Leben in Bayern

2006 waren Skelettteile von Peggy gefunden worden. (Foto: dpa)

11.12.2018

Festnahme im Mordfall Peggy

Die Schülerin Peggy aus Oberfranken verschwand 2001 auf dem Heimweg von der Schule spurlos. 2016 fand ein Pilzsammler Knochen des Kindes. Jetzt ist jemand festgenommen worden

Im rätselhaften Mordfall um das neunjährige Mädchen Peggy aus Oberfranken hat es eine Festnahme gegeben. Das bestätigte ein Polizeisprecher am Dienstag in Bayreuth. Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung darüber berichtet. Um wen es sich bei dem Festgenommenen handelt, wollte der Sprecher nicht sagen. Der oder die Verdächtige solle noch am Dienstag einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Danach will die Polizei Details bekanntgeben.

Medienberichten zufolge handelt es sich bei dem Verdächtigen um einen 41-Jährigen, der 2001 erstmals ins Visier der Ermittler geraten war. Laut MDR soll er damals in angetrunkenem Zustand gesagt haben, dass er die Leiche des Mädchens vergraben habe. Einen Mord oder ein Tötungsdelikt habe der Mann immer geleugnet.

Im September 2018 sagte der 41-Jährige dann in einer Vernehmung aus, dass er den leblosen Körper des Mädchens im Mai 2001 in einen Wald in Thüringen gebracht hat, wo Jahre später ein Pilzsammler Peggys Knochen fand. Er habe das leblose Kind von einem anderen Mann an einer Bushaltestelle übernommen, sagte der 41-Jährige. Er habe noch versucht, das Mädchen zu beatmen - es dann jedoch in eine Decke gepackt, in den Kofferraum seines Autos gelegt und in den Wald gebracht. Er hatte den Ermittlern damals auch gesagt, wer der Mann an der Bushaltestelle angeblich war. Zu dieser Person wollten Staatsanwaltschaft und Polizei jedoch keine Angaben machen.

Am 7. Mai 2001 war Peggy auf dem Heimweg von der Schule verschwunden. Gut 15 Jahre später - Anfang Juli 2016 - fand ein Pilzsammler Teile ihres Skeletts in einem Wald bei Rodacherbrunn - knapp 20 Kilometer von Peggys Heimatort Lichtenberg in Oberfranken entfernt.

Es gab im Laufe der Jahre schon mehrere Verdächtige

Die Beamten gehen von einem Mordfall aus. Nach der Vernehmung des 41-Jährigen im September suchten die Ermittler Zeugen. Sie fragten etwa, ob jemand das Auto des Mannes gesehen hatte. Der 41-Jährige kam zunächst wieder auf freien Fuß. Die Polizei durchsuchte jedoch mehrere Anwesen des Mannes und stellte dabei Beweismaterial sicher.

An den sterblichen Überresten des Mädchens fanden die Ermittler mikroskopisch kleine Pollen, die als Bestandteile von Torf identifiziert werden konnten. Hier ergab sich ein Bezug zu Pflanzarbeiten des Mannes am Tattag, die den Ermittlern bekannt waren. Außerdem fanden sie Farbreste, wie sie in Renovierungsmüll vorkommen. "Den Ermittlern war bekannt, dass der jetzt Beschuldigte damals umfangreiche Renovierungsarbeiten ausgeführt hatte", hieß es im September.

Auch ein angebliches Alibi des Mannes platzte: Entgegen seinen früheren Angaben war er am Tattag in Lichtenberg unterwegs. Den Schulranzen und die Jacke von Peggy will der 41-Jährige Tage später bei sich zu Hause verbrannt haben. Sein goldfarbenes Auto haben Polizei und Staatsanwaltschaft inzwischen gefunden.

Im Lauf der Jahre gab es in dem Fall bereits mehrere Verdächtige, doch viele Spuren liefen ins Leere. Deutschlandweites Aufsehen erregte der Fall eines geistig behinderten Mannes, den ein Gericht 2004 als Mörder von Peggy verurteilte, der aber zehn Jahre später in einem Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen wurde.

