Leben in Bayern

René Sichart mit seiner Singenden Säge, mit der er viel auf Reisen ist. (Foto: Bitala)

23.01.2015

Fiedeln für die chinesische Unterwelt

Der Murnauer René Sichart tingelt mit seiner Singenden Säge um die Welt – vor allem in Fernost ist man narrisch nach seiner Musik

Er gab der Tochter eines Mafia-Bosses in Shanghai  Unterricht und brachte das Publikum in Las Vegas zum Staunen. In der Heimat tritt der Oberbayer unter dem Küstlernamen Tony Rendall immer wieder auch auf Promi-Hochzeiten  auf – was weitaus gefährlicher sein kann als die Bekanntschaft mit der asiatischen Unterwelt. Dann nämlich, wenn es vor dem Altar zur Massenschlägerei kommt. So ein Musikerleben hat auch seine unberechenbaren Seiten, erzählt René Sichart: „Als in Shanghai meine Bandmitglieder wegen Krankheit einer nach dem anderen ausfielen, hätte ich alleine auf die Bühne gemusst.“ Doch da kam ein stattlicher Herr auf den Murnauer zu. „Dass der im chinesischen Mafia-Milieu eine bestimmende Rolle spielt, habe ich erst später erfahren.“ Der Mann bot Sichart an, ihm seine Tochter und eine ihrer Freundinnen als Background-Sängerinnen „auszuleihen“. Im Gegenzug sollte er den verwöhnten Püppchen das Spiel mit der Singenden Säge beibringen. Gesagt, getan. Das Konzert war gerettet. Und die Mädchen fiedeln seitdem fröhlich auf ihren Sägen – nicht nur in der chinesischen Unterwelt.
Die Singende Säge ist meist ein großer Fuchsschwanz. Mit einem Violinbogen wird das Sägeblatt zum Klingen gebracht. In den 1920er-Jahren spielte Marlene Dietrich auf so einer breiten Säge. Sichart aber kann auf ihr nicht nur Tonfolgen und Volkslieder spielen, sondern auch Stücke von Michael Jackson oder aus dem Musical Phantom der Oper. Derzeit aber stehen bei ihm bayerische Volksmusik und deutsche Schlager auf dem Programm. Denn Sichart ist wieder in China unterwegs und gastiert diesmal in dortigen Bierburgen der Paulaner-Brauerei: „Ich mache solche Auftritte gerne“, betont er. Das Publikum in Fernost sei ganz narrisch nach deutscher und vor allem bayerischer Musik.

Als Lehrer vermisste er die Kreativität an der Schule

Eigentlich war Sichart, Jahrgang 1946, Lehrer. Nach dem Studium unterrichtete er am Staffelsee-Gymnasium im oberbayerischen Murnau Kunsterziehung und Musik. Doch das war nicht seine Welt, sagt er heute. „An der Schule konnte man mit den Kindern nicht so kreativ arbeiten, wie ich mir das gewünscht hatte.“ Seit 1995 ist Sichart nun als freiberuflicher Komponist und Musiker unterwegs. In der Branche kennt man ihn unter dem Künstlername Terry Rendall.
Und natürlich spielt Sichart nicht nur die Singende Säge. Neben diversen Tasteninstrumenten kann er auch exotische Instrumente wie Erhu, eine zweisaitigen chinesischen Geige, und Hulusi, eine chinesische Mundorgel. Seine ganze Leidenschaft gehört aber dem Theremin, das 1918 vom russischen Physikprofessor Lev Sergeiewitch Termen entwickelt worden war.  Das Theremin ist das einzige Instrument, das ohne Berührung des Spielers eine Tonfolge erzeugt – die Töne werden durch die elektrische Kapazität des menschlichen Körpers erzeugt. „Das Theremin versetzt das Publikum zum Staunen, selbst in Las Vegas“, schwärmt der Musiker.
Mit einer ganzen Reihe von Topleuten musizierte Sichart schon auf der Bühne oder im Plattenstudio, unter anderen mit Gilbert Bécaud, Charles Aznavour, Neil Diamond oder Paul McCartney. Auch mit Udo Lindenberg und Peter Maffay spielte er bereits. Und im Sommer unterstützt er Andrea Berg als Konzertmeister. Als Komponist arbeitet er viel für die Schlager- und Volksmusik-Szene. Besonders stolz aber ist Sichart darauf, dass seine Platte mit englischen Kinderliedern zu den Hits  auf der Internetplattform iTunes gehört: „Auf der ganzen Welt lernen die Buben und Mädchen mit meinen Liedern die englische Sprache“, freut er sich. Die Aufnahmen wurden in Polling bei Weilheim eingespielt.
Sichart ist keineswegs nur in China unterwegs. Er spielte bereits in London, New York, Los Angeles und Sankt Petersburg und Las Vegas. Und auch in der Heimat kommt er viel rum. Meist tritt er dort als Alleinunterhalter bei Promihochzeiten auf. Namen will er nicht verraten. „Wenn ich Prominenz höre, stellen sich mir die Nackenhaare auf – das bedeutet oft Ärger, Streit, Absagen, Wahnsinn und Größenwahn“, sagt er stattdessen.
Einmal spielte er mit fünf Mann in München-Schwabing. Vor der Feier kam der Großvater der Braut und warnte die Musiker, dass es mit Sicherheit zu einem Riesenskandal kommen würde. Und dann sollten sie sich ja nicht von irgendwem beeindrucken lassen, sondern so schnell wie möglich verdrücken. Die Gage gab es als Vorabkasse. Und tatsächlich: Noch vor der Feier fuhren in der Leopoldstraße Polizeifahrzeuge auf – erst mal als reine Vorsichtsmaßnahme, denn diese Art von Schickeria war den Behörden bereits bestens bekannt. Und als dann die Geistlichen ihre Zeremonie beginnen wollten, war bereits die wildeste Schlägerei im Gange. Und die Hochzeit gelaufen. Warum? Das blieb für die Außenstehenden völlig unerklärlich. Und auch bei einer anderen Vermählung, dieses Mal von einem Münchner Gastronomen, ging es hoch her. Denn dort führe ein Priester die Trauung durch, der gar kein Pfarrer war. Wie sich später herausstellte war der Mann ein Hochstapler und Automechaniker oder Bäckermeister von Beruf; keiner wusste das am Ende so genau zu sagen. 

