Leben in Bayern

17 Nobelpreisträger hat die Technische Universität München hervorgebracht. (Foto: dpa)

10.04.2018

Kühlschrank und Atom-Ei: 150 Jahre TU München

Seit 150 Jahren forschen und lehren Wissenschaftler an der Technischen Universität München. Der Kühlschrank und auch der gerade so umstrittene Diesel-Motor: Manche Entwicklung von dort gehört heute zum Alltag der Menschen weltweit

Rund 41 000 Studenten, mehr als 170 Studiengänge und 17 Nobelpreisträger, die an der Technischen Universität München (TUM)  studierten oder forschten: Die TUM zählt zu den renommiertesten Hochschulen Europas. Am 12. April wird zu ihrem 150-jährigen Bestehen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet; sprechen wird auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Von der Gründung zu heutigen Visionen - der Weg der Universität in Schlaglichtern:

URSPRUNG
Anfangs ging es nicht unbedingt um hehre Erkenntnis, sondern um Annehmlichkeiten wie Heizungen mit Luftfeuchteregelung, Speiseaufzüge und batteriebetriebene Klingelanlagen. Die Schlösser von König Ludwig II. steckten voll ungewöhnlicher Technik. "Er war nicht nur der Märchenkönig, er war auch ein großer Technikförderer. Man sah damals die Notwenigkeit einer höheren technischen Bildung im Zuge der fortschreitenden Industrialisierung Bayerns", sagt TUM-Präsident Wolfgang Herrmann. 1867 reiste Ludwig II. zur Pariser Weltausstellung, ein Jahr später gründet er die Polytechnische Schule München.

KÜHLSCHRANK
Eine Tiefkühlpizza und ein kühles Bier - das kann manchmal den Abend retten. Aber lange war das Kühlen von Lebensmitteln schwierig. Im Winter mühsam geschlagenes Eis und kühle Keller waren die gängigsten Methoden - bis der Ingenieur Carl Linde die erste praxistaugliche Kältemaschine entwickelt. 1875 liefert er sie an eine Brauerei nach Triest. Seine Kompressionskältemaschine arbeitete wie ein moderner Kühlschrank: Ein flüssiges, zusammengepresstes Gas verdunstet, wird gasförmig, entzieht der Umgebung Energie in Form von Wärme - und kühlt. Für die Erfindung adelt Prinzregent Luitpold Carl von Linde. Dieser unterrichtete an der TUM-Vorgängerin und Polytechnischen Schule Maschinenbau.

DIESEL
Heute wegen des gleichnamigen Skandals in Verruf gekommen stand der Klang dieses Wortes 1893 für Fortschritt und Mobilität. Seitdem bewegt Rudolf Diesels Motor nicht nur Autos in Städten, sondern auch Notstromaggregate, Fahrzeuge und Maschinen in entlegenen Gegenden und Schiffe auf den Weltmeeren. Diesel, der Maschinenbau studierte, folgte der Idee eines Feuerzeugs: Drückt man den Kolben hinein, entsteht eine Flamme; durch die Verdichtung erhitzt sich die Luft im Innern so, dass sich Zunder entzündet. Das Prinzip wendet Diesel an, als er den Motor konstruiert, den alle Welt unter seinem Namen kennt.

BLUT UND BLÄTTER
Blut ist rot, der Pflanzenfarbstoff Chlorophyll grün - der Chemiker Hans Fischer entdeckt, wie der Blutfarbstoff Hämin zusammengesetzt ist und baut ihn 1928 im Reagenzglas nach. 1930 bekommt er dafür den Chemie-Nobelpreis. Fast den gleichen Bauplan findet Fischer später beim Chlorophyll. Er beschreibt erstmals den Aufbau des Moleküls der Photosynthese. Wie Pflanzen damit aus Sonne, Luft und Wasser Energie gewinnen, fand Jahrzehnte später Robert Huber mit seinem Team heraus - ebenfalls an der TUM. Die Gruppe erhält 1988 den Nobelpreis.

