Leben in Bayern

Zum Teil ist die Finanznot bei Trägern von Kitas so groß, dass Gruppen oder sogar ganze Einrichtungen geschlossen werden müssen. (Foto: dpa/Jens Kalaene)

18.07.2025

Mehr Geld gegen die Kita-Krise

Vor 20 Jahren führte der Freistaat ein modernes Kinderbetreuungsgesetz ein – Kommunen und Träger fordern jetzt eine erneute große Reform

Kräftig wurde die Werbetrommel gerührt. Plakate hingen zum Beispiel an S-Bahn-Stationen. Der Aufwand war erheblich – mit erfreulichem Resultat. „Wir haben gerade mehr Bewerbungen für unsere fünf Kitas als offene Stellen“, sagt Friederike Langwieder aus Hohenbrunn. Von „Kita-Krise“ kann in der oberbayerischen Gemeinde keine Rede sein. Die im Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) geregelten Förderbedingungen für Kitas allerdings werden auch hier, wie vielerorts im Freistaat, kritisch gesehen.

Das BayKiBiG trat vor genau 20 Jahren in Kraft: Am 1. August 2005 löste es das seit 1973 geltende Kindergartengesetz ab. Bis dahin wurden lediglich Kindergartengruppen gefördert. Seither fließen Fördermittel pro Kind. Je mehr Unterstützung ein Kind benötigt, umso mehr Fördermittel gibt es.

Früher passte die Gruppengröße noch

Eltern geben ihr Kind auch nicht mehr, wie früher, halb- oder ganztags in die Kita, sondern buchen ganz individuelle Betreuungszeiten. Laut Sozialministerium versteht sich das Gesetz nicht allein als Förder-, sondern tatsächlich auch als Bildungsgesetz. Dem hohen Stellenwert der frühen Bildung solle Rechnung getragen werden.

Nun sind 20 Jahre eine lange Zeit. Kein Ingenieur würde heute mehr so arbeiten wie 2005. Auch Kommunen, Träger und Erzieherinnen wünschen sich eine Reform des Gesetzes – vor allem in Bezug auf die Finanzierung.

Nur so könnte endlich mehr Personal für kleinere Gruppen angestellt werden, sagt Friederike Langwieder aus Hohenbrunn. In den fünf gemeindlichen Kitas tummeln sich um die 400 Kinder. 24 werden im Durchschnitt in einer Gruppe betreut. In jeder Gruppe tun jeweils zwei der insgesamt 76 pädagogischen Fachkräfte Dienst.

Vor 20 Jahren war die Gruppengröße noch in Ordnung. Heute bräuchte es laut der Fachberaterin kleinere Gruppen mit höchstens 18 Kindern. Was daran liegt, dass sich Erzieherinnen und Erzieher um immer mehr Kinder aus Migrantenfamilien oder Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten kümmern müssen. Wegen der schwierigen Rahmenbedingungen sind viele Kitas am Limit.

Auch Friederike Langwieder weiß aus ihrem Umfeld, dass Kitas öfter punktuell Betreuungszeiten reduzieren müssen. Zwei Caritas-Kindergärten im unterfränkischen Rimpar droht gerade wegen nicht zu deckender Betriebskosten die Insolvenz. Einem Medienbericht zufolge soll der Verlust einer der beiden Kitas 2024 rund 108 000 Euro betragen haben.

Der Staatsregierung ist nicht bekannt, wie viele Kitas 2024 Öffnungszeiten verändern oder den Betrieb ganz oder teilweise einstellen mussten. Die Bedarfsplanung sei kommunale Aufgabe. Die Personalplanung liege in der Verantwortung der Träger: „Die Staatsregierung ist daran nicht beteiligt.“

Es gibt bei allen Schwierigkeiten aber auch positive Entwicklungen, heißt es von der pädagogischen Fachberatung in Hohenbrunn. Hier profitiert man von dem 2022 etablierten „Gesamtkonzept für die berufliche Weiterbildung“ des bayerischen Sozialministeriums. Diese Initiative bahnt Quereinsteigern in einem Jahr einen Qualifikationsweg in die Kita.

In Hohenbrunn macht man damit gute Erfahrungen, berichtet Friederike Langwieders Kollegin Tina Staudt. Eine Küchenkraft mauserte sich zum Beispiel dadurch zur Kinderpflegerin. Nun möchte sie pädagogische Fachkraft werden. Für die meisten Kinder ist Kita toll. Dort können sie mit anderen Kindern spielen und jede Menge lernen.

