Leben in Bayern

Freude über das Erreichte: Felipe (von links), Stéphane und Solène Guisard. (Foto: Luke Edmonds)

08.09.2023

Freudentränen und ein Beinahe-Rekord

Die Münchner Familie Guisard durchschwimmt den Ärmelkanal – und trotzt dabei Wellen, Quallen und dem zunehmenden Schmerz in den Armen

Jetzt oder nie. Einmal im Leben ist die Chance da. Das hat sich die Familie Guisard gedacht, als kurzfristig ein Boot frei wurde, das sie bei einer ganz besonderen Mission begleiten konnte: In einer Familienstaffel sind Vater Stéphane (52), Sohn Felipe (28) und Tochter Solène (20) Ende August gemeinsam durch den Ärmelkanal geschwommen. Neun Stunden und 40 Minuten hat die französische Familie, die größtenteils in München lebt, für 44,4 Kilometer gebraucht und dabei am Rekord gekratzt. Sie ist nun die zweitschnellste Dreierstaffel aller Zeiten.

Aufgeben war nie eine Option – auch, wenn die Arme schmerzten und die Wellen peitschten. Nun freuen sich alle drei über das, was sie geschafft haben. „Wir lieben Challenges“, erzählt Solène Guisard nicht ohne Stolz. Die in Chile geborene Wahlmünchnerin ist Synchronschwimmerin bei den Münchner „Isarnixen“ und Mitglied der deutschen Nationalmannschaft. Ihr Bruder Felipe lebt in Frankreich und war in der französischen Nationalmannschaft der Junioren, ist aber seit rund zehn Jahren nicht mehr geschwommen, wegen seines Studiums. Und Vater Stéphane war internationaler Wasserballspieler in Frankreich und Chile und ist jetzt Freiwasserschwimmer.

Wasser ist das Element der Guisards

Wasser ist also ganz das Element der Guisards, und so waren auch die Kinder gleich Feuer und Flamme, als Stéphane in die Familien-Whatsapp-Gruppe schrieb, er habe ein Boot in Aussicht, das die Familie durch den Ärmelkanal begleiten könnte. Denn ohne Begleitung geht so eine Durchquerung nicht. „Normalerweise gibt es für Boote und den dazugehörigen Kapitän eine Wartezeit von vier bis fünf Jahren. Es gibt nur zwölf Kapitäne. Im Januar habe ich dort hingeschrieben und es gab einen freien Platz im August“, erzählt Stéphane Guisard.

Nach eingehender Vorbereitung – einem simulierten Training – ging es also am 28. August los. An einem kleinen Strand zwischen Dover und Folkestone startete die Familie, bei einer Wassertemperatur zwischen 17 und 18 Grad. Wann gestartet wurde, hat der Kapitän entschieden: „Er gibt den Startschuss, wenn das Wetter und der Wellengang passen. Es gibt auch Schwimmer, die warten eine Woche lang, und sie können gar nicht starten, wenn die Bedingungen es nicht möglich machen“, erzählt Solène. „Wir hatten echt Glück.“

Und auch, wenn die Guisards es vorher geprobt hatten: Schwimmen bei Dunkelheit war nicht nötig. Sie begannen ihr Abenteuer gegen 7.30 Uhr, und auch als sie gegen 18.30 Uhr ankamen, war es noch hell. Jeder der drei schwamm jeweils immer eine Stunde, bis sie von Großbritannien aus Frankreich erreicht hatten.

Für die Familie ging es nicht nur darum, die Strecke zu schaffen. Sie wollten alle auch möglichst schnell sein, was ihnen durchaus gelang. Mit einer Zeit von neun Stunden und 40 Minuten liegen sie nur eine Minute unter dem Weltrekord für eine Dreierstaffel. Bei der Organisation, die diese sportliche Unternehmung für sie zertifiziert hat, stehen sie sogar an erster Stelle.

Von allen Ärmelkanal-Schwimmer*innen, die an diesem Tag unterwegs waren, waren die drei mit Abstand die besten: „Die zweitschnellsten Schwimmer haben zwölf Stunden gebraucht“, erzählt Solène. Sie schwamm nach ihrem Bruder als Zweite. „Ich war ziemlich aufgeregt, aber man muss sich sagen, man hat trainiert, und wenn man erst einmal im Wasser ist, dann denkt man an andere Dinge“, sagt die 20-Jährige.

Sie hat versucht, in einer Stunde so viel Strecke wie möglich zu schaffen. „Dabei hat mir das Simulationstraining sehr geholfen im Vorfeld, weil ich gelernt habe, welches Tempo ich schwimmen kann, um auch durchzuhalten.“

Trotzdem war es ziemlich anstrengend für die Familie, die Strecke zu bewältigen. „Das Meer war nicht flach, es gab immer ein wenig Wellen. Deshalb hat es auch mit dem Rekord nicht ganz geklappt“, sagt Stéphane bedauernd. „Das wäre schon der Hammer gewesen“, gibt Solène zu.

44,4 Kilometer statt 33 Kilometer zurückgelegt

Wer ganz gerade schwimmt, der braucht 33 Kilometer bis nach Frankreich. Die Familie benötigte aber 44,4 Kilometer, weil es galt, Wellen und zum Schluss auch Quallen auszuweichen. Ein riesiger Umweg, gerade angesichts der großen Strapazen. „Am Ende tun die Arme schon sehr weh, aber man denkt nicht daran und gibt noch einmal alles“, erzählt Solène Guisard.

Felipe war dann derjenige, der in Frankreich an Land schwamm. „Er ist zum Schluss wie ein Torpedo durchs Wasser geschossen, um den Quallen auszuweichen, das war unglaublich“, sagt sein Vater Stéphane stolz. Und Schwester Solène verrät, dass die Emotionen groß waren: „Wir haben Freudentränen geweint, es geschafft zu haben. Und das Schönste war, es als Familie zu meistern.“ (Melanie Bäumel-Schachtner)
 

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