Leben in Bayern

Aus dem Kloster Wessobrunn (oben) sind alle Schwestern ausgezogen. Heute ist es im Besitz einer Naturkosmetik-Firma. Eine Museumapotheke (kleines Bild) erinnert an die früheren Bewohnerinnen. (Foto: dpa)

16.11.2018

Kämpfer für bayerische Kulturgeschichte

Was soll aus einem Kloster werden, wenn die Nonnen und Mönche weg sind? TU-Professor Andreas Hild hat da einige Ideen

Immer mehr Klöster stehen in Bayern leer – und drohen zu verfallen. Dabei gebe es so viele Nutzungsmöglichkeiten, meint der renommierte Architekt Andreas Hild. Aus seiner Sicht geht es um weit mehr als den Erhalt alter Bausubstanz. Denn die hiesigen Klöster sind ein bedeutender Teil der bayerischen Kulturgeschichte. Und die ließe sich auch mit privaten Investoren retten.

Es ist eines der architektonischen Aushängeschilder des Voralpenlandes: das Kloster Benediktbeuern. Tausende besuchen jährlich die nicht weit vom Kochelsee gelegene Heimat der Salesianer Don Boscos. Bereits im 8. Jahrhundert lebten hier Mönche. Nicht nur die im 17. Jahrhundert im Baustil des italienischen Frühbarock erbaute Basilika ist aus Sicht von Experten von unbezahlbare kulturhistorischen Wert.

Was man auf den ersten Blick allerdings nicht sieht: Weite Teile des Klosters sind dringend sanierungsbedürftig. Weil hier noch immer ein aktiver Orden samt quirlige Mönchen lebt und die Kirche viel Geld zuschießt, wird das Kloster seit Kurzem für einen Millionenbetrag umfassend saniert. Benediktbeuern wird also auch künftig nichts von seiner Strahlkraft verlieren.

Anderen bayerischen Klöstern droht dagegen der Niedergang. Bundesweit hat sich die Zahl der Männer in Brüderorden der Deutschen Ordensobernkonferenz zwischen 1997 und 2017 mehr als halbiert. Frauenorden hatten 1997 bundesweit noch 35 160 Mitglieder, 2017 waren es mit 15 038 weniger als die Hälfte. In Bayern sieht es ähnlich aus. Derzeit gibt es im Erzbistum München und Freising noch etwa 1700 Ordensfrauen und 485 Ordensmänner, vor fünf Jahren waren es noch fast 2100 Schwestern und gut 500 Mönche.

Andreas Hild, Professor am Lehrstuhl für Entwerfen, Umbau und Denkmalpflege an der TU München, sagt: „Nicht nur Klöster, auch anderen historischen Gebäuden wie Kirchen droht der Verfall.“ Klöster seien jedoch durch den deutlichen Rückgang an Mitgliedern der geistigen Orden besonders betroffen. „Das ist sehr schade, da ein großer Teil der bayerischen Kulturgeschichte von den hiesigen Klöstern ausging“, sagt der preisgekrönte Architekt. Wie viele am Ende verfallen, lasse sich derzeit kaum voraussehen. „Das kommt darauf an, was die Gesellschaft dagegen unternimmt“, betont Hild.

Der Architekt warnt, das Klöstersterben als reines Problem der Kirchen abzutun. „Denn am Ende betrifft der mögliche Schaden, wenn diese kulturell und landschaftlich oft wertvollen Gebäude einfach verfallen, ja alle.“ Für den Experten ist klar: „Wenn man das Thema nur unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlicher Verwertung betrachtet, sieht es für viele Klöster schlecht aus. Wenn es allen Beteiligten aber um den Erhalt der Kultur und der Bausubstanz geht, stehen die Chancen für die Rettung der Klostergebäude gut.“ Denn es gebe ja durchaus Nutzungsmöglichkeiten.

Ehemalige Klöster werden beispielsweise als Museen, Schulen oder Tagungseinrichtung genutzt, weiß Hild. „Im Einzelfall sind auch Altersheime ein Weg – aber das ist natürlich schwierig, weil diese behindertengerecht sein müssen.“

Gerade, wenn Schulen oder Museen einziehen, kommen nicht gewinnorientierte Träger, etwa staatliche oder kirchliche Organisationen oder Verbände zum Zug. Immer öfter verkaufen die Orden die Klöster aber auch an Privatinvestoren. „Der Trend zu Privatpersonen ist da“, sagte Ralf Olbrück, Geschäftsführer der Vermögensberatung und -verwaltung Pro Secur mit Sitz in Köln und München. Er kümmert sich seit 30 Jahren um die Vermarktung von Klöstern und Ordensgebäuden.

Viele Gebäude würden zu Mehrgenerationenhäusern, manche gehen an Stiftungen. Im Schnitt dauert der Verkauf eines Klosters Olbrück zufolge zwei Jahre. Zehn bis 15 Klöster pro Jahr bringt er europaweit an den Mann – manche sogar mit Millionengewinn für die früheren Besitzer.
Noch findet sich im Regelfall ein Interessent für leer stehende Klöster. Doch viele Ordenshäuser stehen auf dem platten oder bergigen Land. Manches Gotteshaus, das in strukturschwachen Regionen beheimatet ist, dürfte in den kommenden Jahren schwierig zu vermitteln sein.

