Leben in Bayern

Seit 1977 führt Kürschnermeister Franz Pöllinger junior das alte Handwerk weiter. (Foto: obx)

29.10.2015

Krachlederne für Kalifornien

Seit 1860 versorgt ein Regensburger Trachtenhaus die Nachfahren der deutschen Auswanderer regelmäßig mit Lederhosen aus der Heimat

"I forgot to bring my Lederhosen!": Wohl noch nie wurde eine Entschuldigung mit so viel Jubel bedacht: Als US-Präsident Barack Obama beim G7-Gipfel in diesem Jahr in Oberbayern bekundete, er hätte seine "Lederhosen vergessen", applaudierten ihm die Massen. Daran, dass auch auf der anderen Seite des großen Teiches die Krachlederne wie kein zweites Kleidungsstück bayerisches Brauchtum verkörpert und bis heute beinahe jedem Amerikaner ein fester Begriff ist, hat ein Oberpfälzer Traditionsbetrieb einen entscheidenden Anteil.

Seit Jahrzehnten versorgt das Trachtenhaus Pöllinger (Kreis Regensburg) die Nachfahren der deutschen Auswanderer regelmäßig mit Lederhosen aus der Heimat. Mehr als 50 Mitgliedsvereine zählt der "Gauverband Nordamerika", vom Bayerischen Heimat- und Trachtenverein "Golden Gate" in San Francisco bis zum "Alt-Washingtonia Schuhplattler-Verein" in der Hauptstadt Washington D.C. Viele von ihnen setzen auf das Original aus dem Hause Pöllinger. Zum Anmessen fliegt der Chef auch schon einmal selbst zum Kunden, damit die bayerisch-amerikanische Erfolgsgeschichte weitergeht.

"Eine bayerische Lederhose ist maßgeschneidert - aus sämisch gegerbtem Hirschleder, so dass das Leder atmen kann. Die passt dann bei jedem Anlass, ein Leben lang", sagt Franz Pöllinger, dessen Urgroßvater im Jahre 1860 eine Werkstatt zur Fertigung von Lederhosen eröffnete. Vor mehr als 150 Jahren zählten vor allem Bauern zur Kundschaft: Sie trugen Stiefellederhosen bei der Feldarbeit. Allein am Stammsitz Hemau, rund 30 Kilometer nordwestlich von Regensburg, habe es seinerzeit drei Lederhosen-Macher gegeben. Heute gibt es in ganz Bayern nur noch ein Dutzend Betriebe, die die alte Tradition der Säcklerei fortsetzen, nördlich der Donau ist Pöllinger der letzte seiner Zunft.

Pöllingers Urgroßvater gründete im Jahre 1860 die Lederhosen-Werkstatt

Seit 1977 führt Kürschnermeister Franz Pöllinger junior das alte Handwerk weiter. Die Geheimnisse des Säcklerhandwerks - heute dem Ausbildungsberuf des Sattlers zugeordnet - gab sein Vater an ihn weiter. Der war es auch, der einst die Geschäftsbeziehungen über den großen Teich etablierte. Etwa einhundert individuelle und maßgefertigte Lederhosen gehen pro Jahr über seinen Ladentisch - vor allem an Trachtenvereine und Lederhosen-Liebhaber aus Deutschland und den USA. "Für eine reichlich bestickte Hose braucht man schon mal vier bis fünf Tage", sagt Pöllinger, der selbst von März bis Oktober täglich Lederhose trägt.

Als Vorlage für die Stickereien und Steppereien dienen überlieferte Muster, die teilweise von uralten Lederhosen stammen. Ob Ziegenlederne, Hirschlederne, Jagdhose oder Kniebundhose - Franz Pöllinger erkenne seine Produkte alle wieder. "Jeder Säckler hinterlässt seine persönliche Handschrift auf den Hosen. Außerdem fertigen wir heute noch in Handarbeit wie vor 100 Jahren." Auch Änderungen und Reparaturen nimmt der Betrieb vor, verschlissene oder nicht mehr passende Lederne bekommen hier einen neuen Anstrich. Darunter schon mal Lederhosen, die die 100-Jahrmarke längst passiert haben.

Dass die Säcklerei auch in Zukunft ihre persönliche Note in der Trachtenmode hinterlassen wird, steht für Franz Pöllinger außer Frage: Zwei seiner fünf Kinder sind bereits in das Unternehmen eingestiegen. Der aktuelle Trend zurück zur Tracht beflügelt das Geschäft des Traditionshauses auch hierzulande: Das Filialnetz ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Zuletzt eröffnete das Unternehmen seine zehnte Verkaufsfiliale in Rothenburg ob der Tauber. Pöllinger beschäftigt heute rund 50 Mitarbeiter. (obx)

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