Allerdings steht oft nicht mehr genug Personal zur Verfügung, um auf jedes einzelne Kind achtsam einzugehen. Auch Mario Schwandt von der Bildungsgewerkschaft GEW in Bayern wünscht sich eine Reform. Seine Idee wäre, vom einheitlichen Basiswert pro Kind abzukommen und sich mehr an der Finanzstärke einer Kommune zu orientieren.

Das verbleibende Personal ist überfordert

Der Basiswert stellt derzeit den Dreh- und Angelpunkt der Kita-Förderung dar. Aktuell beträgt er rund 1500 Euro pro Kind und Jahr. Allerdings schwankt er, je nachdem, wie viele Stunden die Eltern buchen, wie alt das Kind ist und wie viel Unterstützung es benötigt – im Einzelnen ist die Abrechnung kompliziert.

Mario Schwandt hört immer wieder, dass etwa der pädagogische Aufwand für behinderte Kinder höher ist als das Zusatzgeld, das über den sogenannten Gewichtungsfaktor in die Kita fließt. Laut Statistischem Bundesamt gaben Kitas in freier Trägerschaft 2022 für die Betreuung eines Kindes durchschnittlich rund 12 300 Euro aus. Für Kindergartenkinder wurden 2022 demnach 50 Prozent mehr ausgegeben als 2010.

Für die Kita-Qualität fühlt sich der Freistaat im Übrigen nicht verantwortlich, betont Schwandt: „Die Verantwortung liegt allein bei den Trägern und Gemeinden.“

Nun gibt es nicht in jeder Gemeinde so wie in Hohenbrunn pädagogische Fachberaterinnen, die die örtlichen Kitas unterstützen. In finanzschwachen Gemeinden, wo der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin nicht hinterher ist, dass alles für die Kita-Qualität unternommen wird, kann es leicht zu personellen Mangelsituationen kommen. Mit zum Teil fatalen Folgen.

Man kennt das aus der Pflege: Wenn es personell krankt, wird eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt. So ist das auch im Kita-Bereich. Kompetente Erziehungskräfte verlassen aus Frust das ausgedünnte Team. Das verbleibende Personal ist noch stärker überfordert.
Für gute Kita-Qualität braucht es neben Geld gut ausgebildete Fachkräfte. Die Fachkraftquote allerdings ist laut Mario Schwandt in Bayern im bundesweiten Vergleich mit 49 Prozent sehr niedrig. Dies ist auch dem „Fachkräftebarometer frühe Bildung“ zu entnehmen. Das weist den Freistaat auf dem letzten Platz aus. Am besten schneidet Brandenburg mit einer Fachkraftquote von 87 Prozent ab.

Für Dirk Rumpff vom Evangelischen Kita-Verband Bayern war das BayKiBiG 2005 ein „insgesamt großer Wurf“. Erst seitdem würden zum Beispiel Krippen und Horte gefördert. Die konkrete Finanzierung sieht allerdings auch er als problematisch an.
Für Kommunen sei die KitaFörderung eine freiwillige Leistung. Keine Kommune sei verpflichtet, das Defizit eines Kita-Trägers auszugleichen. Es gebe keinen Anspruch der Träger auf „Vollkostenfinanzierung“, bestätigt das bayerische Sozialministerium. Demzufolge trägt der Freistaat aktuell nur rund die Hälfte der öffentlichen Ausgaben für Kindertagesbetreuung.

Etwa jede dritte Kommune in Bayern kann oder will laut Dirk Rumpff keine freiwillige Leistung zahlen. Träger müssen dann entweder hohe Gebühren von den Eltern verlangen oder ihre Personalausstattung Richtung Mindestanstellungsschlüssel, der bei einer Fachkraft pro elf Kindern liegt, herunterschrauben. Der Evangelische Kita-Verband fordert, dass der Freistaat künftig 90 Prozent der Betriebskosten trägt.

Warnung vor noch mehr Bürokratie

Die Kitas haben auch immer mehr Aufgaben bekommen. Seit Neuestem sind sie auch zur Sprachstandserhebung verpflichtet. Eine mögliche Erhöhung der gesetzlichen Förderung durch eine Reform, warnt Rumpff, dürfe nicht zu noch mehr Bürokratie führen.
Auch die Johanniter in Unterfranken haben Forderungen. Stephan Pies, Leiter der Kinder- und Jugendhilfe, erklärt, man wünsche sich die Anerkennung des Faktors 4,5 bei Kindern von Asylbewerbern, eine insgesamt bessere Kita-Förderung sowie Zuschüsse für ein gesundes Mittagessen für alle Kinder. (Pat Christ)
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Schwimmbäder manche Ausländer abweisen dürfen?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.