Doch Hild sieht gerade hier Potenzial. Ein Erhalt möglichst vieler Klöster könne einen Beitrag zur Wiederbelebung des ländlichen Raums leisten. Etwa, wenn die sanierten Gebäude den Tourismus ankurbelten. Die beteiligten Akteure dürften die Weiternutzungen von Klöstern jedenfalls „nicht nur unter Rendite-Aspekten sehen“.

Das ist mitunter allerdings eine Gratwanderung. Im Kloster Wessobrunn im oberbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau wird heute Naturkosmetik verkauft und bald auch produziert. Im ehemaligen Speisesaal, wo einst 80 Schwestern gegessen haben, ist bereits der Versand von Produkten mit Namen wie „Sheabutter Cream“ oder „Baobab Foot Spray“ beheimatet. „Die Produktion kommt ins ehemalige Schwimmbad“, erklärt Martina Gebhardt. Die Investorin hat 2014 den Großteil des für seine herrlichen Rokoko-Stuckaturen bekannten Gebäudes für ihre Firma gekauft. Die Pfarrei ist heute Zweitnutzer, das Standesamt ist ebenfalls im ehemaligen Kloster untergebracht.

Eine Disco in der Kirche? Nicht alles ist sinnvoll

Sowohl die Gemeinde, die angesichts des Verkaufs anfangs Bedenken hatte, als auch die längst ausgezogenen Nonnen sind mit dieser Lösung zufrieden. Denn sie ist in ihren Augen deutlich besser als noch ein Nobelhotel oder eine Event-Stätte hinter ehemals kirchlichen Mauern. Der Wessobrunner Bürgermeister Helmut Dinter findet: „Das ist eine Nutzung, die relativ gut zum traditionellen Klosternutzen passt.“

Unternehmerin Gebhardt ist die Geschichte des Klosters wichtig. So hat sie eine alte Apotheke dort eingerichtet, in der über das Wirken der eingemauerten Nonne Diemut erzählt werden soll. „Die Sicherung des Kulturguts, das ist meine Verantwortung, dafür geben wir das meiste Geld aus“, sagt sie.

Nicht alle Kloster-Käufer haben allerdings so ein großes Geschichtsbewusstsein. Ein Investor hätte sogar einmal aus einem Gotteshaus ein Bordell machen wollen. Oft werden aus Klöstern auch nur bessere Event-Hallen, wo Geburtstagsfeiern oder Hochzeiten stattfinden. Was wäre noch denkbar, auch eine Großraum-Disco? Architekt Hild jedenfalls warnt vor zu strengen Vorgaben. „Es ist ganz normal, dass ein Haus in seiner Geschichte seinen Charakter ändert – das war früher schon immer so“, erklärt Hild und fragt zurück: „Warum brauche ich da eine Grenze?“ Es gehe ja darum, „ein Gebäude zu erhalten“. Welchen Wert hätten Nutzungsverbote, wenn die Gebäude dann am Ende leer stünden? Hild sagt aber auch: „Ein hochbarockes Kloster wird keine Disco. Das geht schon allein aus Denkmalschutzfragen nicht.“

Aktuell ist Hild eng in die Planungen für die Zukunft des Klosters Oberroning im Kreis Landshut einbezogen. 2015 sind dort die letzten Salesianerinnen ausgezogen. Bislang werden Teile des Klosters noch als Schule benutzt. Aber für deren Erweiterung brauche man ein neues Gebäude, erläutert Hild: „Jetzt ist die Frage, ob man weiter eine Schule haben will, die sich innerhalb der Klosteranlagen befindet, was baulich möglich ist, oder eine Schule auf der grünen Wiese, deren Bau vielleicht vordergründig etwas billiger ist.“ Aus seiner Sicht ist klar: „Verlässt die Schule das Gebäude, könnte daraus eine Klosterruine werden.“

Aber nicht nur bei Klöstern, auch beim Erhalt ehemaliger Kirchen sieht der Architekt große Herausforderungen. Denn hier sei die Nachnutzung weit schwieriger. „Da geht es noch mehr um die Spiritualität“, sagt Hild. Aber es gibt Beispiele, dass vieles geht: Eine alte Kirche in Berlin sei heute eine Künstlergalerie. „Manche Gotteshäuser werden auch als Versammlungsstätten genutzt, etwa von der jeweiligen Gemeinde oder von Vertretern anderer Religionen“, sagt Hild. Solche Nutzungen würden von Gläubigen und Kirchen nicht immer gerne gesehen. Deshalb müssten Umbauten immer im Einzelfall betrachtet werden. Klar sei aber auch, sagt Hild: „Man wird nicht alle kirchlichen Gebäude eins zu eins erhalten können.“
(Tobias Lill)

Foto (privat): Ist ein gefragter Mann, wenn es um die Zukunft von Klöstern geht: Andreas Hild.

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