Dass der Niederbayer Thomas Emslander Weihnachtsbäume verkauft, ist einem Missgeschick geschuldet, das noch auf das Konto des Vaters ging. Der forstete aus Versehen den Wald mit Weißfichten auf – früher der Star unter den Christbäumen. Aus der Panne wurde ein lukratives Geschäft, dem auch Corona nichts anhaben kann. Emslander darf seine Bäume trotz Lockdown verkaufen. Und viele Menschen, die nicht verreisen dürfen, kehren zurück zu alten Traditionen.
Hach, hat es Thomas Emslander doch schön. Als Weihnachtsbaumanbauer muss er gerade mal drei Wochen im Jahr arbeiten. Das zumindest hat ein kleiner Bub zu dem 67-Jährigen gesagt, als er mit seinen Eltern auf Emslanders Hof vor den Toren der Stadt Landshut kam, um einen Christbaum auszusuchen. Freilich schaut die Realität in Unterglaim in der Gemeinde Ergolding ganz anders aus. Zusammen mit seinem Sohn, der auch Thomas heißt, ist Emslander dort Herr über Hundertausende Christbäume – und die müssen das ganze Jahr über gepflegt werden. Zudem ist er seit über 20 Jahren Vorsitzender des Verbands der Bayerischen Christbaumanbauer mit rund 200 Mitgliedern.
Die Leute machen es sich wenigstens zu Hause schön
Täglich steht Emslander als Vereinsvorsitzender in Kontakt mit den Kollegen. Und seine Hoffnung, dass die Branche gut durch die Corona-Krise kommt, scheint sich zu erfüllen. Denn die Menschen in Bayern kaufen in diesem Jahr nicht nur besonders früh ihre Weihnachtsbäume. Es gibt auch viele Abnehmer. „Wir haben eine gute bis sehr gute Saison“, erklärt Emslander, der froh ist, seine Bäume auch noch jetzt – im harten Lockdown – verkaufen zu dürfen.
Viele Menschen, die die Festzeit in den letzten Jahren im Urlaub verbracht haben, kehren Emslander zufolge nun wieder zur alten Tradition zurück. „Die Leute machen scheinbar aus der Not eine Tugend und feiern wieder ein gemütliches, besinnliches Weihnachtfest.“ So habe sich etwa eine Kundin gemeldet, die das letzte Mal vor zehn Jahren den Jahreswechsel daheim verbracht hat. Und doch: Manchen Kollegen trifft die Corona-Krise dennoch heuer hart. Ein Anbauer zum Beispiel vermarktet vor allem große Bäume für Hotels und Restaurants. Die sind seit Anfang November zu – für den Kollegen sei das ein Schaden von rund 50 000 Euro, erzählt Emslander.
Dass Thomas Emslander selbst Christbäume anbaut, ist reiner Zufall. Die ersten Bäume hat die Familie 1959 verkauft – zu einer Zeit, in der es noch üblich war, den Christbaum einfach im Wald zu stehlen, wie Thomas Emslander schmunzelnd erzählt. Ein Missgeschick war damals der Auslöser: Dem Vater wurden für die Aufforstung des Waldes falsche Pflanzen geliefert: Weißfichten. Weil keiner den Irrtum bemerkte, wurden sie gepflanzt. Einst war die Weißfichte, was heute die Nordmanntanne ist: der Star unter den Weihnachtsbäumen. Im Gasthaus rieten die Leute dem Vater deshalb: „Verkauf sie doch als Christbäume.“ Und er probierte es.
Seither waren Christbäume ein Teil des Familiengeschäfts. Doch als Emslander junior 1979 nach seiner Hochzeit den Betrieb ganz darauf umstellte, haben ihn viele Leute für verrückt erklärt. Doch der Erfolg gab ihm recht. Aus rund 45 Hektar sind heute über 200 Hektar geworden, die Emslander bewirtschaftet. Denn um unabhängiger von den beiden Feinden der Nordmanntanne, dem Spätfrost und dem Hagel, zu werden, hat Emslander zwei weitere Betriebe jeweils rund 30 Kilometer entfernt gekauft. Gerade Hagel ist zumeist ein lokales Geschehen – wird eine Plantage geschädigt, stehen die Chancen gut, dass die Bäume an den beiden anderen Standorten heil bleiben. Pro Hek-tar stehen rund 5 550 Bäume – im Alter von null bis 15 Jahren. In jeder Christbaumsaison werden bis zu zehn Prozent der Bäume gefällt, vermarktet und auf dem heimischen Hof verkauft. Im März wird dann wieder neu gepflanzt – ein immergrüner Kreislauf.
