Leben in Bayern

Auch in der Krise schwer beschäftigt: Peter Fleming, Geschäftsführer des Harry Klein, eines der bekanntesten Clubs Münchens. (Foto: privat)

06.11.2020

Mit Kreativität durch die Krise

Corona trifft Clubs besonders hart, seit März sind sie komplett geschlossen. Die Staatszeitung hat zwei Betreiber besucht: Wie sie ums Überleben kämpfen

Seit Monaten ist er dicht: der Münchner Club Harry Klein. Geschäftsführer Peter Fleming liegt aber weder auf der faulen Haut, noch hat er resigniert. Er und sein Team nutzen den Lockdown für Experimente. Mit professionellen Live-Streams, T-Shirt-Verkäufen, Sommerevents, Crowdfunding und staatlichen Hilfen versuchen sie und andere Clubs, durch die Krise zu kommen. Klar ist aber auch, dass nicht jeder Laden Corona überleben wird.

Ein leerer Club könnte in Corona-Zeiten ein sehr deprimierender Ort sein, und das Gespräch mit seinem Geschäftsführer niederschmetternd. Aber die Welt ist manchmal nicht so, wie man sie sich vorstellt. In schwierigeren Phasen begegnet man immer auch wieder Leuten, die sich die Stimmung nicht vermiesen lassen. Die Lösungen parat haben oder zumindest: Lösungsmöglichkeiten ausprobieren.

Wie Peter Fleming, ein Mann in Jeans, Turnschuhen und mit Schirmmütze. Der 53-Jährige ist Geschäftsführer des Harry Klein, eines der bekanntesten Clubs Münchens. Erstaunlicherweise begegnet Fleming der Krise, die besonders auch seinen Geschäftsbereich trifft, mit einem gut gelaunten, pragmatischen Optimismus. Im März wurden alle Clubs und Diskotheken geschlossen. Aufmachen durften sie im Gegensatz zu Restaurants und Bars bisher nicht. Vielleicht liegt die gute Laune Flemings auch daran, dass er in seiner Freizeit gerne auf Berge steigt. An über fünfzig Tagen im Jahr trotzt er regelmäßig der Natur, egal welche Herausforderungen sie ihm auftischt. Aber es ist vielleicht auch einfach sein Naturell, das Beste aus den Dingen zu machen.

Dabei war es durchaus düster, damals im März. Peter Fleming, der beim Harry Klein von Anfang an, also seit 17 Jahren, dabei ist, spricht von einem „sehr schweren Abend“. Der Club ist für ihn nicht nur ein Arbeitsplatz, er ist ein Ort, an dem sich Leute glücklich tanzen können. Noch am 11. März wurde im Harry Klein so richtig abgefeiert. 250 Leute drängten sich dort, wie meistens an Wochentagen. An Wochenenden kommen 450. Ein DJ machte Musik am Mischpult, ein VJ warf Bilder und Videos an die grauen Betonwände, alles wie immer. Doch trotz aller Routine – kein Abend gleicht dem anderen in dem Technoclub, alles entsteht live, was den DJs eine Aura des Künstlerischen verleiht. Kein Vergleich jedenfalls zu den Discos der 80er-Jahre, die ihre Hits einfach aus der Konserve runterspielten. Das Harry Klein hat als Club den Anspruch, der Kultur zu dienen.

Als damals im März gegen sieben Uhr früh der letzte Gast gegangen war, machte das Harry Klein zu. Freiwillig, ein paar Tage bevor der eigentliche Lockdown begann. „Weiterzumachen war moralisch einfach nicht mehr vertretbar“, sagt Fleming. So richtig zu aber hat das Harry Klein trotzdem nicht. Das liegt daran, dass Fleming und seine Kollegen die Krise auch als Chance begriffen. „Man lebt ja in einem Trott und hat im laufenden Betrieb gar keine Zeit, neue Sachen auszuprobieren“, sagt Fleming. Die Zeit des Lockdowns, die für die Clubs auch im Sommer nicht geendet hat, ist insofern zu einer Zeit des Experimentierens und Entwickelns geworden, an deren Ende ein ähnlicher, aber doch auch anderer Laden stehen könnte.

Was besonders nervt: die große Ungewissheit

Fleming begann, aus den verwinkelten Katakomben in der Sonnenstraße wöchentliche Live-Streams zu senden. Von Monat zu Monat wurden sie besser. Inzwischen wird mit sechs Kameras in Fernsehqualität gedreht. Auch ihr jährliches Marry-Klein-Festival, bei dem nur Frauen auftreten, konnten sie so, nämlich virtuell, durchführen. Diese Art der Förderung von Frauen in der Clubkultur wurde jetzt sogar mit dem Popförderpreis 2021 bedacht.

Aber die Harry-Klein-Betreiber ließen sich noch mehr einfallen: Im Sommer machte der Club Musik im Park. Er verkaufte T-Shirts mit der Aufschrift „Harry Klein – Allein zu Haus“. Und auch eine Crowdfunding-Aktion gleich zu Beginn der Pandemie brachte Geld für den Club und seine Künstler: Über 27 000 Euro kamen zusammen.