ATOM-EI
Der Forschungsreaktor München (FRM) war der erste Atomreaktor der Bundesrepublik. Beim Richtfest im Januar 1957 gab es kaum Vorbehalte: Die Ehrengäste verspeisen ein "Atom-Menü": "Vorfluterbrühe mit Kerneinlage" (Leberknödelsuppe), "Neutronenschlegel" (Kalbfleisch) und "radioaktives Kühlwasser" (Bier). Mit der atomaren Aufrüstung und Tschernobyl formiert sich massiver Protest gegen Atomenergie - und damit auch gegen den FRM und den Nachfolger FRM II. Dieser dient Wissenschaft, Industrie und Medizin heute als Neutronenquelle. Hier wird Material untersucht und Grundlagenforschung betrieben. Bestimmte Tumore wie Kehlkopf- oder Hautkrebs werden behandelt und Radio-Isotope für Diagnostik und Therapien hergestellt.

CHIRURGIE
2008 gab es am TUM-Klinikum Rechts der Isar eine Weltsensation: Erstmals wurden zwei ganze Arme transplantiert - so viel fremdes Gewebe wie noch nie. Ein Allgäuer Landwirt war in einen Maishäcksler geraten. Jahre später konnte er ohne fremde Hilfe Rad fahren und einen Traktor steuern. 1958 hatte die Ärztin Ursula Schmidt-Tintemann die bundesweit erste Station für plastisch-chirurgische Eingriffe aufgebaut. Die Ärzte halfen Brand-, Säure-, Kriegs- oder Unfallopfern, stellten Gesichter und Körperteile wieder her. Der Organspendeskandal ging am Rechts der Isar nicht ganz spurlos vorbei, im Nachgang werden dort keine Lebern mehr transplantiert.

HYPERLOOP

In der Kapsel in Schallgeschwindigkeit reisen: "Hyperloop" ist eine Vision, die der US-Unternehmer Elon Musk bis 2030 möglich machen will. Er hatte mit Tesla PS-starke Elektroautos zum Prestigeprodukt gemacht. Nun will er die Hochgeschwindigkeits-Kapsel voranbringen. Passagiere sollen darin durch Fast-Vakuum-Röhren wie Rohrpost unterwegs sein. Durch den geringen Luftwiderstand sollen bis zu 1200 Stundenkilometer möglich sein. Musks Wettbewerb um die schnellste Kapsel gewannen zwei Mal Studenten der TUM, zuletzt im August 2017. Ihre Kapsel schaffte 324 Stundenkilometer und war mehr als dreimal so schnell wie die Konkurrenz, die teils von kommerziellen Firmen kam.

ROBOTER MIT GEFÜHL
Roboter sind längst mehr als Helfer in Fabrikhallen. Die Zukunft gehört sensitiven lernfähigen Maschinen. Im Juni 2014 stieß der querschnittsgelähmte Brasilianer Juliano Pinto in einem Roboteranzug kraft seiner Gedanken einen Fußball an und eröffnet damit in São Paulo symbolisch die Fußball-Weltmeisterschaft. Ein wichtiges Bauteil entwickelt Gordon Cheng an der TUM: die künstliche Haut, mit der Pinto seine Schritte spürte. Cheng will mit menschenähnlichen Maschinen Menschen helfen. Er verbindet dafür Neurowissenschaften und Robotik. Gerade startete an der TUM ein Forschungszentrum, das künstliche Intelligenz und Robotik zusammenführen will. "Roboter werden mit Menschen zusammenleben und ihnen den Alltag erleichtern", sagt Direktor Sami Haddadin. Damit entstehe "eine völlig neue Gesellschaftform". "Robonatives" werden selbstverständlich mit den Maschinen leben. In der "Geriatronik" sollen Roboter Senioren helfen.
(Sabine Dobel, dpa)

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