Er malt auch mit Plastilin – als Einziger weltweit

Zwischenfälle dieser Art bleiben Sichart bei seinem zweiten Kunst-Standbein zumindest erspart. Er porträtiert Showgrößen zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren: Jimmi Hendrix, Janis Joplin, Tina Turner, die Beatles oder die Rolling Stones. Für diese Portraits entwickelte er die Plastilin-Malerei – die Idee dazu verdankt er seiner Tochter. „Als Alexandra als Kind einmal ihre Malfarben ausgingen, sagte ich zu ihr: ,Nimm halt Plastilin.‘ Und das hat ganz gut geklappt“, erzählt Sichart. Gemeinsam haben Vater und Tochter ein paar Blumenbilder mit der bunten Knetmasse gemacht. Später experimentierte er und verfeinerte die Maltechnik. Das Problem dabei ist, das Plastilin so geschmeidig zu bekommen, dass man es ähnlich wie Ölfarben auf den Malgrund bringen kann. Das Material darf dabei nicht reißen oder zerfließen. Der Rest bleibt sein Geheimnis.
Sichart ist weltweit der Einzige, der mit dieser Technik arbeitet. Und auch seine Werke kommen herum: Jimi Hendrix hängt beispielsweise als Plastilin-Portrait in einer Bar in Los Angeles und Michael Jackson ziert das Büro dessen deutschen Platten-Management. (Günter Bitala) (Foto: Mit der von ihm entwickelten Plastilin-Malerei porträtiert René Sichart Showgrößen wie die Rolling Stones; Bitala)

Kommentare (3)

  1. Musician am 02.10.2020
    Super was er macht. Da sieht man wieder was bescheidene Menschen können.
    Das haben die Murnauer vergessen. Die Bayerische Staatsregierung hätte ihm längst einen Orden überreichen müssen für seine Präventionslieder, sein Musical DER BAUM, das erste Umweltmusical der Welt aus dem Jahre 1992, sein Aktivitäten für Deutschland in China, Russland und der weiten Welt.
  2. Tony am 26.07.2020
    Sehr gut was der Terry macht. Seine Kinderlieder bewegen sich weltweit unter den ersten 10. Das heißt schon was. Traurig, dass in Deutschland Superkünstler nicht so oft im Fernsehen sind. Was da alles von den Moderatoren als Star angepriesen wird ist Wahnsinn. Hoffe ihn wieder erleben zu können.
  3. Tom Ericson am 28.06.2020
    Ich habe den Künstler René Sichart (Terry Rendall) in Zhengzhou/China in einem Musicaltheater erlebt und gleichfalls in Las Vegas. Alle Achtung, was der bescheidene Bayer da anstellte. Er spielte nicht nur Singende Säge und Theremin, auch Piano, Synthesizer, Hammondorgel, HinLusi, Erhu etc. Unglaublich die Klänge und die Leichtigkeit - obschon sehr schwer zu handeln. Sympathisch und mit einer Leidenschaft sondergleichen. Ich sah ihn auch mit den Fab Four in Las Vegas, als er in dieser Band einige Songs begleitete und Beatles-Klassiker zum Besten gab.
    In Deutschland ist er leider fast unbekannt. Wundert mich aber nicht. Die heutige Schlagerlandschaft ist ein einziges Jammertal mit depressiven Gelalle.
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