Leben in Bayern

Für viele Straftäter ist es ein schlechter Kreislauf: Nach einer Haft wird eine große Zahl wieder kriminell. (Foto: dpa)

15.04.2015

Für ein straffreies Leben nach dem Knast

Nach der Haft kommen viele Straftäter nicht auf die Beine und werden wieder kriminell. Damit dies nicht passiert, werden in Bayern immer mehr Beratungsstellen für ehemalige Häftlinge aufgebaut

Süchtig kaufte sie Waren im Internet ein und geriet so auf die schiefe Bahn. Gut zehn Monate musste die junge Augsburgerin deswegen in drei Gefängnissen einsitzen. Nach ihrer Entlassung musste sich die Frau wieder in der Freiheit zurechtfinden. Hilfe bekam sie durch die Augsburger Beratungsstelle für Strafentlassene, die sie auch schon während der Haft betreut hatte. "Wenn man ins Gefängnis kommt, dann brechen alle Kontakte weg. Da genießt man es sehr, wenn man alle zwei Wochen jemanden hat, dem man seine Sorgen und Ängste anvertrauen kann", sagt die ehemalige Strafgefangene.
Bayernweit gibt es sieben solcher Anlaufstellen für Ex-Häftlinge: Außer in Augsburg auch in Ansbach, Aschaffenburg, Nürnberg, München, Regensburg und Würzburg. Nach Auskunft des Justizministeriums sind weitere Beratungsstellen in Planung, so in Rosenheim und Passau. Die Einrichtungen bündeln die Hilfsangebote, die ein Mensch nach der Haft benötigt. Dadurch soll den ehemaligen Tätern die bestmögliche Unterstützung für ein straffreies Leben nach der Haft gegeben werden.

Wohnungsnot ist das größte Problem

So organisierte die Augsburger Stelle der jungen Frau zunächst eine Notunterkunft, denn eine eigene Wohnung hatte sie nicht mehr. Überhaupt sei Wohnungsnot das größte Problem, sagt Bärbel Marbach-Kliem von der Beratungsstelle. "Bezahlbare Wohnungen lassen sich kaum finden." Die Sozialpädagogin betreut den Schwerpunktbereich für entlassene Frauen. "Ohne eine Wohnung ist eine Resozialisierung kaum möglich", sagt sie.
Die Einrichtungen kümmern sich nicht nur um eine Wohnung, auch bei der Jobsuche, der Freizeitgestaltung und der Vermittlung von seelsorgerischen, psychologischen oder sozialpädagogischen Angeboten stehen sie den ehemaligen Gefangenen zur Seite. Gerade in der sensiblen Phase, ein Jahr nach der Haft, gibt es eine intensive Betreuung. "Mit der Entlassung fallen die klaren Strukturen und die vielfältigen Hilfestellungen im Vollzugsalltag plötzlich weg", sagt Marbach-Kliem. Wenn es dann Enttäuschungen und Rückschläge gebe, drohe ein Rückfall in die Kriminalität.
In der Augsburger Beratungsstelle wurden im Frühling des vergangenen Jahres die Angebote gebündelt, die es zuvor schon von verschiedenen Sozialverbänden gab. Beteiligt sind unter anderem das Diakonische Werk und der Sozialdienst katholischer Frauen. "Jeder resozialisierte entlassene Strafgefangene erhöht die Sicherheit in der Bevölkerung", sagt Ulrike Roider vom Justizministerium in München.
Bei dem Augsburger Modell geht es insbesondere auch um die Vorbereitung der Häftlinge in der Zeit kurz bevor sich die Gefängnistore öffnen. "Bereits während der Haft werden Kontakte geknüpft, die in der schwierigen Zeit nach der Entlassung Halt und Orientierung bieten", erklärt Roider. "Die Hemmschwellen, Rat oder Hilfe zu suchen, werden abgebaut, wenn das Gegenüber bereits bekannt ist und als vertrauenswürdig und kompetent erlebt wurde."

Neue soziale Kontakte durch Gruppentreffen oder auch eine Maltherapie

Die junge Augsburger Strafentlassene genießt nun seit einem halben Jahr ihre Freiheit. Sie sieht sich selbst auf einem guten Weg. Auch durch die Impulse der Beratungsstelle. Wobei es ihr schwergefallen sei, sich auf das Angebot einzulassen. "Ich konnte nie wirklich Hilfe annehmen. Man erfährt oft Ablehnung und Vorurteile", sagt sie. Bei ihrer Betreuerin habe sie aber das Gegenteil erfahren. "Hier bin ich auf offene Arme und Ohren gestoßen."
In der Haft hat die junge Frau gearbeitet und eine kaufmännische Zusatzqualifikation erworben. "Wenn ich meine Therapie begonnen habe, werde ich alles dafür tun, beruflich Fuß zu fassen", sagt sie. In Augsburg hat sie durch die Betreuung nun ihren Lebensmittelpunkt und soziale Kontakte gefunden. Sie nimmt an Gruppentreffen teil und ist in der Malgruppe aktiv.
Insgesamt 231 Männer und 131 Frauen haben das neue Angebot in der schwäbischen Bezirkshauptstadt bis Ende 2014 in Anspruch genommen. Die Beratungsstelle hilft auch bei Alltagshürden. So bekommen die Strafentlassenen ehrenamtliche Helfer an die Seite gestellt, die beispielsweise bei Behördengängen helfen. "Letzten Endes können wir nur Hilfe zur Selbsthilfe leisten" macht Bärbel Marbach-Kliem deutlich. "Ein Sorglos-Paket können wir nicht bieten."
(Helena Düll, dpa)

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