Leben in Bayern

Philosophiestundent mit 66 Jahren: Franz Wimmer. (Foto: PeterKneffel/dpa)

14.05.2019

Platon statt Rosenzüchten

So mancher Rentner will es noch einmal wissen. Der eine läuft Marathon, die andere geht als Au-pair-Oma ins Ausland. Und immer mehr Senioren stellen sich den Herausforderungen zwischen Hörsaal und Bibliothek - und beginnen zu studieren

Im Ruhestand die Füße hochlegen - das finden immer weniger Senioren erstrebenswert. Stattdessen wollen viele in der arbeitsfreien Lebensphase ihre grauen Zellen neu fordern: Als Studenten an einer Universität befassen sie sich auch im hohen Alter noch mit Kant und Hegel, vertiefen sich in die römische Geschichte, beschäftigen sich mit Rembrandts Maltechnik oder lernen Altgriechisch und Latein.

"Es gibt keine offiziellen Zahlen", berichtet Bernd Werner Schmitt vom Akademischen Verein der Senioren in Deutschland. Der AVDS habe aber aus allen zur Verfügung stehenden Daten versucht, eine Richtgröße zu ermitteln. "Wir kommen auf 55 000 Seniorenstudenten, wenn man alle drei Studienformen zusammenzählt: den klassischen Gasthörer höheren Alters, die Studierenden in strukturierten Studiengängen für Senioren und Vollzeitstudenten ab 60 Jahren."

Grundsätzlich kann jeder mit Hochschulreife in Deutschland ein reguläres Studium aufnehmen, unabhängig vom Alter. Wer den Prüfungsstress aber vermeiden will, nimmt besser als Gasthörer an Vorlesungen und Seminaren teil - an den meisten Unis auch ohne Abitur.

An etwa jeder dritten Universität gibt es darüber hinaus speziell auf Ältere abgestimmte Angebote, etwa unter dem Namen Seniorenstudium oder Universität des Dritten Lebensalters. Mit Ausnahme der Zertifikatsstudiengänge entfallen auch hier die Prüfungen und wissenschaftlichen Arbeiten. Und in der Regel reicht Mittlere Reife oder sogar Berufserfahrung als Zugangsvoraussetzung aus. Eine Ausnahme ist Bayern - dort wird von mehreren Unis auch für das Seniorenstudium das Abitur verlangt.

An der Münchner LMU gibt es ein "Zentrum Seniorenstudium"

Eine Sonderrolle in der bundesweiten Landschaft nimmt ohnehin die Ludwig-Maximilians-Universität München ein. "Wir sind eine interfakultäre Einrichtung, sind also nicht irgendeiner Fakultät oder Weiterbildungseinrichtung zugeordnet", erläutert die Direktorin vom "Zentrum Seniorenstudium", Elisabeth Weiss. Die Konsequenz: Die Fakultäten entscheiden gemeinsam über das Programm. "Wir müssen nicht bitten und betteln." In anderen Städten steht hinter dem Seniorenstudium häufig ein eingetragener Verein, der zwar auch die Unterstützung der jeweiligen Universität bekommt, aber doch ein anderes Standing hat.

Der Überblick über die unterschiedlichen Möglichkeiten fällt selbst den Experten vom AVDS schwer: "Ich würde mir wünschen, dass die 15 bis 20 Unis mit eigenständigem Seniorenstudium es schaffen würden, ihr Seniorenstudium zu normieren. Etwa fünf Semester mit einem Semester als Einführung, drei Semestern Hauptstudium und dann ein Semester mit einer Abschlussarbeit", sagt Schmitt.

Er geht davon aus, dass die Zahl der Seniorenstudenten weiter steigt, je mehr Babyboomer - die oft in jungen Jahren nicht die Möglichkeit hatten zu studieren - in Rente gehen. Auch das Bundesbildungsministerium begrüßt es, "dass die Hochschulen alle Altersgruppen aktiv einbinden". Allerdings liege der primäre Fokus des Bundes auf der beruflichen Weiterbildung und auf Menschen, die noch langfristig eine berufliche Tätigkeit ausüben können.

Mit anderen Worten: Nice to have, aber nicht essenziell. Für die Seniorenstudenten selbst hingegen ist das Studium manchmal regelrecht sinnstiftend. Und der Kontakt mit den jungen Kommilitonen erweitert in vielerlei Hinsicht den Horizont - auch wenn es zwischen den Generationen durchaus auch mal knirscht.

Franz Wimmer jedenfalls ist von seinem Studium der Philosophie ganz begeistert. Der 66-Jährige aus dem oberbayerischen Tacherting studiert im zweiten Semester und verlässt dafür an ein bis zwei Tagen in der Woche sein 600-Einwohner-Dorf gen München. Die gut zweistündige Anreise nimmt er gern in Kauf, lehre ihn das Studium doch ganz neue Denkweisen: "Das ist so interessant und so prickelnd. Ab dem Zeitpunkt, an dem man einsteigt, hat man das Gefühl, man sieht die Welt anders!"
(Elke Richter, dpa)

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