Leben in Bayern

Herrgottschnitzer Georg Meßmer arbeitet in seiner kleinen Werkstatt unermüdlich. Aufträge er immer. (Foto: Bitala)

06.03.2015

Herr der Kruzifixe

Er ist einer der letzten Herrgottschnitzer in Bayern – und ans Aufhören denkt der 82-jährige Georg Meßmer aus Unterammergau noch längst nicht

Als Bub ist Georg Meßmer immer wieder von Unterammergau nach Oberammergau gelaufen. An dem Flüsschen Ammer entlang, sind das nur wenige Kilometer. Im Passionsspielort waren die Holzbildhauer sein Ziel. An den Schaufenstern ihrer Läden drückte sich der Junge damals die Nase platt. „Ich war fasziniert von den Krippenfiguren, von den Madonnen und Heiligen“, erzählt der 82-Jährige. Heute ist Georg Meßmer selber ein Herrgottschnitzer – aus Leidenschaft.
Die winzige Werkstätte in der Ortsmitte von Unterammergau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen ist vollgepackt mit Heiligen, Tierplastiken und Faschingsmasken. Für Besucher hat Meßmer eine Schachtel mit Vogelfigürchen vorbereitet. Derzeit arbeitet Meßmer an zwei Heiligen für die Sebastian-Kirche in Amberg: „Die haben dort eine Seitenkapelle mit der Nachbildung eines Gegeißelten Heiland in der Wies.“ Diese Figur bekommt nun einen Johannes und einen Christopherus an die Seite gestellt. „Die mache ich gerade.“

Fasziniert von den Heiligen war er bereits als Kind

In den vergangenen Jahrhunderten verdienten viele Menschen in Unterammergau ihren Lebensunterhalt mit der Produktion von Wetzsteinen, die zum Schärfen von Sensen und Sicheln gebraucht wurden. Auch die Familie Meßmer war damit beschäftigt. Nach dem zweiten Weltkrieg schlief dieses alte Handwerk allmählich ein. Eines Tages fragte Vater Meßmer seinen Sohn, welchen Beruf er denn einmal ergreifen möge. Georg stutzte, denn – so glaubte er – mit seinem Herzenswunsch wäre der Vater bestimmt nicht einverstanden gewesen. Aber dann schmunzelte das Familienoberhaupt, der seinen Stammhalter lange schon durchschaut hatte: „Mit der Holzschnitzerei könne man gutes Geld verdienen.“ Der Sohn strahlte übers ganze Gesicht. Als Lehrherren fand Georg Meßmer den Schnitzmeister Christian Widmann, natürlich in Oberammergau.
Als Geselle blieb Meßmer in dem weltberühmten Dorf und kam in die Werkstätte der Familie Lang: „Wir waren bis zu 40 angestellte Schnitzer.“ In der Nachkriegszeit waren die Langs ein riesiger Betrieb. Es gab Spezialisten für Weihnachtskrippen, andere machten Heiligenfiguren und Holztiere. Georg Meßmer: „Ich war für alles zu gebrauchen. Am liebsten natürlich für die Kruzifixe. Es war eine schöne Zeit.“
20 Jahre blieb Georg Meßmer in Oberammergau. Im Sommer 1970 war es in der Werkstätte ziemlich ruhig geworden. Die einheimischen Schnitzer spielten die Passion. Nur Meßmer durfte als Unterammergauer nicht mitmachen und blieb alleine im Schnitzsaal zurück: „Das war die beste Gelegenheit, das Bündel zu packen und etwas neues anzugreifen.“
In seinem Elternhaus richtete sich Georg Meßmer ein Atelier ein. Zwei, drei Werkbänke brauchte er nur, dazu Schnitzeisen und Messer. Einen Verkaufsladen hatte er nicht, und um seine Arbeit machte der Herrgottschnitzer keine Werbung. Das ist bis ins Rentenalter so geblieben: „Für mich war es immer eine Ehre, wenn jemand kam, einen Christus in Auftrag zu geben – oder einen Christopherus oder einen Johannes, wie jetzt. Eine Madonna ist gerade fertig geworden und muss nur noch gefasst werden; die kommt nach Benediktbeuern. In seiner zweiten Werkstätte am Dorfrand wartet ein überlebensgroßer Christus auf den Meister, der die Figur nach Jahrzehnten im Freien ein wenig sanieren muss.
Viele Landwirte ließen bei dem Schnitzer eindrucksvolle Kruzifixe machen, um ihre Bauernhöfe unter den Schutz des Allmächtigen zu stellen. Überall in Bayern sind außerdem die Feldkreuze aus Unterammergau zu finden. Ein besonders schönes Exemplar stellte Meßmer an einen Wanderweg oberhalb seines Heimatdorfes auf: „Es freut mich, wenn viele Menschen daran vorbeigehen, wenn vielleicht ein Filmteam oder ein Fotograf das Kreuz festhält.“
Vor einiger Zeit ist Georg Meßmer selber zum Objekt eines Filmteams geworden. Das Bayerische Fernsehen brauchte für seine Trailer-Serie „Dahoam“ einen Herrgottschnitzer. In Oberammergau – wo die Filmer zuerst suchten – gibt es zwar eine Reihe von hervorragenden Holzbildhauern, aber eben keinen einzigen Kruzifix-Macher. Fündig waren die Fernsehleute in Unterammergau geworden, bei Georg Meßmer. „Ich musste erst ein bisserl überlegen“, sagt er. Weil mir aber versprochen wurde, nur einen Satz sagen zu müssen, hab ich mitgemacht.“ So wird es zur Osterzeit im Dritten Programm wieder einmal heißen: „I bin der Schorsch – und da bin i dahoam!“ (Günter Bitala)

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