Leben in Bayern

US-Wahlparty im Landtag: An Deko wurde nicht gespart. (Foto: dpa)

11.11.2016

"Es fühlt sich an, als wäre jemand gestorben"

Lange Nacht des Schreckens: Bei der US-Wahlparty im Landtag glaubten noch viele an den Sieg von Hillary Clinton – und erlebten einen bitteren Morgen

Donald Trump? Auch für die Partygäste im Maximilianeum endete die Wahlnacht mit einer schrecklichen Überraschung. Denn ganz klare Favoritin bei der „U.S. Election Night“ von Amerikahaus und amerikanischem Generalkonsulat war: Hillary Clinton. Emely Pickerell ist noch immer fassungslos. „Das war, als ob jemand gestorben ist“, schildert die 32-jährige Amerikanerin ihr Gefühl, als sie am Donnerstagmorgen um sieben Uhr das Ergebnis der US-Wahl erfuhr: Der Republikaner Donald Trump war in dieser Nacht zum Präsidenten gewählt worden. „Das erinnert mich an den Brexit“, sagt Pickerell, die seit sechs Jahren in München lebt.

Dabei hatte die Wahlnacht vom Dienstag auf den Mittwoch für die Demokraten und ihre Kandidatin Hillary Clinton noch verheißungsvoll begonnen. Das „Munich Chapter“, der örtliche Ableger der Auslandsorganisation der Partei in München, hatte im Wirtshaus im Bavariapark an der alten Messe zu einer Wahlparty geladen, im Nu waren die verfügbaren Plätze ausgebucht, die Party übervoll. Zur gleichen Zeit begann im bayerischen Landtag die große Wahlparty des Amerikahauses und des amerikanischen Konsulats mit deutlich mehr als 300 Gästen. Wer an diesem Abend die Sicherheitskontrollen hinter sich gebracht hatte, wurde auf ungewöhnliche Weise begrüßt. Ein mehrere Meter hoher „Uncle Sam“ und eine gleichgroße Freiheitsstatue winkten auf ihren Stelzen den Besuchern freundlich zu. Drinnen hatte sich das Maximilianeum deutlich verändert: „So toll war der bayerische Landtag noch nie dekoriert wie heute“, meinte etwa Landtagsvizepräsidentin Inge Aures (SPD). Überall waren US-amerikanische Flaggen, „Uncle-Sam“-Zylinderhüte aus Papier und rotweißblaue Girlanden. Zum ersten Male fand die US-Wahlparty nicht im Amerikahaus am Karolinenplatz statt, der Bau aus den 1950er Jahren wird derzeit grundlegend saniert.

Während die Blechbläser der „Express Brass Band“ für Stimmung sorgten, zeugten lediglich kleinere Plakate und Sticker zum Anheften vom eigentlichen Anlass: dem Kampf der beiden Kandidaten Donald Trump und Hillary Clinton um das Präsidentschaftsamt. Ganz amerikanisch aber hatte sich auch die Landtagsgaststätte ausgerichtet und „South of the Border Burger“ oder „Baby Back Ribs“ ins Angebot genommen. Den politischen Teil der Veranstaltung eröffnete Vize-Landtagspräsidentin Aures – Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) war verhindert. Aures betonte, in Bayern habe man schon immer gute Beziehungen zu Amerika gepflegt. Der Vorwahlkampf sei mit großen Interesse verfolgt worden. „Und“, sagte sie gegen 22.15 Uhr, „wir sind sehr gespannt auf das Ergebnis“. Denn zu dieser Zeit waren in den USA die Türen der meisten Wahlbüros noch weit offen und der Wahlsieg von Hillary Clinton wahrscheinlich. Auf der Münchner Wahlparty jedenfalls hatte Clinton die Mehrheit der Anwesenden ganz klar auf ihrer Seite. Nur ein junger Mann mit Trump-Anstecker wurde in den Wandelhallen des Landtags gesichtet, ein Deutscher.

„Was kommt da auf uns zu? Es gibt nur Fragezeichen!“

Bayerns Europaministerin Beate Merk (CSU) feierte im Landtag kräftig mit und machte – wie viele der anwesenden Politiker – keinen Hehl aus ihrer Sympathie für Hillary Clinton. Sie selbst habe Clinton bei einem „Frauenfrühstück“ im Rahmen der „Münchner Sicherheitskonferenz“ kennengelernt, erzählte sie und ergänzte, für Bayern und Deutschland sei es von entscheidender Bedeutung, wer Amerika führe. Man verfolge mit hoher Spannung die Präsidentschaftswahlen, viele hätten den Wahlkampf mitverfolgt und nun aber auch froh, dass er vorüber sei. Mit welchem Ergebnis aber ahnte auch Merk da noch nicht.

