Leben in Bayern

01.08.2025

Lukrativer Zamperlboom

Immer mehr Hunde in München: Da lässt sich ordentlich Geld verdienen – Investoren haben das erkannt und übernehmen zunehmend Haustierpraxen

München ist auf den Hund gekommen. Bis Ende 2024 waren dort fast 46 000 Vierbeiner registriert. Vor allem während der Corona-Zeit ist ihre Zahl außerordentlich angestiegen. Die Tierärzte haben immer mehr zu tun. Schon interessieren sich Investoren für die Praxen.

Die Hohenzollernstraße 36, mitten in München-Schwabing. Die Tierarztpraxis im Erdgeschoss ist sichtbar neu eingerichtet. Praxismanagerin Lisa Panknin zeigt gerne die Räume: Da sind die beiden getrennten Wartebereiche für Hunde und für Katzen, „das reduziert den Stress für die Tiere“, erklärt sie. Ein Flur führt zu mehreren Behandlungszimmern, drei Tierärztinnen sind derzeit in der neu eröffneten Praxis tätig. In den hinteren Räumen sind medizinische Geräte untergebracht, ein Raum dient speziell der Zahnbehandlung. In den Warteräumen gibt es beruhigende Düfte und kleine Leckerli-Stationen. Sollte der Fall eintreten, dass ein Tier eingeschläfert werden muss, gibt es vorne an der Anmeldung eine kleine Kerze, die dann angezündet wird.

Junge Haustiereltern ansprechen

Mit dem Konzept der neuen Tierarztpraxis sollen „junge, urbane Haustiereltern“ angesprochen werden, so Jonathan Loesing (33) vom Berliner Start-up-Unternehmen Rex: „Wir wollen, dass sich der Tierarztbesuch bequem in den Alltag einbauen lässt – und sich gleichzeitig wie ein Abstecher ins Wellnessstudio anfühlt“, so der Geschäftsführer. Gerade in Stadtteilen wie Schwabing, wo viele junge Familien, Berufstätige und „digital affine Haustierhalterinnen und Haustierhalter“ lebten, treffe das Konzept auf einen spürbaren Bedarf. „Besonders bei Millennials zwischen 25 und 45 Jahren sehen wir, dass Haustiere längst keine Freizeitbeschäftigung mehr sind, sondern fester Teil der Familie – und damit auch Anspruch auf eine Versorgung haben, die sich am Alltag, an Mobilität und an modernen Standards orientiert“, erklärt Loesing. Für ihn war entscheidend: „Münchner legen Wert auf Qualität, Design und Effizienz – warum sollte das beim Tierarztbesuch anders sein?“

Tierarzttermin über eine App buchen

Das Start-up-Unternehmen, das bereits Praxen in Berlin und Hamburg betreibt und weitere Großstädte wie Frankfurt am Main ins Visier nimmt, setzt auf das Digitale. Wer einen Termin buchen will, kann das über eine App machen. Über sie laufen auch Anamnesebögen, Behandlungsverläufe und Termin-Erinnerungen. Parallel dazu ist die App direkt mit der internen Software der Praxis verbunden – dem System, mit dem die behandelnden Tierärztinnen arbeiten. Sowohl Ärzte als auch Tierbesitzer greifen auf dieselbe, digital gespeicherte Patientenakte zu, in der Impfungen, Diagnosen, Laborwerte oder Medikationspläne erfasst sind. „Wenn man von Berlin nach München zieht, kennt das System die Katze bereits. Das spart Zeit und Nerven“, sagt Jonathan Loesing.

Viele verschiedene Computersysteme

Derartige elektronische Krankenakten für Tiere sind in Bayern noch nicht weit verbreitet, weiß Iris Fuchs von der Bayerischen Landestierärztekammer. Für die interne Verwaltung der Praxen gebe es eine Vielzahl verschiedener Computersysteme, die untereinander nicht kompatibel seien. Kleinere Praxen würden Investitionen in eine neue Software scheuen, außerdem gebe es für Kleintierpraxen keine gesetzlichen Vorgaben. Was der Tierärztin eher Sorge bereitet als die Verbreitung der elektronischen Krankenakte für Tiere, ist das vermehrte Auftreten von Investoren, die als Kette vorhandene Tierarztpraxen aufkaufen. Es ist ein ähnlicher Prozess wie in der Humanmedizin, wenn etwa zunehmend Zahnarztpraxen von Investoren übernommen werden.

In Bayern kaufen seit 2015 Betreiberfirmen verstärkt Tierarztpraxen auf, die teilweise ausländischen Investoren sehen vor allem bei den Kleintierpraxen einen gewinnträchtigen Markt. Die drei größten Betreiberketten sind dabei Anicura (eine Tochterfirma des US-amerikanischen Nahrungsmittelkonzerns Mars, der auch Tierfutter wie Pedigree, Whiskas, Sheba, Kitekat, Frolic und Cesar herstellt), Evidensia (hier hat der Nestlé-Konzern eine Minderheitsbeteiligung, man betreibt in Bayern 19 Standorte) und Tierarzt Plus (eine Venture Capital AG aus Berlin). Kritiker fürchten, dass bei den Ketten die Preise für Behandlungen steigen. Etwa durch „Maximalmedizin“, weiß Tierärztin Fuchs, bei der teure Untersuchungsmethoden wie das MRT zur Anwendung kommen. 

Eine unterdigitalisierte Branche

In Sachen Ketten betont Rex-Geschäftsführer Loesing, das Unternehmen übernehme keine bestehenden Tierarztpraxen, sondern gründe neue. Dass sich der Markt gerade bewege, sei kein Zufall. Der Trend zu mehr Haustieren – besonders nach Corona – treffe auf eine unterdigitalisierte Branche mit großem Nachholbedarf.

Im ersten Corona-Jahr 2020 waren in München insgesamt 40 674 Hunde gemeldet. Das waren rund 3000 Hunde mehr als im Vorjahr, was einer Steigerung von rund 8 Prozent entsprach. Gleichzeitig nahm die Bevölkerung aber nur um 0,1 Prozent zu. Dies hatte zur Folge, dass innerhalb eines Jahres die Anzahl der Einwohner je Hund in München von 41auf 38 fiel, das Verhältnis von Mensch zu Hund sich also zugunsten der Vierbeiner änderte. (Rudolf Stumberger)
 

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