Leben in Bayern

04.01.2023

Flughafenbusse für die Ukraine

Tanja Ehrlein aus Nürnberg organisiert mit ihrem Verein regelmäßig Hilfstransporte in die Ukraine – in dieser Woche hat sie dafür eine besondere Spende erhalten

Vom Rollfeld ins Kriegsgebiet: Der Nürnberger Albrecht-Dürer-Flughafen schickt drei Reisebusse als Spende in die Ukraine. Dort sollen die ausrangierten Busse aus der Vorfeldflotte bei der Evakuierung von Zivilisten helfen. Die 31-jährige Tanja Ehrlein und der 53-jährige Thilo Köppe helfen mit, dass die Busse dort auch ankommen.

Während die einen noch an guten Vorsätzen für das neue Jahr arbeiten, packt Tanja Ehrlein bereits die Koffer für den nächsten Hilfstransport in die Ukraine. „Ich bin die Vorhut für die drei Busse, die uns der Albrecht-Dürer-Flughafen zur Verfügung gestellt hat“, sagt die 31-jährige Nürnbergerin. „Wir sind dem Flughafen super dankbar.“

Derzeit suche der fränkische Ukraine-Hilfsverein händeringend alles, was fährt. „Eigentlich haben wir uns auf Krankenwagen spezialisiert. Aber auch Busse sind super wichtig für die Evakuierung von Zivilisten.“ Besonders katastrophal sei die Lage in den wieder befreiten Gebieten.

„Da, wo Russland war, herrscht jetzt Zerstörung pur“, sagt Ehrlein. Dort gebe es weder Wasser noch Strom. Die Regale in den Supermärkten seien leer. „Aus diesen Gebieten müssen viele Menschen dringend gerettet werden.“ Die ausrangierten Busse vom Dürer-Airport seien daher tatsächlich lebensrettend.

Dass die alten Gefährte schon ein paar Jährchen auf dem Buckel haben, sei überhaupt kein Problem. „Die älteren Modelle haben weniger Elektronik und können daher gut in den Werkstätten vor Ort repariert werden.“ Am Dienstagmorgen hat sich die Nürnbergerin auf die rund 1300 Kilometer lange Reise nach Lemberg gemacht. „Ich packe meinen Passat voll mit medizinischen Notfallpaketen“, erzählt die 31-Jährige kurz vor der Abfahrt und bringt noch ein Paket mit Aderpressen in ihren Allrad-Kombi. „Mit diesen Abbindesystemen können stark blutende Wunden gestillt werden“, sagt Ehrlein und erklärt, dass im Kriegsgebiet der Notarzt leider häufig viel zu spät komme. „Viele Opfer verbluten einfach. Durch diese Tourniquets kann die Mortalität um die Hälfte reduziert werden.“ 

Derweil platzt der Passat fast aus allen Nähten. „Einen Beifahrer werde ich wohl nicht mitnehmen können“, sagt Ehrlein und lacht. Stattdessen wolle sie in der Ukraine alles für die Ankunft und die Übergabe der Busse vorbereiten.

Unterwegs seit Mittwochfrüh

Hinter das Steuer der zwölf Meter langen Gefährte haben sich einen Tag später drei Freiwillige aus Nordbayern geklemmt, die über den nötigen Führerschein verfügen. „Ich habe mir mein Studium als Lastwagenfahrer finanziert“, erzählt Thilo Köppe aus Herzogenaurach. Der 53-jährige Diplom-Ingenieur hat sich bereit erklärt, einen der Busse persönlich in die Ukraine zu fahren. „Wir haben mit unserem kleinen Rotary-Verein schon über 80 000 Euro an Spendengeldern gesammelt. Jetzt wollen wir wirklich mit anpacken“, sagt Köppe und schaut auf die Uhr. „Morgen früh um vier Uhr geht es los“, sagt der erfolgreiche Unternehmensberater, der erst vor knapp zwei Jahren aus Shanghai gemeinsam mit Frau und Tochter zurück nach Franken gezogen ist, am Vorabend der Fahrt. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal mit dem Bus in die Ukraine fahren werde“, gibt Köppe zu.

