Leben in Bayern

Viele defekte Geräte müssen nicht weggeworfen werden. Nach einem Besuch in einem Repair-Café können sie oft wieder verwendet werden. (Foto: Stumberger)

01.03.2025

Je älter, desto besser

In Repair-Cafés werden defekte Geräte wieder fit gemacht – auch in Bayern gibt es immer mehr davon

Das Bürgerhaus von Aying liegt direkt neben dem Rathaus, der Kirchturm der Gemeinde im Umfeld von München ist nicht weit. An diesem Sonntagnachmittag ist einiges los im Bürgerhaus, genauer gesagt in dem großen Saal im ersten Stock. Während sich linker Hand mehrere Gäste an Kaffee und Kuchen laben, sind auf der rechten Seite drei Männer und eine Frau dabei, Elektrogeräte aufzuschrauben oder Hosen zu kürzen. Und an der Tür sitzt Thomas Wiedemann und sagt: „Ich finde es eine gute Idee, kaputte Dinge zu reparieren, anstatt sie wegzuwerfen.“

Der 62-Jährige ist der Organisator des hier stattfindenden „Repair-Cafés“ und nimmt die zu reparierenden Sachen entgegen. Diese versieht er dann mit einem Zettel und legt sie hinter sich auf einen Tisch. Hier warten schon etliche Dinge auf ihre Reparatur. Zettel Nummer 15: „Toaster bleibt nicht unten.“ Zettel Nummer 8: „Staubsauger, Schalter defekt.“ Zettel Nummer 11: „Küchenmaschine defekt. Klappt nicht zu.“

Jedes kaputte Gerät bekommt so einen Laufzettel, auf dem eine Nummer steht. Das Problem wird in knappen Worten geschildert. Gerät und Zettel werden dann von den Fachleuten des Repair-Cafés abgeholt, zu einem Arbeitstisch gebracht und repariert.

Warten bei Kaffee und Kuchen

Zum Beispiel von Jörg von Styp. Der 59-jährige Elektroingenieur schraubt gerade an einem alten Fernseher herum. Das Besondere: Das Gerät hat einen integrierten DVD-Player. Und der funktioniert nicht mehr, er klemmt. Dafür wird die Platine sehr heiß. Von Styp denkt angestrengt nach. „Ich bin ein bisschen ratlos“, sagt der Ingenieur und legt die Stirn in Falten.

Er ist einer der zwölf Ehrenamtlichen, die seit gut zwei Jahren das Repair-Café hier am Laufen halten. Die einen reparieren, die anderen kochen den Kaffee und backen die Kuchen. Die sogenannten Kundinnen und Kunden können beides an Tischen genießen und so darauf warten, bis ihre mitgebrachten Dinge repariert sind – oder auch nicht. Zwischen 20 und 30 Leute kommen zu dem Termin im Bürgerhaus, der alle drei Monate stattfindet.

Jörg von Styp wohnt in der Gemeinde, er hat in einen Bauernhof eingeheiratet. Und weil er schon immer gerne bastelt, ist er zum Repair-Café gestoßen. Der Fernseher mit dem kaputten DVD-Player, den er gerade in der Mache hat, stammt von einer Discounter-Kette und ist wahrscheinlich an die 15 Jahre alt. „Je älter, desto besser“, meint der Ingenieur, jedenfalls, was das Reparieren anbelangt. Denn bei modernen Geräten ist das oft nicht mehr möglich.

Auf dem zum Fernseher gehörenden Laufzettel kann man drei Möglichkeiten ankreuzen: „Reparatur gelungen“, „Nicht ganz. Empfehlung?“ und „Nein. Grund?“. Was Jörg von Styp hier eintragen wird, ist noch nicht klar. Anders als bei der Heißmangel, die er davor unter seine Fittiche genommen hat. Da waren nur die Stromkontakte verdreckt, nachdem sie gereinigt wurden, ging die Mangel wieder.

