Leben in Bayern

Trotz 2G plus ins Studio: Trainerin Melanie Seitz freut es, wie viele Frauen sich extra testen lassen, um ihren Kurs zu besuchen. (Fotos: Jasmin Kirstein)

03.12.2021

Fitness-Frauen trotzen dem Corona-Blues

Die Pandemie hat auch den Sportstudios stark zugesetzt. Doch trotz Umsatzeinbußen – im Münchner My Sportlady lässt man den Pandemie-Frust draußen

Seit vergangener Woche gilt in bayerischen Fitnessstudios die 2G-plus-Regel. Zutritt haben nur Geimpfte und Genesene mit einem negativen Corona-Test. Auch für das Münchner My Sportlady ist das ein herber Rückschlag. Immerhin gingen dem Fitnessstudio nur für Frauen durch Corona bereits 25 Prozent der Abos verloren. Und doch ist man sich dort sicher: „Wir halten durch!“

Vielleicht ist alles eine Frage mentaler Stärke. Else Holojan, 84 Jahre alt, hat gerade zum ersten Mal Antara ausprobiert, mit acht anderen Frauen, im Yogaraum. 60 Minuten lang hat die ältere Dame auf der Matte gestanden, geturnt und ihren Rumpf gekräftigt. Für sie nichts Ungewöhnliches. Fast täglich besucht sie einen der Kurse bei My Sportlady, einem Fitnessstudio für Frauen im Münchner Glockenbachviertel. Dreimal pro Woche Spinning, dazu Pilates, Bewegter Rücken, Ganzkörpertraining: Nichts ist ihr zu schwierig. „Ich bin vortrefflich durch die Pandemie gekommen“, erzählt sie vergnügt im Studiofoyer, das Handtuch locker auf der Schulter. „Ich hab nicht losgelassen. Ohne meine Übungen wäre ich krank, nach der Stunde im Studio gehe ich frohgemut nach Hause.“

Seit rund einem Vierteljahrhundert kommt Holojan so gern hierher, dass sie all die Zumutungen der Corona-Bekämpfung wegsteckt: die Anmeldepflicht, die inzwischen für jeden Kurs besteht; das Maskentragen in den Fluren; das Lüften während der Kurse auch bei eisigen Temperaturen; die Desinfektion von Händen und Matten. Mit der nötigen Gleichmut schiebt sie sich inzwischen auch bei jedem Besuch unter Aufsicht ein Teststäbchen in die Nase. Seit vergangener Woche sorgt ja 2G plus in allen bayerischen Fitnessstudios für mehr Sicherheit.

Jasmin Kirstein hat ihr Studio 1984 gegründet, als eines der ersten Frauen-Fitnessstudios in Deutschland. Wer hätte damals schon gedacht, dass ihre Mitarbeiterinnen einmal Selbsttests beaufsichtigen und Spucktests zu fünf Euro anbieten würden, um den Besucherinnen die Ansteherei in der Kälte vor einer Teststation zu ersparen?

Auch Else Holojan stand schon in der Schlange vorm Gärtnerplatztheater. Aber weil sie kein Handy besitzt, an das die E-Mail mit dem Antigen-Schnelltest-Ergebnis geschickt werden kann, kommt der kostenlose Bürgertest für sie nicht infrage.
Nun könnte man hoffen, dass mit 2G plus, was die Einschränkungen für Fitnessstudios angeht, das Ende der Fahnenstange erreicht wäre. Aber wer ein klein wenig pessimistisch aufgelegt ist, darf sich natürlich schon fragen: Wird 2G plus reichen? Steht jetzt, in der vierten Welle, die sich höher auftürmt als jede zuvor, nicht eigentlich alles zur Disposition?

Jasmin Kirstein möchte sich auf so düstere gedankliche Pfade nicht begeben. Sie hat zwar gerade noch mal Geld in die Hand genommen, um die Qualität der Videos zu verbessern, die das Studio seit der Pandemie unermüdlich für seine Mitglieder produziert. Aber ansonsten hat sie beschlossen, sich über die wichtigsten Planungen hinaus nicht allzu viele Sorgen über die Zukunft zu machen. „Das schwächt uns“, findet sie, „und es drückt die Stimmung.“ Weil sie Sicherheit ausstrahlen will für das Team und die Mitglieder, arbeitet sie mit Yoga und Meditationen an ihrer eigenen Zuversicht – und konzentriert sich darauf, dass die Mitglieder hier und jetzt „happy“ sind.

Aber natürlich hat auch ihr Unternehmen – 25 feste, 70 freie Mitarbeiterinnen, 2000 Quadratmeter Platz und vor der Pandemie 2000 Mitglieder – Federn gelassen. 25 Prozent der Abos gingen während Corona verloren. Umzüge, finanzielle Schwierigkeiten oder die Einsicht, dass man sich zu regelmäßigem Training doch nicht aufraffen kann, führen auch jenseits von Corona zu Kündigungen. Aber früher stand für jedes verlorene Mitglied ein neues vor der Tür. Heute wagen nicht allzu viele, einen Vertrag abzuschließen. Aber die Kosten laufen weiter.