Zudem entdeckten Ermittler am Fundort von Peggys Skelett DNA des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt. Das stellte sich später aber als Verunreinigung eines Geräts der Spurensicherung heraus.
(dpa)

Der Fall Peggy
Der spektakuläre Fall Peggy beschäftigt seit Jahren Ermittler und Öffentlichkeit. Eine Chronik der Ereignisse:

7. Mai 2001: Die neunjährige Peggy aus dem oberfränkischen Lichtenberg verschwindet auf dem Heimweg von der Schule. Wochenlange Suchaktionen bleiben ohne Erfolg.
August 2001: Die Polizei nimmt einen geistig behinderten Mann fest. Er gibt an, sich an Peggy und drei weiteren Kindern sexuell vergangen zu haben.
22. Oktober 2002: Die Ermittler präsentieren den 24-jährigen Tatverdächtigen als mutmaßlichen Mörder der Schülerin.
7. Oktober 2003: Vor dem Landgericht Hof beginnt der Prozess.
30. April 2004: Der geistig behinderte Mann wird wegen Mordes an Peggy zu lebenslanger Haft verurteilt.
17. September 2010: Ein wichtiger Belastungszeuge widerruft seine Aussage und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Ermittlungsbehörden.
4. April 2013: Der Anwalt des geistig behinderten Mannes beantragt die Wiederaufnahme des Falls.
8. Januar 2014: Auf dem Friedhof Lichtenberg öffnen die Ermittler ein Grab. Sie vermuten, dass bei einer Beerdigung 2001 Peggys Leiche dort abgelegt wurde. Doch sie finden keine Hinweise.
10. April 2014: Auf Anordnung des Landgerichts Bayreuth beginnt das Wiederaufnahmeverfahren.
7. Mai 2014: Das Gericht beendet das Verfahren aus Mangel an Beweisen. Eine Woche später gibt es einen Freispruch für den geistig behinderten Mann.
18. Februar 2015: Die Staatsanwaltschaft Bayreuth stellt ihre Ermittlungen ein. Ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wird aber aufrechterhalten, um mögliche Spuren weiterzuverfolgen.
19. März 2015: Das Oberlandesgericht Bamberg entscheidet, dass der ursprünglich verurteilte Mann aus der Psychiatrie entlassen werden soll.
16. Juni 2015: Ein ehemaliger Verdächtiger im Fall Peggy wird in einem anderen Fall wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Jugendstrafe von sieben Monaten ohne Bewährung verurteilt. Im Fall Peggy gilt er nicht mehr als tatverdächtig.
Mai 2016: Ein im Fall Peggy ehemals verdächtigter Mann fordert Schadenersatz von mehr als 20 000 Euro. Ermittler hatten 2013 auf der Suche nach dem verschwundenen Mädchen sein Grundstück in Lichtenberg metertief durchsuchen lassen. Die Ermittler hatten dabei zwar Knochenreste gefunden. Sie stammten aber nicht von Peggy.
2. Juli 2016: Ein Pilzsammler findet in einem Wald im thüringischen Landkreis Saale-Orla Skelettreste. Polizei und Staatsanwaltschaft teilen kurz danach mit, dass die Knochen "höchstwahrscheinlich" von Peggy stammen.
13. Oktober 2016: Polizei und Staatsanwaltschaft teilen mit, dass am Fundort der sterblichen Überreste des Mädchens DNA-Spuren des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt gefunden wurden.
8. März 2017: Die Ermittler räumen ein: Die Böhnhardt-DNA ist durch eine Panne an den Fundort von Peggys Leiche gelangt. Bei der Spurensicherung wurde das gleiche Werkzeug verwendet wie nach Böhnhardts Tod 2011. Beide Fälle haben nichts miteinander zu tun.
12. September 2018: Die Polizei durchsucht mehrere Anwesen eines 41 Jahre alten Beschuldigten. Der Mann zählte schon früher zum "relevanten Personenkreis" im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Peggy. Nach der Vernehmung kommt er wieder auf freien Fuß.
21. September 2018: Die Ermittler geben bekannt, dass der 41-Jährige gestanden hat, das tote Mädchen in den Wald an der bayerisch-thüringischen Grenze gebracht zu haben, wo später die Knochen gefunden wurden. Ein anderer Mann habe ihm den leblosen Körper am Tag des Verschwindens an einer Bushaltestelle übergeben.
11. Dezember 2018: Die Polizei Oberfranken meldet eine Festnahme in dem Fall, ohne zunächst weitere Details zu nennen.
(dpa)

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