Leben in Bayern

Mit dem Verein „Make it German“ hilft Mahmoud Almaghrabi Neuankömmlingen. (Foto: privat)

24.08.2018

Integration ist keine Einbahnstraße

Mahmoud Almaghrabi floh 2016 aus Syrien und lernte in nur zehn Monaten Deutsch – jetzt hilft er Landsleuten, in München Fuß zu fassen

In nur zehn Monaten fließend eine neue Sprache sprechen? Schwierig. Deutsch? Unmöglich! Doch Mahmoud Almaghrabi aus Syrien hat es geschafft. „Ich war hungrig, die Sprache zu lernen“, erzählt er. Seine Deutschlehrerin bat er nach den Intensivkursen immer um zusätzlichen Lesestoff. Er ackerte sich durch Bücher zur deutschen Geschichte, hörte nur deutsche Lieder, sah sich Filme immer auf Deutsch an und sprach auch mit seinen Landsleuten nie Arabisch. Warum das alles, wenn er doch schon Englisch und Französisch spricht? Almaghrabi wollte in München Medizin studieren. Und er wusste: Unterrichtssprache ist Deutsch.

Almaghrabi wurde 1997 in Syrien geboren. Nach seinem Abitur 2015 studierte er ein Jahr Medizin in Damaskus – dann eskalierte der Bürgerkrieg. Der damals 19-Jährige wollte nach Deutschland –  wegen der guten medizinischen Ausbildung. „Und weil ich schon immer FC-Bayern-München Fan bin“, ergänzt er und lacht. Die deutsche Botschaft in Syrien ist evakuiert. Also reiste Almaghrabi in den Libanon, um in der überlasteten Botschaft in Beirut ein Studentenvisum zu erhalten. Es dauerte lang, aber er war erfolgreich. Heimweh hat Mahmoud zwar – seine ganze Familie lebt noch in Syrien. „Aber das ist jetzt nun mal so“, sagt er. Immerhin funktionieren die Telefonleitungen nach Syrien hin und wieder.

Im Studium läuft es für Almaghrabi. „Die ersten Semester mit dem deutschen Fachvokabular waren zwar schon schwer“, erinnert er sich. Vor allem die Anatomieklausuren, weil ausschließlich mündlich geprüft wird. Aber bisher hat er alle Tests bestanden und durchweg sehr gute Noten.

Seine neue Sprachkompetenz kommt jetzt auch seiner Heimat zugute. Für „My Doktor Syria“ – eine gemeinnützige Organisation von syrischen Ärzten und Studierenden – übersetzt er medizinische Fachvideos ins Arabische, damit das Land „up to date“ bleibt, wie Almaghrabi sagt, und auch vom neusten Forschungswissen profitieren kann.

Ungewohnte Bürokratie

In Deutschland hilft der junge Syrer darüber hinaus seinen Landsleuten als Teammitglied bei „Make it German“. Der Studierendenverein hilft Neuankömmlingen durch den deutschen Behördendschungel. „Die Schreiben sind manchmal so kompliziert“, sagt der 21-Jährige und lacht. Diese Bürokratie gebe es in Syrien nicht. Auf der Webseite gibt es Tipps zu Visum, Studium und Jobs. Wer zusätzlich Hilfe benötigt, kann auch Fragen schicken, die von einem der Experten kostenlos beantwortet werden. Fast 6000 Antworten zum Leben in Deutschland hat der Verein schon gegeben.

Almaghrabi selber hat Deutschland als aufgeschlossenes Land mit vielen netten Menschen kennengelernt – zumindest in der realen Welt. In den sozialen Medien begegnet er manchmal rassistischen Kommentaren. „Nur weil unsere Hautfarbe ein wenig dunkler als die der Durchschnittseuropäer ist, haben die Leute Angst vor uns“, wundert er sich. Viele Menschen hätten Vorurteile. Nein, erklärt Almaghrabi dann immer: Auch wenn viele syrische Frauen ein Kopftuch tragen – sie müssen es nicht. Und ja, es gibt auch Christen in Syrien – einer seiner besten Freunde zu Hause sei auch einer. „Wir wollen uns integrieren“, betont er, „aber man muss uns auch lassen, denn Integration ist nicht einseitig.“

Man muss Integration auch zulassen

Die Vorurteile entstehen durch ein verzerrtes Bild, sagt Almaghrabi. Natürlich seien nicht alle Landsleute „Engel“ – genauso wie in jeder Nationalität. „Aber die große Mehrheit lernt die Sprache, zahlt Steuern und hält sich an die Gesetze.“ Das falle den Bürgern aber eben nicht auf. Sie bemerkten nur die Fälle, in denen Integration nicht funktioniert. „Aber ich kann mir ja kein Schild umhängen, wo draufsteht: Ich komme aus Syrien, spreche deutsch und studiere.“ Almaghrabi erzählt, wie viele syrische Ärzte es in Deutschland gibt. Tatsächlich hat sich laut Bundesärztekammer durch Migration die Zahl der Ärzte in Deutschland um zehn Prozent erhöht – ein Großteil davon kommt aus Syrien.

Almaghrabi möchte nach seinem Studium seinen Kindheitswunsch umsetzen und Arzt werden. „Medizin ist ein Abenteuer“, sagt er. Jeden Tag lerne er etwas Neues. Durch ein Stipendium wird er in seinem Vorhaben finanziell unterstützt. Das ist wichtig, denn mit einem Studierendenvisum ist er nicht Bafög-berechtigt. Almaghrabi hat zwar noch einen Nebenjob im Klinikum Großhadern, aber München ist teuer. Von dem Stipendium könne er zwar nicht leben, aber die Unterstützung helfe, sich besser auf sein Studium und sein ehrenamtliches Engagement konzentrieren zu können. „Damit ich in Zukunft den Menschen helfen kann“, sagt er. Und fügt leise hinzu: „Hoffentlich eines Tages sogar in Syrien.“ (David Lohmann)

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