„Je größer die Stadt, desto kleiner der Baum“
Das Problem der Branche war bislang der Single-Haushalt. „Dieser hat in den vergangenen zehn Jahren um neun Prozent zugenommen, und Singles kaufen oft keinen Baum“, erklärt Emslander. „Die sind beim Freund oder der Freundin oder bei den Eltern.“ Und er meint: „Auch die Großeltern verzichten oft drauf, werden heuer aber vielleicht einen Christbaum kaufen.“ Zudem gehe der Trend zum Zweitbaum: So mancher stellt eine Tanne bereits im Advent auf die Terrasse. Oder kauft einen kleineren Baum fürs Kinderzimmer. „Der sicherste Kunde ist aber der Drei- und Mehrpersonenhaushalt“, so Emslander.
In Bayern werden jedes Jahr rund vier Millionen Bäume verkauft – dazu zählen auch die aus dem Baumarkt. Verkaufsschlager sind nach wie vor Bäume mit einer Größe zwischen 1,80 und 2,20 Metern. „Je größer die Stadt, desto kleiner der Baum“ – das ist noch so eine Faustregel. Und es gibt einen weiteren Trend: Schmal, aber dicht soll er sein. Das erfordert Zusatzarbeit, denn die Nordmanntanne wird nicht von allein schmal und dicht – sie muss das ganze Jahr über darauf getrimmt werden. Das ist gar nicht so einfach, deshalb bietet der Verband Zuschneidekurse für seine Mitglieder an.
Von der Qualität der Christbäume ist Thomas Emslander heuer hellauf begeistert. Allgemein kommt die Nordmanntanne mit dem Klima hierzulande sehr gut klar, obwohl sie aus Südosteuropa stammt. Ihren Namen trägt sie also nicht, weil sie aus dem Norden kommt, sondern weil ihr Entdecker Nordmann hieß. Und in diesem Jahr hat es genügend geregnet. „Die Nadelfarbe ist ein sattes Dunkelgrün, sehr schön“, schwärmt Emslander. Weil es außerdem Ende November schon Fröste gab, war die Wachstumsphase früh abgeschlossen. „Das bedeutet, die Nadelhaltbarkeit ist gut.“
Emslander ist ein Fan der Nordmanntanne. Nicht nur, weil die Kunden sie nachfragen. Da sie CO2 viel stärker als andere Baumarten bindet, sieht er sie auch als eine Alternative für Waldbauern, die keine Christbäume vermarkten, aber einen gesunden Wald pflanzen möchten. „Wer jetzt den falschen Baum pflanzt, hat die Zukunft vergeigt, wer den richtigen pflanzt, ist vorn dabei“, so sein Credo.
Die Christbaumanbauer sieht Emslander in einer gewichtigen Rolle. Sie erzielen rund 15 Prozent des Umsatzes in der Forstwirtschaft. „Nicht auszudenken, wenn wir das ganze Jahr über verkaufen dürften – oder wenn der Papst Weihnachten abschaffen würde“, scherzt er.
Schade findet es Emslander, dass er aufgrund der Corona-Pandemie aufpassen muss, dass sich nicht zu viele Kunden gleichzeitig auf seinem Hof befinden. „Wir haben jahrelang dafür gekämpft, die Leute herzuholen. Jetzt müssen wir sie weghalten. Das tut richtig weh.“ Emslanders Verein hat ein 17-seitiges Hygienekonzept erstellt: Masken, Einbahnstraßensysteme und – für Selberschneider – die Desinfektion der Säge sollen das Infektionsrisiko minimieren.
Eines aber ist wie in jedem Jahr: Den riesigen Baum, der eigentlich aus 125 Nordmanntannen, die an einem Drahtgestell befestigt sind, besteht, hat er mit seinem Sohn dennoch wieder aufgestellt. Und an ihm große, rot schimmernde Kugeln befestigt.
(Melanie Bäumel-Schachtner)
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