Was Fleming und seinen Kollegen ebenfalls hilft, die Corona-Zeit zu überstehen: Seit Juli werden die Betriebskosten durch das Spielstättenprogramm der bayerischen Staatsregierung erstattet. Und der Club baut auf die Zusicherung vom Bund, für den aktuellen November-Lockdown ebenfalls Geld fließen zu lassen. Verluste hat der Laden zwar trotzdem gemacht, die aber hielten sich so zum Glück in einem verkraftbaren Rahmen, so Fleming.

Schließen und unterstützen – nicht bei allen Clubs und Diskotheken geht diese Strategie der Regierung auf. Doch gerade Läden, die aufs Künstlerische und auch auf Eigeninitiative setzen, scheinen damit einigermaßen stabil durch die Krise zu kommen. Das Milla im Münchner Glockenbachviertel ist ebenfalls so ein Beispiel. Dort finden normalerweise Konzerte statt, gefeiert wird erst hinterher. Wieder und wieder musste Milla-Booker Thomas Schamann in den vergangenen Monaten Künstler*innen ein- und dann wieder umbuchen. Zu tun hat er so nicht weniger als früher. Aber seit Corona kann er die Früchte seiner Arbeit nicht ernten. Und doch sagt er: „Wir kommen über die Runden. Froh und dankbar“ sei er darüber. Dem Milla gelingt das Durchhalten auch dank eines kleinen Münchner Wunders: Die Vermieterin hat dem Club einen Nachlass gewährt.

Einen bescheidenen Biergarten konnten die Betreiber im Sommer auch unterhalten, was zwar nicht viel Geld in die Kassen spülte, aber die Motivation stärkte. „Wir konnten daraus viel Positives ziehen“, sagt Schamann. Denn es baue einfach auf, ab und zu mit einem Stammkunden zu sprechen. Ein paar T-Shirts haben auch die Milla-Macher verkauft, Filmdrehs fanden ebenfalls statt. Partys zu feiern war aber auch hier natürlich undenkbar. Schamann versteht die Vorsicht: „Wenn die Oma der DJane stirbt, ist niemandem geholfen.“ Anfang der vergangenen Woche gab es für Schamann noch einen Silberstreif am Horizont: die Aussicht auf Fördergelder der Regierung von Oberbayern, die es ermöglicht hätten, bestuhlte Konzerte vor kleinem Publikum anzubieten – und die Künstler einigermaßen anständig bezahlen zu können. Mit dem Lockdown light ist diese Hoffnung allerdings in weite Ferne gerückt.

„Ungewissheit“ sei nun mal das Schlagwort der Zeit, sagt Schamann. Die Zukunft malt er nicht sonderlich rosig. Einige Clubs, schätzt er, werden in den kommenden Monaten auf der Strecke bleiben. Andere werden neu aufmachen, wenn die Zeiten wieder normaler sind. Traurig sei es trotzdem um jeden, der schließen muss. „Wenn die Leute so viel Liebe, Schweiß und Geld reingesteckt haben und alles verloren geht, ist das sehr, sehr bitter.“

Einer der Tontechniker ging sogar zum Spargelstechen

Sorgen macht sich Schamann vor allem um die 450-Euro-Kräfte und all die Freischaffenden, ohne die kein Club existieren könnte. Einer der Mitarbeiter, ein Live-Tontechniker, erzählt er, sei im Frühjahr sogar zum Spargelstechen gegangen, um an Geld zu kommen. Auch die Leute, die an der Bar gearbeitet haben, habe es „schwer erwischt“. Fleming kann das nur bestätigen.

Dass es das Harry Klein geschafft hat, seine Betriebskosten im Frühjahr fast zu halbieren, liege auch daran, dass die vielen 450-Euro-Kräfte, die im Club an der Theke, vor der Tür oder an der Garderobe standen, nun nicht mehr im Einsatz seien. Sie gingen nun leer aus und bräuchten dringend Unterstützung, fordert Fleming, der mit seinen Leuten nach wie vor in Kontakt ist. Denn keine Frage: Sein Club werde irgendwann wieder aufmachen. Die Anlage, die Belüftung, das Raum-in-Raum-System, in dem Wände auf Federn stehen, um die Vibrationen der Bässe zu schlucken – all diese Investitionen sollen nicht umsonst gewesen sein.

Bis das Harry Klein wieder öffnen darf, könnten allerdings noch viele Monate vergehen. Sinkende Infektionszahlen und dringend benötigte Impfstoffe lassen auf sich warten. Fleming ficht das nicht an, im Gegenteil. Er findet es „cool, dass man während Corona den Wert des Lebens gegenüber der Wirtschaft hochhält“, sagt er und betont: „Das hat mir persönlich wahnsinnig gut gefallen.“
(Monika Goetsch)

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