Leben in Bayern

Josef bei der Arbeit in der Himmelswerkstatt. Er zeigt, wie auch Rosi selbst ihre Kindln formt. (Foto Gärtner)

09.12.2011

Rosis Himmelswerkstatt

Gerade wurde Deutschlands erstes Christkindl-Museum eröffnet: In der Chiemgau-Gemeinde Siegsdorf zeigt Rosi Bauer ihre Schätze

Bisher gab es nur ein einziges auf der Welt: Im Christkindl-Museum „Il Divino Infante“ im italienischen Gardone stellt die deutsche Sammlerin Hiky Mayr seit rund fünf Jahren vor allem süd- und oberitalienische Jesusknabenfiguren aus. Nun aber hat auch Deutschland sein erstes eigenes Christkindl-Museum – dank der Chiemgauerin Rosi Bauer. Und während die italienische Ausstellung in einem Palast untergebracht ist, begnügt sie sich „mit einer Hütte“. So bescheiden äußert sich Rosi Bauer, wenn sie über das glückliche Ende ihrer „Herbergs-Suche“ für ihr „Schatzkästlein“ spricht.
Jeder kann nun die einzigartige Kollektion alter und durch Bauers kunsthandwerkliches Können wiedererstandener, aber auch ganz neu gestalteter Christkindl bewundern. Die Chiemgau-Gemeinde Siegsdorf stellte der Sammlung ihrer engagierten Bürgerin das Alte Feilhaus, direkt neben dem bekannten Mammut-Museum, zur Verfügung. Seitdem scheint der zweite Stock nun unter der Last der „geballten Ladung“ herrlicher volkstümlicher Sakralkunst fast zusammenzubrechen.

200 Jesuskind-Figuren aus vier Jahrhunderten


Eine glückliche Hand hatte die 1942 in Aufham geborene Rosi Bauer dabei, ihre Trouvaillen nicht nur augenfällig auszubreiten, sondern auch sachlogisch zu ordnen. Ihr Anliegen dabei war, die früher bedeutenden Jesuskind-Wallfahrten Europas in Erinnerung zu bringen und sie mit Bildwerken, Gnadenbildkopien vielerlei Art – Plastiken, Grafiken, Gemälden, Devotionalien und Klosterarbeiten – zu belegen. Denn während viele Marienwallfahrtsorte bis heute immer noch sehr bekannt sind, sind die Jesuskindwallfahrtsorte fast komplett aus dem Gedächtnis der Leute verschwunden.
Also gaben Rosi Bauer die verschiedenen Länder die Anordnung der Ausstellungsstücke in den einzelnen, freilich räumlich bescheidenen Zimmern vor. Österreich ist nun in einem „Kammerl“ beherbergt, das zuvor Bad, Toilette und Dusche in einem war. Jetzt aber prangen darin so kostbare Stücke wie Kopien des Salzburger Loretokindls, des Steyrer Christkindls, des Jesuskinds von Filzmoos, des Elisabethenkindls oder des Salzburger Domkindls – oft sogar in mehrfacher Ausgabe.
Es gibt kaum ein Exponat, das nicht, beziffert oder mit Buchstaben versehen, akribisch aufgelistet ist. Dabei kam Rosi Bauer ihr reiches Wissen um die Verehrung des Jesuskindes – von Italien, Portugal, Spanien, Frankreich über die Alpenländer bis Deutschland – zupass. Zu einem Katalog ihrer Sammlung soll es in den nächsten Jahren kommen. Vorerst hat sie zwei reich bebilderte Broschüren auf eigene Kosten herausgebracht, eine über Jesuskind-Wallfahrten und eine über Klosterarbeiten, auf deren Restaurierung sie sich sehr gut versteht.
 In vier Räumen sind nun die Christkindl zu sehen – mehr als 200 Stück aus vier Jahrhunderten haben bei Rosi Bauer ihren festen Platz. Besonders beliebt waren die in Frauenklöstern gefertigten Fatschenkindl, die ihr Vorbild im Münchner Augustiner-Kindl haben, das noch heute zur Weihnachtszeit in der Oberkirche der Bürgersaalkirche in München zu sehen ist. Fatschen kommt aus dem Lateinischen: Facia heißt auf Deutsch Binde.
Den fünften Raum aber hat Bauer ihrer „Himmelswerkstatt“ gewidmet. Hier zeigt die Kunsthandwerkerin, wie Figuren entstehen beziehungsweise wie sie sie restauriert. Man sieht in dem Zimmer zudem halblebensgroße, gewandete Wachsfiguren, die ihr aus einer aufgelösten Klosterwerkstatt in Linz zugefallen waren. Ursprünglich als Krippenfiguren vorgesehen, zeigt Rosi Bauer die Eltern Jesu bei der Arbeit: Während die Engel das gefatschte Kindl umsorgen, stickt Maria. Und Josef tut, was Rosi Bauer lernen musste, um diese und andere „vom Zahn der Zeit ramponierten religiösen Gegenstände wieder in einen verehrungswürdigen Zustand zu bringen“.
Um den Christkindln Glasaugen einzusetzen, galt’s, die alte Hohlgusstechnik zu erlernen – so wie Josef es fortan dem Besucher des Christkindl-Museums zeigt. Außerdem können Interessierte die Materialien sehen, mit denen Rosi Bauer vor vierzig Jahren – so lange ist sie schon in ihrer „Kinderklinik“ tätig – ihre, wie sie es nennt, Himmelswerkstatt eingerichtet hat. Auf Dachböden in Frauenklöstern und Flohmärkten fand die Liebhaberin religiöser Volkskunst, was sie für ihre Reparaturen benötigte. Ob alte, wertvolle Stoffe, Nähutensilien, Auszierschmuck, Kronen, Pailletten, Bouillondrähte, Goldborten, Perlen oder Glasfluss – alles findet sich in Rosis Himmelswerkstatt. Und sogar Kirchen, Klöster und Ordensleute profitierten bereits davon.
Manchmal aber braucht auch Rosi Bauer Hilfe. Dann zum Beispiel, wenn sie einen neuen Heiligenschein für eines ihrer Kindln benötigt. Zum Glück aber ist sie mit einem Kunstschmied aus der Nähe gut befreundet.
Ihre erste Ausstellung hatte die Siegsdorferin übrigens bereits vor 21 Jahren im Münchner Jagd- und Fischereimuseum. Dem Kölner Kardinal fertigte sie auch schon mal ein eigenes „Augustinerkindl“ an. Und der Ruf ihrer Himmelswerkstatt drang bis in den Libanon, die Ukraine, die Schweiz.
Jetzt aber hat Rosi Bauers Himmelswerkstatt im Alten Feilhaus im zweiten Stock ein festes Zuhause gefunden.  Und befindet sich in guter Nachbarschaft, denn im ersten Stock  „Kunst und Kultur“ stellen je nach Anlass und Jahreszeit Kunsthandwerker aus.  Historische Christbäume und ein nostalgischer Weihnachtsmarkt lassen sich noch im Advent bewundern – an Wochenenden und Feiertagen zwischen 10 und 17 Uhr. Für Gruppen ab fünf Personen öffnet Rosi Bauer ihr Christkindl-Museum aber auch unter der Woche.
(Hans Gärtner)

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