Leben in Bayern

Die Burg Schwaneck hat die Corona-Phase überstanden. Inzwischen kommen wieder viele Schulklassen in die Pullacher Jugendherberge. (Foto: Stumberger)

10.03.2023

Ihr Kinderlein kommet

Die Jugendherbergen haben die Härten der Corona-Zeit überstanden, doch mit Problemen kämpfen sie nach wie vor – zum Beispiel mit Personalnot

Pullach im Isartal: Noch verdecken die Blätter an den Bäumen nicht die Zinnen, Türme und Giebel der Burg Schwaneck, der Frühling kommt erst in einigen Wochen. Aber die Kinder und Jugendlichen sind schon da. Im großen Rittersaal sitzt ein Dutzend Schüler im Kreis unter dem riesigen Leuchter, sie lernen zum Thema Berufseinstieg. „Der Spuk ist vorbei“, sagt Burgherr Andreas Bedacht, „jetzt ist wieder Leben in den Räumen.“

Der Spuk – das war die seltsame Zeit, als Corona das öffentliche Leben weitgehend lahmlegte, auch Jugendherbergen wie hier am Burgweg 10. Die Zahl der Übernachtungen ging tief nach unten und die Existenz der Häuser stand auf dem Spiel. Doch „dem Patienten geht es wieder gut“, sagt auch Marko Junghänel, Sprecher des Jugendherbergswerk-Landesverbands (DJH) Bayern. 1,52 Millionen Übernachtungen zählte man dort in 2019. Vergangenes Jahr waren es wieder rund 1 Million.

In den Corona-Jahren dazwischen hatte man nicht einmal 500 000 Übernachtungen gezählt. Das war die Zeit, als man in der Burg Schwaneck kein Kinderlachen mehr hörte. Das Gemäuer ist in Wirklichkeit nicht so alt, wie es aussieht. Es stammt aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und jeder Besitzer hat seine eigene Idee vom Mittelalter hier wahr werden lassen. Heute bietet die Burg ein abenteuerliches Ambiente, wie gemacht für erkundungsfreudige Kinder und Jugendliche. Auf der anderen Straßenseite ist die graue Betonmauer des hier (immer noch) ansässigen Bundesnachrichtendienstes zu sehen.

Auch ärmere Kinder sollen kommen dürfen

Die Burg ist eine von insgesamt 52 Jugendherbergen in Bayern, als Träger fungiert der Kreisjugendring München-Land. Das Jugendherbergswerk ist ein gemeinnütziger Verein, gegründet vor 114 Jahren. Die Gründungsidee: Junge Menschen sollten, unabhängig von Herkunft und Geldbeutel, die Welt entdecken, Gemeinschaft erleben und dabei den Horizont erweitern. Heute gibt es mehr als 400 dieser Einrichtungen in ganz Deutschland.

Schulklassen und Jugendgruppen sind das klassische Klientel der Herbergen, aber es gibt auch ältere Gäste, die Gruppe der „27 plus“. Neben Senior*innen sind das vor allem Familien mit Kindern. Die müssen sich allerdings an gewisse Regeln gewöhnen: Handtücher zum Beispiel gibt es keine, die muss man selber mitbringen. Bettwäsche wird zwar gestellt, die Betten müssen aber selbst bezogen werden. Und das Ambiente ist eher nüchtern, man hat ja auch einen pädagogischen Auftrag. Preislich unterscheidet sich ein Zweibettzimmer mit Bad dabei nur wenig von einer regulären Pension.

Als in der Corona-Zeit die Grenzen geschlossen waren, wurden die Übernachtungsmöglichkeiten des Jugendherbergswerks von Erwachsenen in touristischen Regionen öfter in Anspruch genommen. Familien spielen allerdings bei Andreas Bedacht in Pullach keine so große Rolle. Das Haus ist an erster Stelle eine Bildungseinrichtung, die Seminare und Fortbildungen anbietet.

Und in dieser Hinsicht kann der Herbergsleiter inzwischen wieder aufatmen: „Die ganzen Stammgruppen sind wieder da.“ Am Wochenende war die Jugendherberge vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend belegt, diese Woche werden die 130 Betten von den Schüler*innen einer Mittelschule genutzt, die 13- bis 14-Jährigen sind mit ihren Lehrkräften zu einer fünftägigen Berufsorientierung angereist.

In die Krise gebracht hatte die Jugendherbergen in der Corona-Zeit vor allem das Verbot von Klassenfahrten. „Die körperlichen und psychosozialen Folgen für Kinder, Jugendliche und deren Familien werden wir möglicherweise erst in einiger Zeit sehen“, so Klaus Umbach, Präsident des Landesverbands Bayern. Der hatte vor diesem Hintergrund bereits im Herbst 2020 einen „Runden Tisch Klassenfahrten“ initiiert und dazu Vertretende der Schülerschaft, der Lehrkräfte und Schulleitungen sowie der Eltern eingeladen. Gemeinsam arbeitet man seither an der Weiterentwicklung von Klassenfahrten und unterhält regelmäßig Kontakt zur Sozial- und Bildungspolitik.

Bei der Burg Schwaneck lässt sich die Rückkehr der Schulklassen in Zahlen ausdrücken. 2022 wurden in der Jugendherberge wieder 18 000 Übernachtungen gezählt, vor Corona gab es allerdings zwischen 27 000 und 30 000 Übernachtungen im Jahr. Bis zum April 2022 waren hier auch 75 Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht, vor allem Mütter mit Kindern, die dann an private Unterkünfte weitervermittelt werden konnten.

Heuer sieht Herbergsleiter Bedacht einen „großen Stau“, was die Nachfrage nach Bildungsveranstaltungen anbelangt, man habe viele Anfragen von Schulen: „Das ganze Netz der pädagogischen Arbeit kommt wieder in Gang.“ Und weil das Geld bei den Familien seit dem Krieg in der Ukraine mit den wirtschaftlichen Folgen nicht mehr so locker sitzt, hat der Landesverband an die bayerische Staatsregierung appelliert, zur Entlastung sozial schwächer gestellter Familien die Kosten für eine Klassenfahrt dauerhaft zu übernehmen.

Umbach: „Klassenfahrten tragen maßgeblich dazu bei, dass junge Menschen Gemeinschaft erleben, sich als Persönlichkeit entwickeln und damit zu einem stabilen Gemeinwesen beitragen. Gerade Familien mit geringerem Einkommen und bildungsfernere Milieus benötigen diese Form des sozialen Lernens aber am meisten.“

Erholen sich so die Übernachtungszahlen in den Jugendherbergen, bleibt ein Erbe der Corona-Zeit noch bestehen: der Personalmangel. Bis zu einem Fünftel der Beschäftigten hat sich in der Krisenzeit beruflich anderweitig orientiert.

Das spürt man in Pullach, aber auch zum Beispiel in der Jugendherberge Bad Tölz. „Wir haben einen Personalmangel in allen Bereichen“, sagt Herbergsleiter Holger Strobel. Angesichts von Kurzarbeit und einer instabilen Arbeitssituation hätten sich etliche Mitarbeitende in der Corona-Zeit beruflich verändert.

Aber auch hier im Oberland registriert man einen Nachholbedarf an Klassenfahrten. Strobel: „Wir sind bis in den Herbst hinein ausgebucht.“ Angesichts dieser Rückkehr der Schüler*innen, aber auch der Personalprobleme zieht er ein gemischtes Fazit der Nach-Corona-Zeit: „Alles bleibt anders.“ (Rudolf Stumberger)
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.