Leben in Bayern

Kazuko Yamakawa hat schon viele Projekte in Hohenberg an der Eger finanziert. (Foto: dpa/Matthias Balk)

28.06.2025

Millionensegen aus Japan

Kazuko Yamakawa hat in ihrer Heimat viel Geld verdient mit einem feinen Baumwolltuch aus Hohenberg an der Eger – aus Dankbarkeit sorgt sie dort für Wohltaten

Die besten Dinge geschehen oft dann, wenn man nicht nach ihnen sucht. Für Kazuko Yamakawa war es eine Reise im Herbst 1967. Völlig überarbeitet reist die Verkäuferin einer Pariser Luxusboutique mit ihrem damaligen Chef und späteren Ehemann Aharon Yamakawa ins belgische Knokke. Bei einem Bummel durch den Erholungsort an der Nordseeküste entdeckt sie in einem kleinen Laden ein 30 mal 30 Zentimeter großes Chenilletuch aus Oberfranken und verliebt sich sofort in den flauschig-weichen Stoff.

Das Motiv: ein goldener Phönix auf schwarzem Grund, umrankt von leuchtend roten Rosen. „Ich blieb wie angewurzelt vor der Auslage stehen“, schreibt die Tokioter Geschäftsfrau später in ihren Erinnerungen. „Der Anblick verschlug mir die Sprache.“

Auf Knien flehte sie den Firmengründer an

In diesem Moment wird Yamakawa klar: Das Tuch soll in Japan ein Luxusprodukt werden. Sie leiht sich Geld von ihrem Chef, kauft so viele Tücher wie möglich und will umgehend den Produzenten ausfindig machen. Bis sie auf diesen, die Firma Feiler, stößt, wird einige Zeit vergehen. Dennoch wird Yamakawa den zweimal aufwendig gewebten Stoff vom Rande des Fichtelgebirges gegen alle anfänglichen Rückschläge in ganz Japan berühmt machen und damit sehr viel Geld verdienen.

Gut 50 Jahre danach hat das Chenilletuch Yamakawa eng mit der oberfränkischen Kleinstadt verwoben. 2008 verkauft sie ihre Firma Montrive an den Multikonzern Sumitomo. Der neue Inhaber baut die Kooperation mit Feiler sogar aus. 2015 eröffnet in Tokio der erste Feiler Flagship Store. 

Eines Tages stand Kazuko Yamakawa, frisch verheiratet mit Aharon Yamakawa, im Büro von Ernst Feiler, dem Firmengründer und damaligen Geschäftsführer von Feiler. Geradezu auf Knien flehte das Paar ihn an, ihm einen ersten großen Auftrag zu erteilen, um die Tücher in Japan zu vertreiben. Und der gewiefte Geschäftsmann ließ sich darauf ein. Wohl wissend, dass die jungen Firmengründer weder unternehmerische Erfahrung noch viel Geld mitbrachten – dafür aber umso mehr Leidenschaft für den einzigartigen Chenillestoff. Feiler sollte diese Entscheidung nicht bereuen.

Bis heute gilt Feiler weltweit als der führende Produzent für echte farbig gewebte Chenille mit üppigen Mustern und Frottier mit Chenillebordüren. Feiler selbst hatte das Chenilleweben in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Sudetenland gelernt – auf Handwebstühlen. Ein aufwendiger Prozess. „Wir sind die Einzigen, die das heute noch können“, sagt Ernst Feilers Enkelin, Dagmar Schwedt.

Sie war damals zuständig für den internationalen Vertrieb. Heute ist sie Gesellschafterin von Feiler. Beim Rundgang durch die Produktionsstätten wird sie überschwänglich begrüßt. Ein japanisches Team ist im Haus und dreht einen Imagefilm. Sie können ihre Freude, die alte Dame zu sehen, kaum verbergen.

Ähnlich gehe es Yamakawa, wenn sie das nach ihr benannte Seniorenhaus besucht, erzählt Schwedt. Das bestätigen die Bewohner bei einem späteren Rundgang mit der Leiterin der Tagespflege, Miriam Paul. „Aus mehr als 50 Jahren Geschäftspartnerschaft ist eine innige Freundschaft entstanden“, sagt Schwedt. 

