Jahrelang hat Franz Bindl nur davon geträumt – bis seine Frau ihm den entscheidenden Schubs gab: „Es reicht nicht, wenn du Pläne hast, du musst sie auch umsetzen“, riet sie ihm. Und das tat er dann knapp zwei Jahre lang: Er baute eine urbayerische Achterbahn. Vergangenes Wochenende wurde die 755-Meter-lange Konstruktion eröffnet. Mit dabei: prominente Gäste und die Staatszeitung.
Als der Moment gekommen ist, auf den Franz Bindl so lange gewartet hat, schließt er kurz die Augen. Dann öffnet er sie wieder und lacht über das ganze Gesicht. Denn Bindl ist voller Vorfreude, endlich das genießen zu können, von dem er schon als Kind geträumt hat: eine Fahrt in der eigenen Achterbahn. Jetzt steht die Jungfernfahrt kurz bevor. Bindl selbst sitzt im fünften Wagen der Bahn und hat die Ehrengäste vor ihm im Blick. Gleich hinter der urigen Gallionsfigur, dem „vogelwuiden Sepp“, hat der CSU-Abgeordnete Josef Zellmeier Platz genommen. Bindl hat innnerhalb von zwei Jahren die

Achterbahn mit Profis geplant und gebaut – auf dem Egidi-Buckel in Sankt Englmar. Der TÜV hat sein Siegel angebracht, die Probefahrten mit Sandsäcken sind abgeschlossen.
Für die ersten Mitfahrer geht es nun den Berg hinauf, mit drei Aufzügen, hoch und höher. Und dann ist der Moment gekommen: Zum ersten Mal rast der Achterbahn-Zug mit voller Geschwindigkeit ins Bodenlose. Die Krawatten flattern im Fahrwind und Bayerns längste Achterbahn – 755 Meter misst sie – ist offiziell eröffnet.
Und auch Franz Bindls Sorgenlast, die ihn während der Bauzeit mitunter quälte, ist plötzlich wie weggeblasen. Alles hat geklappt. Der Abgeordnete Zellmeier ist begeistert. „Die Fahrt war landschaftlich spannend, temporeich und doch familiengerecht“, sagt er hinterher und scherzt: „Und weil Pater Simeon neben mir saß, hatte ich auch keine Angst, dass die Bahn entgleisen könnte.“
Auch wenn Bindl von diesem Moment lange geträumt hat, ein Träumer ist er eigentlich nicht. Er ist Landwirt und hat dazu jahrelang beim Fahrgeschäfte-Bauer Zierer in Deggendorf gearbeitet – die Welt der Steilkurven, Achten, Canyons und Talfahrten zieht ihn immer schon magisch an. Lange hat er überlegt, wie eine Achterbahn auf dem Gelände der familieneigenen Sommerrodelbahn aussehen könnte. Dass er darüber heute nicht mehr nur nachdenkt, verdankt Bindl, mittlerweile Großvater, seiner Frau Elfriede. Die gab ihm den entscheidenden kleinen Schubs, indem sie zu ihm meinte: „Es reicht nicht, wenn du Pläne hast, du musst sie auch in die Tat umsetzen!“ Bindl hörte auf seine Frau und auch die fünf Kinder waren sofort begeistert, dass die längste Achterbahn Bayerns bald auf dem eigenen Gelände stehen sollte.
An dem Tag, an dem Bindl zur Firma Zierer nach Deggendorf fuhr – sie sollte die Stahl-Konstruktion bauen –, war er so nervös, dass er seine Brille vergaß. Auf dem Weg zum Termin kaufte er eine neue und setzte danach mit zittriger Hand die Unterschrift unter den drei-Millionen-Euro-Vertrag. 2015 gab es den ersten Spatenstich. Viel Dreck und Arbeit folgten. Und ganz einfach sei das Familienoberhaupt nicht immer zu handhaben gewesen, erinnern sich die Töchter. „Die Mama hat zu ihm gesagt, wennst jedes Mal so grantig heimkommst, kannst gleich auf der Rodelbahn bleiben.“
Mammut-Projekt: 170 Betonmischer, 230 Fundamente, 1700 Masten
Bindl hat in den vergangenen Monaten nicht nur beobachtet, wie 170 Betonmischer anrollten, 230 Fundamente gegraben und 1700 Masten gesetzt wurden. Er hat mit angepackt, so, wie er es gewohnt ist. Die Sommerrodelbahn der Familie ist quasi das sechste Kind. Dazu ein hochmodernes Fahrgeschäft zu errichten, war ein Gratwanderung – aber eine, die dennoch in die niederbayerische Mittelgebirgslandschaft passt.
Lange hat Bindl auch überlegt, wie seine Bahn heißen sollte. „Doch nicht immer ein englischer Name“, fand er. Als er dann ein Fahrgeschäft kennenlernte, das „g’senkte Sau“ heißt, war ihm klar, dass auch er einen originellen bayerischen Namen brauchte. Bei einer Essenseinladung mit Bekannten fiel der Name

„vogelwuider Sepp“. Ein Freund erzählte von der Holzhauertradition im Bayerischen Wald und von einem Sepp, der auf seinem Bockschlitten das Holz aus dem Wald schleppte.
Bindl sah den „vogelwuiden Sepp“ sofort klar vor sich. Er ließ eine Figur entwerfen, die seinem Bild möglichst nahe kam und wichtige Vorgaben erfüllte: Die Kinder sollen sich nicht vor ihm fürchten, und die Frauen sollten ihn ansprechend finden. Bis auf das letzte Detail, die markante Zahnlücke, ist der Sepp, der im ersten Wagen vorausfährt, von der Familie Bindl abgesegnet. Er hat sogar eine Frau: die „grantige Res“. Mit der Achterbahn darf sie allerdings nicht fahren. Sie muss sich um die Wäsche des treulosen Ehemannes kümmern, während dieser durch die bayerische Landschaft saust.
Allerdings ganz so rasant ist er gar nicht unterwegs: „Der vogelwuide Sepp ist nicht so damisch, da können Familie mit kleineren Kindern auch problemlos mitfahren, und genau das wollten wir“, erklärt Betreiber Bindl. Möglicherweise aber bleibt es nicht dabei. Auf die Frage, ob die Planungen für den Egidi-Buckel nun abgeschlossen sind, schmunzelt Franz Bindl und sagt: „Vielleicht kommt irgendwann noch etwas mit mehr Adrenalin dazu!“ (
Melanie Bäumel-Schachtner)
Fotos (Bäumel-Schachtner):
Franz Bindl und Tochter Franziska können die erste Fahrt kaum erwarten.
Die „grantige Res“, Frau des „vogelwuiden Sepp“ darf nicht mit.
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