für eine Dauerausstellung in dem Haus. „Das muss eine Erlebniswelt des Humors werden, wo du nicht nur reingehst, um über den Humor etwas zu erfahren, sondern wo du Humor erlebst“, sagt Wittmann. „Wenn du da schlecht gelaunt reingehst, musst du wirklich gut gelaunt rauskommen, weil du so richtig abgelacht hast.“ Und, klar, interaktiv muss es sein. Eigene Gerätschaften, Erfindungen sollen deshalb her, etwa eine Humormessmaschine.

Die Viehbank gehört der Stadt: Sie muss mitziehen

Humor messen zu wollen, das ist natürlich – ein Witz. Ist der Begriff selbst doch schon schwer genug zu fassen. Was bitte ist Humor? „Humor ist die kürzeste Distanz zwischen zwei Menschen“, antwortet Wittmann auf diese Frage gern. Aber wenn er ausführlicher werden soll, tut sich auch der Fachmann nicht mehr so leicht. Von der wichtigen gesellschaftlichen Funktion des Humors spricht Wittmann dann und davon, dass er total unterschätzt werde, der Humor. Demokratie beispielsweise sei ohne Humor undenkbar. Humor, das sei „die Eigenschaft, das soziale Leben in einer Art und Weise zu nehmen, dass eben gewisse Konflikte gar nicht erst entstehen können“.

In einem Video auf der Website des Forums versuchen sich noch andere, die mit Humor ihr Geld verdienen, an einer Definition. „Wenn Liebe und Weisheit ein Gspusi eingehen“, behauptet etwa die Kabarettistin Luise Kinseher, „dann kommt der Humor dabei heraus.“ Und Stofferl Well, einer der musizierenden Brüder, die seit Jahrzehnten mit Polt auf der Bühne stehen, sagt: „Humor ist Notwehr. Notwehr gegen die Sachen, wo man nix dagegen machen kann. Das ist das Sterben, der Tod, die CSU, der FC Bayern, Trump und so weiter. Und wenn man drüber lacht, ist’s nimmer ganz so schlimm.“ Polt selbst bleibt lieber im Ungefähren. „Für mich ist der Humor immer dann, wenn er stattfindet.“ Und wodurch zeichnet sich der bayerische Humor aus? „Der bayerische Humor persönlich, dem bin ich nie begegnet.“

Ein bisschen optimistisch ist es ja schon von Wittmann und seinen Mitstreitern, jetzt bereits eine Dauerausstellung konzipieren zu lassen: Das Haus ihrer Begierde gehört schließlich der Stadt München, und in trockenen Tüchern ist noch rein gar nichts. Immerhin müsste man in das Gebäude rund 18 Millionen Euro stecken, um daraus ein Haus des Humors zu machen. Das hat eine Machbarkeitsstudie ergeben, die die Initiatoren Ende 2018 vorgelegt haben. CSU, Grüne und FDP unterstützen das Projekt bereits im Stadtrat, nur die SPD hat noch einen Vorbehalt: Der Freistaat soll sich auch beteiligen.

18 Millionen – viel ist das ohnehin nicht, findet Wittmann. Denn: Sanieren müsste die Stadt die unter Denkmalschutz stehende Viehbank in jedem Fall. „Aber wenn sie es mit uns macht, spart sie.“ Wittmann schwebt eine gemeinsame Stiftung mit der Stadt vor. Mit einer Stiftung als Bauherrin bekäme man Fördermittel für den Denkmalschutz und zudem die Mehrwertsteuer zurückerstattet. Der Förderverein selbst hat auch schon 1,4 Millionen Euro gesammelt, die er zuschießen würde. Unterm Strich blieben nur noch knapp 13 Millionen für die Stadt. Zum Vergleich: Für das neue Volkstheater sind rund 130, für Münchens neuen Konzertsaal etwa 370 Millionen Euro veranschlagt.

Wittmann jedenfalls sieht nichts, was das Projekt noch aufhalten könnte. „Ende 2022 müssten wir eröffnen können“, prognostiziert er. Da bedeutet ihm ein junger Mann, doch bitte leiser zu sprechen. Direkt vor der Viehbank finden gerade Dreharbeiten statt. Eine neue Folge der ARD-Endlosserie „Um Himmels Willen“. Aufnahme läuft. (Dominik Baur)

Kommentare (1)

  1. LeBastiano am 28.06.2019
    In der Tat ein gute und ausdrucksstarker Beitrag!
    Gefällt mir sehr gut. :)

    Bastiano
    twitch.tv/lebastiano
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