Leben in Bayern

Die katholische Busseelsorgerin Christa Klebba. (Fotos: dpa)

16.10.2018

Nächster Halt: Seelenheil

Christliche Seelsorge findet längst nicht mehr nur in der Kirche statt. Eine Unterfränkin ist Bus-Seelsorgerin

Im Linienbus nach Aschaffenburg sitzt Christa Klebba am liebsten vorne rechts. Und dann wird der Bus zu ihrem Arbeitsplatz. Die 64-Jährige ist Bus-Seelsorgerin. Deshalb nimmt sie auch gern die Buslinie von Schöllkrippen nach Aschaffenburg, die für die Strecke länger unterwegs ist. "Der Weg ist schöner", sagt sie dazu. Und das sei wichtig für ihre Arbeit, dann könne sie die Leute auf die Schönheit der Schöpfung hinweisen. Klebba ist Gemeindereferentin in Aschaffenburg. Und auf dem Weg zur Arbeit und zurück berät sie seit zwei Jahrzehnten immer wieder Fahrgäste in verschiedenen Lebenssituationen. Vor zwei Jahren machte sie die Bus-Seelsorgearbeit offiziell.

Begonnen hat alles mit alltäglichen Gesprächen auf der Busfahrt. Mittlerweile kommen die Leute auch gezielt zu ihr oder machen telefonisch einen Termin aus. Bei anderen ergibt sich ein spontanes Gespräch. Fragen wie "An welcher Haltestelle ist das Klinikum?" geben der 64-Jährigen einen Ansatzpunkt, Nachfragen zu stellen. Nicht immer erzählt sie von ihrem Job. Manchmal erklärt sie auch einfach nur die günstigsten Fahrkartenpreise. Es ist eine Art unverbindliche Lebensberatung. Die Bandbreite ihrer Kunden ist vielfältig - von Schülern bis zu Senioren. In ihrem Rucksack hat sie immer Infoflyer für kirchliche Angebote - und Notfallsüßigkeiten.

Die Laien- und Reformbewegung "Wir sind Kirche" wertet die Entwicklungen bei der Seelsorge positiv. "Kirche sind die Menschen. Deswegen darf Kirche sich nicht nur um sich selbst kreisen, sondern muss dahin, wo die Menschen sind", sagt Sprecher Magnus Lux. "Es ist zu begrüßen, wenn neue Wege gefunden werden, wo Kirche sich ereignet."

In den vergangenen Jahrzehnten habe sich das Bild der Seelsorger gewandelt, sagt Nicola Berstecher, Vorsitzende des Deutschen Dachverbandes Christlicher Berater und Beraterinnen. Während Seelsorge sich früher vor allem um geistliche Fragen gedreht habe, gehe es jetzt um alle Lebensthemen, "wie etwa Partnerschaft". Mit diesem Wandel hätten sich auch immer mehr Laien zum Seelsorger ausbilden lassen. Der Bedarf nehme zu: "Was früher vielleicht noch Großfamilien und Freunde aufgefangen haben, macht jetzt die Seelsorge. Da Menschen zum Beispiel durch das Leben in der Großstadt immer mehr vereinsamen, steigt die Nachfrage nach institutionalisierter Hilfe." Unkonventionelle Arbeitsplätze wie der von Klebba seien aber noch die Ausnahme, so Berstecher weiter.

"Im Bus lernt mal viel über Menschen"

Zumindest im Internet kursieren die wildesten Angebote. Ob Seelsorge im Supermarkt, bei der Nagelpflege oder auf der Raststätte - die "Seelsorge to go" scheint im Kommen zu sein.
Martin Grabe, Vorsitzender der Akademie für Psychotherapie und Seelsorge, betont deshalb auch die Verantwortung, die ein Seelsorger habe. Die Gefahr bestehe darin, dass Menschen erwarten, ihr Problem könne schnell "weggebetet" werden. "Es gibt durchaus Situationen, wo auch ein kurzes Gebet Menschen den Kopf zurechtrücken kann, neue Hoffnung vermitteln kann, ihnen neues Handeln ermöglicht." Es sei aber auch Aufgabe des Seelsorgers, zu entscheiden, ob der Betroffene psychotherapeutische Hilfe benötigt.

Bei dem Auslandssekretariat der Deutschen Bischofskonferenz steht Seelsorge auf Kreuzfahrten oder Pilgerreisen schon länger auf dem Programm. Referent Gregor Spieß sagt, dass Menschen auf Reisen zur Ruhe und ins Nachdenken kommen, deswegen sei die Begleitung dort wichtig. In der mobilen Seelsorge wie der von Christa Klebba sieht er vor allem eine Chance: "Es ist ein Türöffner." Gerade durch die Unverbindlichkeit werde eine erste Hemmschwelle genommen. "Das Gespräch kann die Schlüsselfunktion haben, dass der Mensch sagt, ich gehe den Weg weiter. Aber das können wir nicht beeinflussen, das liegt an dem Menschen selbst."

Das steigende Angebot an unkonventionellen Seelsorgeorten führt Spieß auf eine zunehmende Individualisierung in der Gesellschaft zurück. Dies habe zwar den Vorteil, "dass jeder so leben kann, wie er will". Es bedeute aber auch, dass ein Stück Gemeinschaft verloren gehe. "Je mehr Menschen isoliert oder vereinsamt leben, umso wichtiger ist es, Orte zu haben, wo man vertraut reden kann."

Und das kann eben auch der Bus sein. Klebba macht zudem auch nicht nur auf die Gottesdienste aufmerksam. Sie versucht vor allem, zu mehr Gemeinschaft anzustiften. Erzählt von einem Seniorenmittagstisch oder einem Jugendbildungszentrum in Aschaffenburg. "Oft treffe ich die Leute dort dann wieder." Viele Menschen stünden heute der Kirche nicht mehr nah. Mit der Bus-Seelsorge erlebten sie "Kirche mal wieder anders", ist sie überzeugt. Und Klebba findet ohnehin, dass Pfarrer und Priester viel mehr mit dem Bus fahren sollten: "Da lernt man so viel über die Menschen!".
(Anja Meusel, dpa)

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