Leben in Bayern

Wilfried Menke, Wahlbayer und Buddelschiffbauer in Starnberg. (Foto: Matthias Balk/dpa)

14.08.2019

Kunst mit blauer Knete

Buddelschiffe gehören zum Norden wie der Klabautermann und Spökenkiekerei. Seltene Exemplare sind sie und ihre Erbauer dennoch, erst recht dort, wo das Meer weit weg ist. Doch in Bayern kommen "Gorch Fock" und ein Kaufmann aus Niedersachsen zusammen

 Eigentlich wollte Wilfried Menke sein Berufsleben lang die ganze Welt umfahren mit dem Schiff. Von der "Gorch Fock" hat er geträumt. "Wenn ich nicht zur Marine komme, gehe ich gar nicht zur Bundeswehr", war die Ansicht des heute 78-Jährigen in seiner Jugend. Doch den gebürtigen Niedersachsen führte seine Lebensreise an ruhigere Gewässer - an den Starnberger See. Seit den 1970er Jahren lebt er in Bayern und frönt dort einem eher an die norddeutsche Heimat erinnernden Hobby - dem Buddelschiffbau.

Angefangen hat trotz der abgebrochenen Marinekarriere alles mit der "Gorch Fock", erzählt Menke, oder besser: mit dem Gorch Fock, dem Schriftsteller nämlich, nach dem das in den vergangenen Jahren in unschöne Schlagzeilen geratene Segelschulschiff der Deutschen Marine benannt ist. Focks Tochter lernte Menke in der Marinekameradschaft Starnberg kennen.

Der Mann aus Bassum bei Bremen war zuvor auf Marine-Lehrgängen im Norden und mit einer Fregatte weltweit unterwegs gewesen, nachdem er eine ungeliebte Kaufmannslehre absolviert hatte - "das war für mich das Schlimmste, was es gab, ich war immer Wassermann". Dann aber wurde er 1970 nach München versetzt. Er blieb in Bayern, denn mittlerweile hatten sich andere Prioritäten ergeben: Frau und Sohn hielten ihn im Süden, da zog die "Gorch Fock" den kürzeren, und das Leben auf See wurde zum Leben am See. Da er von der Schifffahrt nicht ganz lassen konnte, trat er in die Marinekameradschaft ein.

Dort, so erzählt es der Senior, traf er auf Metta Teschke, die Tochter von Gorch Fock, die ihn darum bat, ein Modellboot zu restaurieren. Das machte Menke offenbar gut, denn der nächste Wunsch war ein Buddelschiff zum Geburtstag. "Ich sagte Metta, das habe ich noch nie gemacht" - doch es klappte. Freudentränen habe es gegeben, erinnert sich Menke und bekommt selbst feuchte Augen.

Vom Chef der Heimatbühne offiziell zum Bayern ernannt

Inzwischen hat der Niedersachse, der stolz angibt, nach 25 Jahren als Bühnenmeister der Starnberger Heimatbühne offiziell von deren Chef zum Bayern ernannt worden zu sein, 30 Jahre Buddelschiffbau-Erfahrung. Er baut entweder gleich in der bauchigen Flasche - "die sind schwer zu bekommen" -, oder schubst das kleine Kunstwerk aus Holz und Stoff an Fäden in sein gläsernes Zuhause, wo es auf blauer Knetmasse mit weißen Schaumkronen ruht.

Früher hat er eher die Schiffe seiner Heimat gefertigt, aber die seien im Süden nicht gefragt. Jetzt sind es bayerische Modelle. Die "Delphin" etwa, Prunkschiff von König Ludwig I., ging als Geschenk an Starnbergs Partnerstadt Dinard in Frankreich. Die "Santa Maria" von Christoph Kolumbus erhielt seine Frau, der älteste Sohn will einmal die "Alexander von Humboldt" erben. Wie viele Schiffe er gebaut hat? Menke hat nie gezählt, auch nicht die Stunden, die er für die mühsame Arbeit benötigt. 30, 50, so viele würden es sein pro Schiff.

"Das Akribische, Ehrgeizige" sei eher den Älteren vorbehalten, sagt Dieter Matysik, Präsident von nauticus, dem Deutschen Dachverband für Schiffsmodellbau und Schiffsmodellsport in Moers in Nordrhein-Westfalen. Überwiegend Ältere und überwiegend Männer, so sehe die Struktur bei den Modellbauern aus. Der Buddelschiffbau sei dabei "etwas ganz Spezielles". Wie viele Buddelschiffbauer es in Deutschland gibt, das kann Matysik nur vermuten, möglicherweise 1000. "Aber in Erscheinung treten nur ganz wenige."

Der Modellbau insgesamt sei verbreiteter als noch vor einigen Jahrzehnten, aber kein Vergleich mit der Lage in östlicheren Ländern, Ungarn etwa oder Russland. In China spielt der Modellbau Matysik zufolge eine "enorm große Rolle", Hunderttausende Jugendliche seien engagiert. In Deutschland dagegen wisse er von keinem einzigen Jugendlichen, der etwa Buddelschiffe baut.

Selbst Menke tritt inzwischen kürzer. Seine Frau konnte er für das Bauen ohnehin nie begeistern, geholfen hat sie nie. "Die läuft weg." Kinder und Enkel buddeln auch nicht, und Menke selbst engagiert sich jetzt mehr sozial, besucht alte Menschen oder fährt einmal im Jahr mit seiner Frau zu deren Klassentreffen zurück nach Bassum. Und jetzt hat er sowieso Besseres, Bayerisches zu tun, wenn nämlich die alte Liebe den Wassermann ruft: "Über den Sommer mache ich wenig, ich will zum See gehen."
(Martina Scheffler, dpa)

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