Leben in Bayern

Hier wird ein Maibaum auf traditionelle Art mit Hilfe von Holzstangen aufgestellt. (Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

30.04.2024

Maibaum und Mysterien

"Wache" ist auf einem Holzschild zu lesen: Hier gehts zum Maibaum. Bis zum Aufstellen werden die Bäume streng bewacht. Der Diebstahl ist Teil der Tradition. Über die Geheimnisse des Maibaum-Brauchs

Am 1. Mai werden in vielen Orten neue Maibäume aufgestellt. Gefeiert wird das meist traditionell mit Tracht, Blasmusik, reichlich Essen und Trinken und manchmal mit dem Tanz in den Mai. Der Maibaum-Brauch ist komplex. Die Vorbereitungen dauern manchmal Wochen - und fordern gerade vielerorts nächtlichen Einsatz.

Was ist ein Maibaum?
Das ist ein von der Rinde befreiter, ungefähr 20 bis 30 Meter hoher Baumstamm, manchmal naturbelassen, oft aber mit weiß-blauen Ringeln bemalt. Er steht traditionell auf dem Dorfplatz und trägt Zunftzeichen vor allem der Gewerke, die mit dem Maibaum beschäftigt waren wie Zimmerer und Schlosser. Manchmal zieren den Baum aber auch Trachtenpaare. Besonders in Österreich, Bayern und Baden-Württemberg, aber auch in der Pfalz und im Rheinland ist das von einem Dorffest begleitete Aufstellen eines Maibaums am 1. Mai üblich.

Was hat es mit dem Handauflegen auf sich?
Hilft hier nicht gegen irgendwelche Leiden, sondern gegen Diebstahl. An geheimen Orten wachen derzeit Tag und Nacht Helfer an den neuen Stämmen. Der Maibaum-Klau durch Diebe aus dem Nachbardorf ist, so selten er glückt, ein Höhepunkt des Brauchs. Er bringt Lösegeld in Form von Bier und Brotzeit - und auch Respekt. Legt aber ein Wachhabender die Hand auf den Baum, darf der Baum nicht mitgenommen werden - Diebstahl gescheitert. Ohnehin müssen die "Täter" mit schwerem Gerät anrücken, die Bäume wiegen viele Hunderte Kilogramm. Gelungen ist der Coup erst, wenn der Baum über die Ortsgrenze gebracht ist. Inzwischen nutzen Wachen wie Diebe moderne Hilfsmittel. Etwa schauen Diebe schon mal in Google Earth, wo eine große Halle steht, in der ein Baum liegen könnte.

Wache halten im Homeoffice per Videokamera oder Infrarotmelder und sich ein Signal aufs Handy senden lassen, ist freilich nicht im Sinne der Tradition. Das gemeinsame Bewachen des Maibaums soll Zusammenhalt schaffen. Und bei einer Videoüberwachung aus der Ferne fehlt die schützende Hand, die den Maibaum vor dem Klau bewahrt.    

Warum braucht es immer wieder neue Bäume?
Auch der Maibaum unterliegt natürlichem Verfall. Die Farbe platzt ab, vor allem aber mit dem Versicherungsschutz wird es schwierig. Denn der "Maibaum-Tüv" prüft akribisch. Ist die Standfestigkeit nicht mehr gegeben, muss der Baum weg. Die Bäume müssen zunächst gemäß bayerischer Bauordnung sachkundig untersucht werden, nach einer gewissen Zeit - ab dem zweiten Jahr - muss in der Regel ein bestellter Sachverständiger ran, die Industrie- und Handelskammer (IHK) hält entsprechende Verzeichnisse bereit. Als maximale Standzeit gelten fünf Jahre. Außerdem: Es lockt das Dorffest, mit dem das Aufstellen des neuen Baums begangen wird.

Was geschieht mit dem alten Baum?
Manchmal wird daraus eine Gartenbank, manchmal wird der Stamm, in Scheiben geschnitten und als Brotzeitbrettl versteigert. Oder er wird, sofern nicht bemalt, zu Brennholz verarbeitet und verheizt.    