Mehrere Studios in der Nähe mussten schon schließen

Mehrere Studios haben im Umkreis von My Sportlady schließen müssen. Viele andere ringen ums Überleben. Die ganze Branche ist schwer erschüttert. „Nachdem wir durch die letzten Shutdowns massive Einbußen hinnehmen mussten, hätten wir eine gute Herbst- und Wintersaison dringend brauchen können“, schreibt etwa eine Sprecherin der Landsberger Kette clever fit. Das Testen sei ein enormer organisatorischer Aufwand. Frust mache sich breit, den auch die Leute vor Ort zu spüren bekämen, die für die Einhaltung der Regeln sorgen müssen. „Viele Studiobetreiberinnen bangen jetzt um ihre Existenzen.“ Was sie fürchtet: „Weitere Umsatzeinbußen, Mitgliederverluste und Mitarbeitermangel.“

Aber Jasmin Kirstein verspricht: „Wir halten durch.“ Warum das gelingt, kann man nur mutmaßen. Vielleicht liegt es an der guten Lage mitten im Zentrum der Stadt, vielleicht an den Rücklagen, die gebildet werden konnten, vielleicht daran, dass hier nicht nur Kraftmaschinen stehen, sondern durchgehend Kurse angeboten werden, die online übertragen werden können. Dazu kommen: Personal Training, Kinderbetreuung, Sauna, Spabereich und Kochschule. Vielleicht liegt es aber auch an dem „Spirit“, den Kirstein herstellt, „eine angstfreie Zone, die von Zuversicht und Vertrauen geprägt ist“. Für viele, sagt sie, sei das Studio „Lebensinhalt“. Hier trifft man sich ja nicht nur zum Muskelaufbau, sondern auch zum Kaffeetrinken und Suppeessen oder für einen Gang in die Sauna. Gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung sind Kirstein wichtig, dafür zu sorgen, „dass man sich nicht in der Krise verliert“. Und nicht zuletzt hat, wer frühmorgens Bauch, Beine und Po trainiert, auch in glanzlosen Zeiten immerhin das Gefühl, etwas geschafft zu haben.

Völlig gerührt war Melanie Seitz am vergangenen Freitag darüber, wie viele Frauen sich extra testen ließen, um ihren Kurs zu besuchen. Sie unterrichtete wie immer – trotz „Booster-Arm“. Die Impfreaktion war heftig diesmal, sagt sie. Aber weil sie vom Nutzen der Impfung zutiefst überzeugt ist, ließ sie sich das nicht anmerken.

Auch in der Pandemie: Sport ist wichtig für die Psyche

Früher trainierte man in ihren Kursen dicht an dicht. Der schöne Yogaraum mit dem Holzparkett platzte fast aus allen Nähten. Jetzt ist zwischen den Matten jede Menge Platz, und Seitz hat sich daran gewöhnt, live und zugleich online zu unterrichten, damit nicht nur dabei sein kann, wer es auf die knappe Teilnehmerliste geschafft hat. Am Ende eines Kurses kniet sie vor ihrem Laptop und winkt den Teilnehmerinnen im Zoomcall zu. Manche stellen die Kamera an und winken zurück. „Du lebst vom Feedback, du schwingst mit den Leuten mit“, sagt Seitz.

Im Lockdown hat sie Videos ohne Ende produziert, um die Mitglieder bei der Stange zu halten. Vor zugehängten Fenstern und laufender Kamera, das Mikro an die Hüfte geschnallt, machte sie ihre Übungen, motivierte, platzierte ein paar Scherze – alles ins Nichts hinein. Licht und Ton der Videos waren nicht sonderlich professionell, wer hatte schon Ahnung von Videos? Und Feedback? Fehlanzeige. Aber funktioniert haben die Videos doch. Besser fühle sich in der Regel jede, die trainiert hat, auch wenn es die übliche Überwindung kostet. Manchmal sagen Frauen, erzählt Seitz, dass sie weniger Medikamente nehmen müssen, seit sie ins Studio kommen. Nicht nur junge, fitte Zwanzigjährige trainieren hier ja, sondern auch Frauen mit Krebs, Multipler Sklerose, schweren Rückenproblemen, Depressionen.

„Der Sport ist wichtig für die Psyche“, sagt auch Maggie Fackler, die gerade den Antarakurs geleitet hat und jetzt am Empfang steht. Immer wieder musste sie seit Corona erklären, dass nicht das Studio zuständig ist für die neuen Regelungen, sondern die Politik. Einige Mitglieder seien psychisch weniger belastbar als früher. Manche ganz schön gealtert in den vergangenen zwei Jahren. Viele aber sind dankbar für alles, was trotzdem geht.
(Monika Goetsch)

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