3,5 Millionen Euro für Seniorenhaus

Ende 2011 wandte sich Yamakawa an Jürgen Hoffmann (SPD), den umtriebigen Bürgermeister von Hohenberg an der Eger. Sie fragte, wofür die Gemeinde Geld brauche. Eine Gemeinde in einer vom Niedergang der Textil- und Porzellanindustrie geplagten Region mit knapp 1500 Einwohnern und mit stets klammen Kassen, in der der Bürgermeister für Gäste den Kaffee auch mal selber kocht und sich seinen Amtssitz mit der Nachbargemeinde in Schirnding teilt. „Wir dachten an eine Parkbank oder einen kleinen Park“, erzählt er im Gespräch mit der Staatszeitung. „Fünf- bis zehntausend Euro haben wir gedacht, das wäre super. An eine Spende in Millionenhöhe für ein Seniorenhaus mit einem offenen Konzept, daran hat niemand auch nur im Traum gedacht“, erinnert er sich. „Da bist du erst mal richtig baff.“ 

Das Grundstück für das Seniorenhaus stiftet die Firma Feiler. Zusätzlich kommen Fördergelder von der Oberfrankenstiftung, der Bayerischen Landesstiftung und dem Freistaat. Als im Laufe des Projekts absehbar wird, dass gut eine Million Euro fehlen, reagiert Yamakawa schnell, erzählt Hoffmann. Sie habe gesagt: „Macht euch keine Gedanken. Das stocke ich auf.“ Die Gemeinde kostet das Seniorenhaus damit keinen Cent.

Dieser ersten Spende aus dem Jahr 2012 von rund 3,5 Millionen Euro für das 2017 eröffnete Haus folgt 2023 eine weitere Million für den „Sakura Aktiv Park“ in unmittelbarer Nähe zum Seniorenhaus. Eine Begegnungsstätte für junge Familien und Senioren, in der im Frühjahr 75 japanische Kirschbäume blühen.

2024 stiftete die inzwischen 83-Jährige erneut. Diesmal sind es 16 Millionen Euro für den Bau von 24 barrierefreien Wohnungen. Die Wohnanlage soll Hohenberger Seniorinnen und Senioren ermöglichen, ein würdevolles und unabhängiges Leben in ihrer Heimatstadt zu führen.

Das Projekt ist verankert in einer eigens dafür gegründeten Stiftung. Sie wird gespeist durch die Mieteinnahmen. So generiert sie auch in Zukunft Geld für wohltätige Zwecke, die Hohenberg sich ohne diese nicht leisten könnte. „Unser gesamter Jahreshaushalt beträgt ja gerade mal 5 Millionen Euro“, sagt Hoffmann. 

Für die japanische Geschäftsfrau, die Firma Feiler und Hohenberg sähe die Welt heute anders aus, wären jene Begegnungen in der Vergangenheit anders verlaufen oder hätte auch nur ein einziger Baustein gefehlt. Ohne das kleine „Seiftuch“, das heute nahezu jede Japanerin in ihrer Handtasche trägt, gäbe es womöglich kein Feiler Japan, vielleicht nicht einmal mehr Feiler Deutschland, glaubt Dagmar Schwedt mit Blick auf das Sterben der Textilindustrie in den 80er-Jahren. Kein Yamakawa Seniorenhaus, keinen Sakura Aktiv Park und auch keine Stiftung Lebenswertes Hohenberg. 

Und sie wird wohl weiter spenden

Die Kleinstadt nahe der tschechischen Grenze blüht unter dem üppigen Geldsegen aus Japan merklich auf. So sehr, dass Feiler über 50 Jahre hinweg immer wieder Lieferschwierigkeiten hatte, wegen der hohen Nachfrage. „Wir müssen die Logistikhalle noch einmal aufstocken“, lässt Schwedt den Bürgermeister ganz nebenbei im Gespräch wissen. „Gut“, sagt der.

Bis heute kann auch Hoffmann das Glück seiner Gemeinde kaum fassen. Das sei ja alles so nicht zu erwarten gewesen. Er sei auch jetzt schon mehr als zufrieden. Ob sich Yamakawa allerdings davon abbringen ließe, ihre Wahlheimat weiterhin großzügig mit Spenden zu bedenken, daran hat er so seine Zweifel. Die tatkräftige Geschäftsfrau weiß sehr genau, was sie will.

Das wurde auch in der Umsetzung der Projekte deutlich. Nicht allen im Ort hat das immer gefallen, erzählt Dagmar Schwedt. Vor allem gegen den Neubau der Wohnanlage gab es Widerstand. „Aber so ist das“, sagt sie. „Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille.“ (Flora Jädicke)
 

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