Leben in Bayern

Liebevoll hergerichtet ist das Bett in einem Zugabteil. Die Stadt Bogen hat den ausrangierten Waggon von der Bahn übernommen. Der Aufenthaltsbereich ist luftig gestaltet, hinten sieht man die Dusche (im Uhrzeigersinn). (Fotos: Bäumel-Schachtner)

05.05.2023

Pension auf Schienen

Urlaub mal anders: Am Bahnhof der Stadt Bogen kann man in einem ausrangierten Bahnwaggon komfortabel übernachten

Am Bahnhof Bogen ist Endstation für Stress und Hektik. Denn dort auf den Gleisen steht ein historischer Bahnwaggon, in dem man in weiche Kissen sinken, die Abteiltür schließen und dann eine ganz besondere Nacht erleben kann. Dieser Waggon befindet sich dort bereits seit 2019, doch er war etwas angestaubt. Seit Mai 2022 heißen die Betreiber Alida und Andreas Rontani. Sie haben die Pension auf Schienen ganz schön aufgehübscht. Und das mit Erfolg: Gleich im ersten Jahr kamen zahlreiche Gäste, die eine ganz besondere Übernachtungsmöglichkeit gesucht hatten, und auch die Stadt Bogen ist begeistert vom neuen Pächter-Paar.

Stolz öffnet Andreas Rontani (46) die Tür zum Bahnwaggon mit seinem Schlüssel. Der Blick fällt auf eine Reihe von abschließbaren Abteilen, in denen keiner mehr Platz nimmt, um irgendwohin zu fahren, sondern vielmehr, um auf einer Reise Rast zu machen. Jedes Abteil ist zu einem gemütlichen Doppelbett umgebaut worden. Liebevoll aufgeschüttelt und drapiert sind die Kissen. Im hinteren Teil des Eisenbahnwaggons befindet sich ein origineller Aufenthaltsraum, in dem gespielt und gelesen werden kann. Und bei schönem Wetter kann auch die Terrasse am anderen Ende des Zugwagens genutzt werden.

Zwölf Gäste können maximal pro Nacht unterkommen

Im Schnitt eine Nacht bleiben die Reisenden, die in dieser außergewöhnlichen Pension übernachten wollen, das ist die Erfahrung von Andreas Rontani nach der ersten Saison. „Es sind viele Radtouristen dabei, aber auch Menschen, die etwas Besonderes suchen“, sagt er. So zählen auch einige Motorradfahrer zu den Übernachtungsgästen. „Und einmal hatten wir zehn Mädels, die einen Ausflug gemacht haben“, sagt er. Maximal zwölf Gäste einer Gruppe finden in dem Waggon Unterschlupf. Es gibt natürlich eine Dusche, eine Waschmöglichkeit und Toiletten. Und wer Frühstück möchte, der bekommt bei den Bäckereien in der Nähe seinen Kaffee und seine Semmeln. Die Rontanis möchten die Bäckereien bewusst unterstützen und bieten daher nichts Eigenes an.

Wie aber kommt ein Ehepaar zu so einem besonderen Zugwaggon? Das Ehepaar zog mit seiner Eisdiele Fontanella vom Bogener Stadtplatz an den Bahnhof – und da bat die Stadt die beiden, zusätzlich die Pension auf Schienen zu betreiben. „Das war 2022 ein ganz schön forderndes Jahr, denn wir haben am Stadtplatz unsere Eisdiele betrieben, zugleich das neue Lokal am Bahnhof renoviert und eingerichtet und uns dann auch noch darum gekümmert, dass der Waggon in neuem Glanz erstrahlt und sich die Menschen auch wirklich wohlfühlen“, erzählt Rontani.

Ein Übernachtungsbetrieb war für das Paar auch etwas völlig Neues. Die Familie des in Regensburg geborenen, aber in Florenz aufgewachsenen Gastronomen führte zwar in der italienischen Heimat eine Pension, aber Rontani selbst hatte keinerlei Erfahrung damit. Genauso wenig wie seine Frau, die ebenfalls aus einer Gastronomen-Familie stammt, die in Deggendorf schon in den 50er-Jahren eine Eisdiele betrieb. Doch beide fuchsten sich hinein. Sie überlegten sich ein Konzept für den Waggon, suchten Farben aus, bestellten Lattenroste, kauften Kissen und Handtücher.

Die Gäste honorieren die Bemühungen offensichtlich: „In unserem ersten Jahr waren über 200 Übernachtungsgäste da. Damit sind wir sehr zufrieden“, bilanziert Rontani. Die Gäste kamen aus ganz Deutschland, aber auch aus Frankreich und Mexiko. Und es waren etliche Senior*innen dabei. Zu groß dürfen die Gäste allerdings nicht sein: Wer 1,95 Meter misst, dem wird das Bett im Waggon zu kurz sein.

Dass ein mehr als 50 Jahre alter Waggon der Deutschen Bahn zur Pension werden konnte, daran hat der frühere Bogener Bürgermeister Franz Schedlbauer einen entscheidenden Anteil. Er saß eines Abends gemütlich mit Anton Stiebler von der DB Regio Netz zusammen. Sie beide überlegten, wie der Bogener Bahnhof mehr belebt werden könnte, wie der Bogener Kulturamtsleiter Christian Freundorfer erzählt. In „Schnapslaune“ entstand dann die Idee, dass der Waggon als Dauerleihgabe mit Vertrag von der Deutschen Bahn an die Stadt Bogen ging, die die Pflicht hat, ihn auch instand zu halten.

„Die Stadt hat ihn entkernt, ausgebaut und umgebaut, dabei haben auch Förderprojekte geholfen“, so der Kulturamtsleiter. Für ihn ist die Pension auf Schienen „ein Leuchtturmprojekt, einzigartig in Bayern“. Und die Familie Rontani ist nach seinem Bekunden für die Stadt Bogen ein Glücksfall: „Sie haben es super schön hergerichtet.“

Dank Klimatisierung ist auch der Hochsommer kein Problem

Darauf sind auch Andreas und Alida Rontani stolz und freuen sich auf weitere Gäste. Der Pensionsbetrieb beginnt im März und ist auch im Hochsommer kein Problem, denn der Zugwagen ist klimatisiert. Gebucht werden muss mindestens einen Tag vorher – außer, es kommt wirklich mal ein Radtourist vorbei, der spontan eine Unterkunft braucht.

Jeden Gast heißen Andreas und Alida persönlich willkommen und zeigen ihm alles. Für das Ehepaar ist diese völlig neue Herausforderung eine Freude: „Es ist toll, wer will schon jahrelang immer das Gleiche machen?“, sagt Alida Rontani. „Als wir den Waggon hergerichtet haben, kam auch die Begeisterung. Es ist kein Hotel – es ist etwas Besonderes!“ (Melanie Bäumel-Schachtner)

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