Leben in Bayern

Bernd Kohlmann (links) und Mario Benedetti sind Regionalbeauftragte für Demokratie und Toleranz in Bayern. (Foto: Armin Weigel/dpa)

23.10.2018

Kampf gegen Rassismus

Hasskommentare auf Facebook oder eine rassistische Nachricht im Klassenchat: Schon Kinder und Jugendliche werden immer wieder mit diskriminierenden Aussagen konfrontiert. Mario Benedetti und Bernd Kohlmann kämpfen in Bayern dagegen an - als Regionalbeauftragte für Demokratie und Toleranz

Ein NPD-Plakat im Klassenzimmer der Passauer Berufsschule II: Darauf ist eine blonde Jugendliche mit blauen Augen abgebildet, neben ihr eine schwarz verschleierte Frau. "Maria statt Scharia" prangt in Großbuchstaben darunter. "Wer soll das blonde Mädchen sein?", fragt Lehrer Bernd Kohlmann. "Eine Schwedin", sagt ein Schüler. Die Klasse bricht in Gelächter aus. Aber Kohlmann stellt schnell klar, dass es nichts zu lachen gibt.

Natürlich soll das Mädchen keine Schwedin sein, sondern eine Deutsche. "Wer in der Klasse hat blaue Augen?", fragt Kohlmann weiter. Einige melden sich. "Und wer hat dazu noch blonde Haare?" Nur noch zwei Finger bleiben oben. "Ihr seid eine Minderheit", sagt einer lachend. Aber die Botschaft ist angekommen: Das Plakat ist rassistisch.

Das NPD-Plakat hängt natürlich nicht immer in dem Klassenzimmer. Bernd Kohlmann und sein Kollege Mario Benedetti haben es mitgebracht. Als Regionalbeauftragte für Demokratie und Toleranz in Bayern ziehen sie von Schule zu Schule und diskutieren mit Lehrern, Kindern und Jugendlichen über demokratische Grundwerte.

Vor neun Jahren haben die Regionalbeauftragten für Demokratie den Kampf gegen Extremismus an den Schulen aufgenommen. Auslöser war das Attentat auf den damaligen Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl. Bis heute ist unklar, ob der Messerangriff wirklich der rechtsradikalen Szene zuzuordnen ist - aber die bayerische Staatsregierung hat damals ein ganzes Maßnahmenpaket verabschiedet.

Der Bedarf hat zugenommen

Und die Entwicklung scheint ihr Recht zu geben: "In den letzten Jahren hat der Bedarf zugenommen", stellt Mario Benedetti fest. Pro Regierungsbezirk sind mittlerweile zwei Regionalbeauftragte für Demokratie und Toleranz im Einsatz. Sie sind eigentlich Lehrkräfte für Geschichte oder Sozialkunde, Religion oder Ethik, Beratungslehrer oder Schulpsychologen. Vier Stunden pro Woche bauen sie nun ein Netzwerk mit Polizei, Vereinen und Jugendhilfe auf, trainieren Lehrer im Umgang mit Stammtischparolen oder organisieren Workshops für Schüler wie in Passau.

Eigentlich reine Prävention. Aber es kommt schon mal vor, dass die Regionalbeauftragten akut an eine Schule gerufen werden. So wie kürzlich, als ein Schüler auf dem Klassenfoto seinen Arm zum Hitlergruß ausstreckte. "Dann war es an uns herauszufinden: War das eine Provokation oder ein deutliches politisches Statement?", sagt Benedetti. Am Ende sei es ein "jugendlicher Kurzschluss" gewesen, wie sein Kollege Bernd Kohlmann erklärt. Der Schüler habe Anschlussprobleme in der Klasse gehabt.

Statt einer Anzeige gab es deshalb einen Verweis, der Schüler hat in den Ferien die KZ-Gedenkstätte in Dachau besucht und einen Vortrag darüber gehalten. Außerdem haben Mario Benedetti und Bernd Kohlmann das Lehrerkollegium gecoacht und in der Klasse einen Workshop organisiert. "Alltäglich ist das zum Glück nicht", sagt Benedetti. Er spricht von fünf vergleichbaren Fällen, bei denen sie vergangenes Schuljahr in Niederbayern im Einsatz waren.

Die AfD fühlt sich angegriffen

Diese Fälle sind alle der rechtsextremen Szene zuzuordnen. "In Niederbayern haben wir keine linksextreme oder salafistische Szene, die sich im Augenblick auf das schulische Leben auswirken", sagt Benedetti. "In Augsburg gibt es zum Beispiel ein großes Problem mit religiös motiviertem Extremismus. Linksextremismus kommt überwiegend in Großstädten vor."  Je nach Regierungsbezirk variiere deshalb das Konzept. Die Regionalbeauftragten betonen, dass sich ihre Arbeit gegen jede Form des Extremismus richtet.

Sie sind vorsichtig geworden. Auf der Homepage oder im Elternbrief werden Workshops fälschlicherweise immer wieder als Workshop "gegen Rechts" angekündigt. Die AfD fühlt sich dadurch angegriffen, sie sieht die politische Neutralität der Schulen in Gefahr. "Die AfD wehrt sich, in Verbindung mit Rechtsextremismus gebracht zu werden", sagt Kohlmann. "Auch zu Recht. Offiziell ist die Partei weder rechtsextrem noch verfassungswidrig." Einen persönlichen Angriff haben die beiden aber noch nicht erlebt. Wohl auch, weil sie in dem relativ geschützten Bereich der Schule arbeiten, mutmaßen sie. "Trotzdem müssen wir uns fragen: Was bedeutet das für unsere Arbeit?", sagt Benedetti.

Solche Fragen diskutiert der 45-Jährige auch mit den Jugendlichen aus Passau: Was können sie tun, wenn in sozialen Medien wie Facebook Hasskommentare gepostet werden? Oder wenn im Klassenchat auf WhatsApp eine rassistische Nachricht erscheint? Dafür lernen die Schülerinnen und Schüler erstmal, die Aussagen einzuschätzen. Sie sollen Posts den Ampelfarben grün, gelb oder rot zuordnen, je nach Ausmaß der Diskriminierung.

"Männer wissen besser Bescheid, was für Frauen gut ist", liest eine Schülerin vor. Sie ist unsicher, was sie davon halten soll. "Ich weiß nicht... Was kann man dagegen schon tun?", sagt sie zögerlich. Mario Benedetti hakt nach: "Sie sind doch selbst eine Frau. Was würden Sie zum Beispiel tun, wenn Ihr Kollege mehr Geld bekommt?" Die Schülerin druckst herum, ihr fällt nichts ein.

Genau bei solchen Momenten der Verunsicherung setzt der Workshop an. "Das ist unsere Chance: Wir können Jugendliche erreichen, die sich noch nicht so mit Fragen der Demokratie und Toleranz auseinandergesetzt haben", sagt Benedetti. Die Arbeit der Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz sei als Ergänzung gedacht. Als "kleiner Baustein" im Kampf gegen Extremismus.
(Mirjam Uhrich, dpa)

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