Was ist höher: Maibaum oder Kirchturm?
Natürlich vergleicht man sich bei der Größe mit dem Nachbarort. Ein paar Zentimeter mehr zeigt man mit Stolz vor. Allerdings soll der Maibaum nicht höher sein als der Kirchturm - das gebietet Heimatpflegern zufolge der Respekt. Zumindest im katholischen Bayern. Allerdings wurde auch schon von Maibäumen berichtet, die rund 50 Meter maßen. Ob sie den Kirchturm überragten, wurde nicht bekannt.

Wie wird der Baum aufgestellt?
Nach der traditionellen Art mit Muskelkraft. Dazu werden die girlandengeschmückten Bäume auf gekreuzten Stangen, den Schwaiberl, Schwalben oder Scherstangen, zentimeterweise von Helfern in die Senkrechte geschoben. Zwar gibt es genügend Frauen, die zupacken könnten und auch wollten, aber bis heute ist das Männerdomäne. Die Frauen sollten lieber zwischendrin mal einen Schluck Bier reichen, hieß es laut Jan Borgmann, Volkskundler am Freilichtmuseum Glentleiten, etwa in Großweil im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Rutscht der Baum ab, drohen schwere Verletzungen. Im vergangenen Jahr wurden im unterfränkischen Obernbreit (Landkreis Kitzingen) zwei Männer teils schwer verletzt, als der Baum umstürzte, ehe er vollständig aufgerichtet war. Immer öfter übernimmt auch deshalb ein Kran das Aufstellen - oder er sichert zumindest die nicht ungefährliche Prozedur.

Woher kommt der Brauch?
Die Ursprünge liegen im Dunkeln. Manche vermuten, dass der Brauch auf die Fruchtbarkeitsrituale und Baummysterien der Kelten zurückgeht. Allerdings ist nicht belegt, ob das wirklich zum heutigen Maibaum führte. Einen Zusammenhang sehen manche auch mit den Liebesmaien: Unverheiratete Männer stellen vor dem Haus der Angebeteten kleinere Bäume, etwa Birken auf, die mit bunten Bändchen geschmückt werden. Schriftliche Quellen für den Maibaum-Brauch soll es seit der Barockzeit geben.

Das Aufstellen galt als Zeichen der Dorfgemeinschaft und sollte deren Zusammenhalt festigen. Derzeit ist Brauchtum en vogue - manches Dorf hat schon zwei Bäume. Die Stangerl recken sich längst auch vor Schulen gen Himmel, vor Bauwägen, die die Dorfjugend als Treffpunkt aufstellt, auf Bergen, die gemeinhin Gipfelkreuze zieren, und auch in Brüssel.

Deutschlands höchstgelegener Maibaum steht an der Zugspitze. Er misst fast schon bescheidene 18 Meter, denn er musste auf den Transportwagen der Zahnradbahn passen. Den Brüsseler Maibaum gibt es seit 2008, damals war Markus Söder Europaminister. 2010 unter Nachfolgerin Emilia Müller gab es Aufregung um den finanziellen Aufwand; 25.000 Euro soll nach damaligen Medienberichten der Baum samt Transport und Party gekostet haben. Auch dieses Jahr wurde in der Bayerischen Vertretung in Brüssel ein Baum aufgestellt, allerdings ohne größeres Medienecho und nicht ganz traditionsgerecht schon am 16. April.

Warum tragen viele Maibäume das Datum 2022?
2020 und 2021 machte die Corona-Krise mit Partyverboten und Abstandsgeboten die Maifeiern mit dem Aufstellen neuer Bäume unmöglich. Mancher Dorfplatz blieb leer. Man behalf sich mit Home-Alternativen: Ein Brauchtumsverein kreierte den "Mini-Maibaum dahoam": klein und Küchentisch-tauglich im Maßstab 1:100. Deggendorf feierte den "Digitalen Maibaum", zwei Frauen im niederbayerischen Train entwickelten eine Vorgartenversion; und eine Variante taugte im Christbaumständer auch fürs Wohnzimmer. 2022 wurden vielerorts die Feiern nachgeholt und neue Bäume aufgestellt.
(Sabine Dobel, dpa)

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