Die amerikanische Generalkonsulin in München, Jennifer Gavito, betonte die gemeinsamen demokratischen Werte von Bayern und den USA: etwa freie Wahlen, Redefreiheit und Versammlungsfreiheit. Und zeigte sich äußerst erstaunt, „wie groß das Interesse in Deutschland an den USA“ sei. Und sie wagte eine Prognose – die aber im Gegensatz zu denen der Demoskopen eintraf: „Es wird eine lange Nacht werden“, versprach sie mit Blick auf das amerikanische Wahlsystem. Die letzten Wahllokale – in Alaska – schlossen erst um sieben Uhr morgens Münchner Zeit die Tore.

Gewählt wurden die sogenannten Wahlmänner, eine Einrichtung aus der Zeit, als es in den USA weder schnelle Verkehrsverbindungen noch moderne Kommunikationsmittel gab. Diese Wahlmänner wählen am 19. Dezember den Präsidenten und Vizepräsidenten der USA. Aber: Die Wahlmänner sind nicht verpflichtet, so zu stimmen, wie die Bevölkerung ihres Staates gewählt hat. In der Vergangenheit hat es 87 solcher Fälle gegeben. Allerdings – und das weiß auch Emely Pickerell – sie haben das Endergebnis der Präsidentenwahl noch nie beeinflusst. Also wird sie sich an den Gedanken gewöhnen müssen: Am 20. Januar wird Donald Trump offiziell als Präsident in das neue Amt eingeführt.

Die Stimmung auf der Wahlparty im bayerischen Landtag: Wann immer Hillary Clinton einen US-Bundesstaat gewann und CNN das über große Leinwände verkündete, brandete Jubel auf im Publikum – gewann aber Donald Trump, schwieg die Menge. Und Trump gewann öfter als erwartet. Im Maximilianeum waren sich die Teilnehmer des Expertengesprächs einig: Die Folgen der Globalisierung beziehungsweise die Verteilung des Reichtums spielten bei dieser Wahl eine große Rolle. Greta Olson, Professorin an der Universität Gießen, warnte aber davor, die Trump-Wähler als hinterwäldlerische „Rednecks“ abzutun. Auch wenn sie entsetzt sei über die extrem sexistischen Wahlsprüche in Richtung Kandidatur Hillary Clintons – die erste Frau mit realistischen Chancen auf das US-Präsidentenamt.

Nach Mitternacht tröpfelten weiter die Ergebnisse auf den Monitoren auf die Wahl-Ergebnisse aus den USA ein. Vor einem großen Bildschirm mit der Landkarte der USA versuchte sich Franz Schindler, Rechtsexperte der SPD-Fraktion, einen Überblick zu verschaffen. Trump lag vorne. Aber noch etliche Staaten waren nicht ausgezählt. Viele Gäste des Landtags brachen auf und gingen nach Hause. Doch als sie am Morgen aufwachten, hat sich die Welt verändert. Und viele dürften sich wie Emely Pickerell fragen: „Was kommt jetzt auf uns zu? Es gibt so viele Fragezeichen!“ (Rudolf Stumberger) Foto (dpa): Besuch aus den Staaten: Freiheitsstatue und Onkel Sam im Plenarsaal.

Kommentare (1)

  1. rustyoldguy am 11.11.2016
    Es macht schon traurig, das ausgerechnet in einem Land in dem die Demokratie so lange existiert, Politiker wie Trump
    gerade mit solchen Parolen Erfolg haben. Anscheinend ist dies auf die wirtschaftliche Situation zurückzuführen, in
    der sich viele Amerikaner befinden. Gerade was die Dunkelziffer bei den Arbeitslosen und Menschen ohne festes
    Einkommen betrifft. Dazu kommt noch die Staatsverschuldung, gerade im Bezug auf das Brutto-Inlands-Produkt der USA.
    Ein Problem, das sich nicht nur unter Obama angestaut hat, gewiss nicht allein seine Schuld.
    Aber Welt-Polizist zu sein, ist nicht gerade billig. Obama hat versucht, Reformen, wie im Gesundheitswesen
    auf den Weg zu bringen, aber ohne Erfolg. Es kriselt schon länger im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
    Siehe die Handelsbilanz der letzten Jahre, die Kapitalkonzentration, die Kluft zwischen Arm und reich.
    Ein beklemmendes Gefühl, gerade wenn man an das Buch des verstorbenen Journalisten Peter-Scholl-Latour mit dem
    Titel "Weltmacht im Treibsand" denkt.

    Irgendwie fühlt man sich an die Zeit der Weimarer Republik erinnert, dessen geschichtliche Wirkung wir alle kennen.
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