Normalerweise bestehe das Clubleben im Rotary-Verein aus leckeren Abendessen und gemütlichen Spendenaktionen. „Wir wollen mehr Dynamik in den Club bringen. Wir haben so viele Talente“, freut sich Köppe. „Meine Frau hat mich trotzdem zunächst für verrückt erklärt“, sagt Köppe und packt noch mehr medizinische Notfallpakete in den silbernen Bus, der früher Fluggäste voller Vorfreude beispielsweise zum Ferienflieger kutschiert hat und bald schon als Lebensretter im Kriegsgebiet fungieren soll. Der Nürnberger Flughafen habe einen fantastischen Job gemacht und den Bus in der eigenen Werkstatt während der Feiertage noch einmal gründlich durchgecheckt. „Sieht alles wirklich gut aus. Der Bus fährt, der Motor läuft“, freut sich Köppe.

Zur Sicherheit wandern trotzdem zwei Warnwesten unter den Fahrersitz. „Bis Lemberg sollten wir gut durchkommen“, sagt Köppe, der von Thomas Zieger als Beifahrer auf der langen Reise gen Osten begleitet wird. „Wir rechnen mit 14 Stunden. Bis Mittwochabend um kurz vor 20 Uhr wollen wir an der Grenze sein, um noch problemlos durch den Zoll zu kommen“, sagt Köppe. „Wir haben von Antibiotika über Infusionsnadeln bis Verbandsmaterial alles dabei, was für die schnelle Hilfe benötigt wird.“ Als kleines Gastgeschenk für die Zöllner*innen am polnisch-ukrainischen Grenzübertritt habe man zur Sicherheit neben dem medizinischen Material noch zwei große Kisten mit Nürnberger Lebkuchen mit an Bord. Damit an der Grenze wirklich alles glatt läuft, will Bogdan Puszkar dem Konvoi aus östlicher Richtung zu Hilfe eilen. Der ukrainische Pfarrer hat 2014 während seiner Zeit als Seelsorger der griechisch-katholischen Gemeinde in Franken den ukrainischen Hilfsverein Bamberg:UA in Bamberg gegründet.

Zum 22. Mal bei einem Hilfstransport dabei

„Ich bin von Anfang bei dem Verein dabei“, freut sich Tanja Ehrlein, die selber ukrainische Wurzeln hat. Die Familie habe nicht nur unter der deutschen Diktatur im Dritten Reich gelitten. Auch die russischen Gräueltaten würden bis heute wie ein Trauma auf der Familiengeschichte lasten. „Wir wollen jetzt einen Sieg für die Ukraine“, sagt Ehrlein. Auch wenn es bis dahin vielleicht noch ein langer Weg sei. „Das ist jetzt mein 22. Hilfstransport in die Ukraine“, sagt sie. Mit ihrem Verein hat Ehrlein seit Kriegsausbruch schon Material im Wert von 1,5 Millionen Euro gespendet.

„Wir fahren diesmal bis Lwiw im Westen der Ukraine.“ Dort kümmere sich eine ukrainische Organisation um die Weiterverteilung. Je nach Dringlichkeit würden die Busse vom Albrecht-Dürer-Airport anschließend rund um die Frontgebiete verteilt.
Bis es so weit ist, müssen Tanja Ehrlein und die Busse jetzt nur noch heil in der Ukraine ankommen. Während Tanja Ehrlein am frühen Mittwochmorgen die Grenze schon längst passiert hat, klettert Thilo Köppe auf den Fahrersitz und startet den Motor. „Jetzt sind wir startklar“, sagt Köppe und zeigt auf den voll beladenen Bus. „Wenn wir den Luxus haben zu helfen, sollten wir das auch tun“, findet er. Im Morgengrauen rollte er dann mit dem ehemaligen Flughafenbus vom Nürnberger Flughafen aus langsam gen Osten davon. (Nikolas Pelke)
 

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