Einen Tisch weiter sitzt Carla Spindler vor ihrer Nähmaschine, die sie von zu Hause mitgebracht hat. Sie ist gerade dabei, eine Hose zu kürzen. „7 Zentimeter“, sagt sie und misst mit dem Maßband nach. Neben ihr steht das Nähkästchen mit jeder Menge Fäden und Nadeln. Auch Carla Spindler fand die Idee des Repair-Cafés gut und stieß dazu. Eine Schneiderin ist sie nicht, aber einfache Näharbeiten sind für sie kein Problem: „Wir haben noch in der Schule auf der Nähmaschine gelernt“, erzählt sie. Das Hosenkürzen ist eigentlich eine Ausnahme, meist geht es darum, aufgegangene Nähte wieder zu schließen. Wobei sie weiß: „Jeans sind eher schwierig.“

Die Haftung ist ausgeschlossen

Neben der Reparatur von Elektrogeräten und dem Nähservice gibt es auch die Möglichkeit, sein Fahrrad mitzubringen. Vor dem Bürgerhaus hat ein Radlmechaniker sein Werkzeug ausgebreitet und inspiziert Bremsen und Gangschaltungen. Staubsauger, Quirle, Spielekonsolen, Radios, Plattenspieler, Fahrräder, Hosen – die Bandbreite der hier zur Reparatur gebrachten Dinge ist groß. Jetzt steht eine ältere Dame bei Thomas Wiedemann und hat mehrere Handys mitgebracht. „Welches ist kaputt?“, fragt er. Eigentlich keines, aber die SIM-Karten gehören gewechselt. Und da kennt sich die Frau nicht aus.

Und wie ist das mit der Haftung für die reparierten Sachen? „Wir machen das ja nicht gewerblich, sondern als Nachbarschaftshilfe“, sagt Organisator Wiedemann, da sei die Haftung ausgeschlossen. Unterstützung bekommt das Repair-Café von der Gemeinde – sie stellt die Räume zur Verfügung – und von der örtlichen Volkshochschule.

Ursprünglich hervorgegangen ist die Reparier-Aktion aus einer sogenannten Zukunftswerkstatt der Gemeinde. In dieser Zukunftswerkstatt beschäftigen sich die Bürgerinnen und Bürger in vier Bereichen mit dem Thema Umwelt und Nachhaltigkeit: Energie, Mobilität, Naturschutz und Konsum. Im Letzteren ist nun das Repair-Café angesiedelt. Thomas Wiedemann stellte einen Aufruf in das Gemeindeblatt und damit nahm das Projekt seinen Anfang.

Mittlerweile gibt es in Bayern an die 250 Repair-Cafés, von Aschaffenburg bis Murnau. Sie fördern mit ihren Initiativen das ökologische Anliegen, Müll zu vermeiden und damit Umwelt und Ressourcen zu schonen.

Ein Ziel, dem sich auch das bayerische Umweltministerium verschrieben hat: „Der beste Abfall ist der, der gar nicht erst entsteht“, heißt es auf Anfrage der Staatszeitung vom Ministerium. „Die Verwertung von Abfällen schont ebenfalls wertvolle Ressourcen und spart Energien und Emissionen ein.“ Ein wichtiger Punkt sei dabei auch die Wiederverwendung weggeworfener Produkte.

Der Freistaat nimmt dafür auch Geld in die Hand. Bis zu 3000 Euro Förderung gibt es für die Reparaturinitiativen, dafür stehen im Jahr 270 000 Euro bereit. Mit dem neuen Förderprogramm will Bayern „nichtgewerbliche Reparaturinitiativen“ unterstützen und „ein räumlich ausgewogenes, flächendeckendes Netz von Reparaturinitiativen“ etablieren, das auch für weniger mobile Mitbürger nutzbar ist.

Der Freistaat fördert die Initiativen

Zurück zu Elektroingenieur Jörg von Styp. Er hat jetzt die Ursache des Defekts im DVD-Player gefunden: Ein Kunststoffzahnrad war gebrochen und hat so den DVD-Schlitten blockiert. Wegen fehlender Ersatzteile war hier nichts mehr zu machen. „Wir können in der Tat nicht alles reparieren, aber zumindest in den meisten Fällen feststellen, wo der Fehler liegt“, so Organisator Thomas Wiedemann. Und dann muss man doch etwas Neues besorgen. (Rudolf Stumberger)
 

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