Leben in Bayern

Klaus Wengenmayr gautscht in seiner Wirtschaft aus einem Bottich geschöpfte Papiermasse ab. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

16.08.2018

Lechwasser, Elefantenkot und Schafwolle

Augsburg bewirbt sich mit seinem historischen Wassersystem als Weltkulturerbe. Das Wasser der Stadt ist auch der Rohstoff eines ungewöhnlichen Papierwerkes. Die Manufaktur liefert Bütten mit Wasserzeichen - und Ausscheidungen aus dem Elefantengehege

Für Klaus Wengenmayr ist das Wasser, das vor seiner Haustür dahinplätschert, ein wichtiges Produktionsmittel. Der durch zahlreiche Kanäle in Augsburg fließende Lech ist die Basis seines handgeschöpften Papiers. "Das Lechwasser ist sehr kalkhaltig, das gibt dem Papier Festigkeit", sagt der 59 Jahre alte Augsburger. Deswegen holt er sich mit einem Eimer gerne das Lechwasser aus dem Kanal und stellt damit sein Büttenpapier her, das er nach eigener Aussage weltweit vermarktet und beispielsweise an US-amerikanische Luxushotels verkauft. "Wir beliefern auch den Vatikan", sagt er.

In einem Jahr könnte das Papier aus seiner Manufaktur quasi noch exklusiver werden. Denn voraussichtlich Mitte 2019 entscheidet die Unesco, ob das komplexe Wasserwirtschaftsystem mit den Lechläufen in der Augsburger Altstadt zum Weltkulturerbe ernannt wird. Heuer wurde der Antrag dafür beim Welterbezentrum in Paris offiziell eingereicht. Schon die Römer hatten vor etwa zwei Jahrtausenden damit begonnen, Augusta Vindelicum, die Hauptstadt der Provinz Raetien, mit einem weitreichenden System von Wassergräben zu versorgen.

Heute ist der Papierkünstler Wengenmayr einer der ungewöhnlichsten Handwerker und Kneipiers im Zentrum von Bayerns drittgrößter Stadt. Mehr als drei Jahrzehnte war der gelernte Papiermacher in einer Fabrik tätig, dann wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit und erfüllte sich den Traum einer "Erlebnisgastronomie".

Direkt gegenüber von Bertolt Brechts Geburtshaus eröffnete er eine Wirtschaft, die gleichzeitig auch sein eigenes kleines Papierwerk ist. Denn eine spezielle Werkstatt hat er nicht. Deswegen baut er seinen Produktionsbottich neben dem Eingang der Kneipe auf, gerne auch während der Öffnungszeiten. Die Gäste können dann Wengenmayr zuschauen und etwas über das Papiermachen lernen.

Das Besondere sind die individuellen Wasserzeichen

Die Papiermanufaktur-Kneipe ist nicht nur räumlich sehr nah an Brecht, sie trägt auch dessen Namen. Dass "Brecht's Bistro" so heißen darf, habe die Tochter des weltberühmten Dramatikers, Barbara Brecht-Schall, persönlich erlaubt. Wengenmayr sagt, er habe sie mit dem Argument überzeugt, dass Brechts Vater und somit ihr Großvater früher für dieselbe Papierfabrik gearbeitet hat wie später dann Wengenmayr. "Ich war sozusagen ein zeitversetzter Arbeitskollege", scherzt der Papiermacher.

Das besondere an den Papieren aus der Augsburger Altstadt sind die Wasserzeichen. Es gebe weltweit nur eine Handvoll Manufakturen, die Papier mit solch individuellen Zeichen produzieren, sagt der 59-Jährige. Er braucht mitunter mehrere Tage, um ein komplexes Wappen auf eine Vorlage zu übertragen. Einmal habe ihn ein Kunde aus einem Adelsgeschlecht mit der Erstellung eines 700 Euro teuren Wasserzeichens beauftragt, erzählt er. Dann habe der Auftraggeber gerade einmal zehn Bögen Papier, Stückpreis etwa drei Euro, haben wollen, wundert sich Wengenmayr noch heute.

Tatsächlich ist diese Art der Papierproduktion vom Aussterben bedroht. Die Industrie nutzt das alte Handwerk des handgeschöpften Papiers zwar noch bei Infotagen für Schulklassen, für die Fabriken im Freistaat spiele der Verkauf von einzelnen Blättern aber im Regelfall keine Rolle mehr. "Die meisten unserer Papierfabriken produzieren in Tonnen", sagt Johanna Mohrhauser vom Dachverband BayPapier.

Lediglich die Büttenpapierfabrik in Gmund kann nach Angaben des bayerischen Industrieverbandes noch ähnlich exklusive Papiere anbieten. Das Papierwerk vom Tegernsee ist vor einigen Jahren insbesondere durch die Herstellung der goldenen Umschläge, in denen bei der Oscar-Verleihung die Preisträgernamen stecken, bekanntgeworden. Doch produziert wird auch in Gmund maschinell und nicht per Hand.

Wengenmayr nutzt für seine Papiere mitunter auch spezielle Zutaten, um die Bögen nach Kundenwunsch individueller zu gestalten. Besonders skurril ist sein Elefantenpapier - produziert mit Kot der Dickhäuter, was man bei den getrockneten Bögen aber nicht mehr riecht. Der Augsburger Zoo liefert den Rohstoff und verkauft dann das fertige Papier. Auch bei anderen Bestellungen verwendet der Papiermacher nach Wunsch ungewöhnliche Beigaben und muss dann manchmal unter erschwerten Bedingungen arbeiten. "Der schlimmste Auftrag war 5000 Bögen mit Naturschafwolle", erinnert er sich.
(Ulf Vogler, dpa)

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