Leben in Bayern

Nach zwei Jahren Pause: Rainer Maria Schießler arbeitet wieder auf der Wiesn – als Bedienung im Schottenhamel-Zelt. (Foto: privat)

11.09.2015

Schuften für Fonsis Syrien-Hilfe

Der Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler verbringt seinen Jahresurlaub auf der Wiesn – als Bedienung im Schottenhamel-Zelt

Was haben der Engel Aloisius und der wohl bekannteste Pfarrer Münchens, Rainer Maria Schießler, gemeinsam: Ein Herz für die bayerische Bierkultur, die ja für Gemütlichkeit, Geselligkeit und Heimatverbundenheit steht. Versumpft der eine jedoch hinter seinem Bierkrug im Hofbräuhaus und vergisst dabei die göttlichen Eingebungen für die Bayerische Staatsregierung, krempelt Schießler die Ärmel hoch und schuftet auf dem Oktoberfest für einen wohltätigen Zweck. „Ich brauch’ immer ein Ziel, etwas worauf ich hinarbeiten kann“, betont der Stadtpfarrer mit bayerischem Temperament im Gespräch mit der Staatszeitung. Und das hat er in dem Verein Orienthilfe des Kabarettisten Christian „Fonsi“ Springer und der Schauspielerin Susanne Osthoff gefunden. Sämtliche Einnahmen und Trinkgelder dieser zwei arbeitsreichen Wochen gehen direkt an den Verein.

Am letzten Sonntag der Sommerferien segnet er Autos – inklusive Bobby Cars

Pfarrer Schießler sitzt in seinem Büro an der Heilig Geistkirche im Münchner Tal. „Das ist wohl eine der schönsten Kirchen Münchens“, schwärmt er mit einem Augenzwinkern. Der Pfarrer kommt direkt vom Gottesdienst, sein Hemd ist verschwitzt. Zeit hat er nicht viel. Seine Tage sind eng gepackt mit seelsorgerischer Tätigkeit für seine Pfarrei St. Maximilian und „Nebenbei-Pfarrei“ Heilig Geist. Er ist kreativ und unkonventionell, wenn es darum geht, Menschen in seine Kirchen zu holen. Entgegen aller Negativtrends schafft er es, neue Mitglieder für die Katholische Kirche zu gewinnen. So gab es auch heuer im Juli wieder eine „Viecherlmesse“ mit über 300 Besuchern. „Da ist ein Andrang – fast wie bei der Christmette“, freut er sich. Oder er segnet Fahrzeuge – inklusive Bobby Cars und Roller – immer am letzten Sonntag vor den Sommerferien. Da kann es dann auch schon vorkommen, dass er selbst mit seinem Motorrad vorfährt oder mit Inlineskates aus dem Gotteshaus kommt.

Und nun geht es heuer für ihn also wieder als Kellner auf die Wiesn – nach zweijähriger Pause. Bis zum letzten Tag habe er damals mit der Entscheidung gerungen. „Doch es war klar, ich muss eine Pause machen. Ich war nach sieben Jahren auf dem besten Weg, meine Wiesn zu verlieren“, versucht er seine Empfindung zu erklären. Er habe einfach nicht mehr so viel Geduld mit seinen Gästen gehabt, oftmals seien auch nur Leute gekommen, die den Pfarrer bei der Arbeit beobachten wollten. „Aber wir sind doch nicht bei einer niederbayerischen Rinderschau“, schnaubt er. Auf der Wiesn war er dann trotzdem jeden Tag – und erwischte sich dabei wie er schon mal den ein oder anderen Maßkrug abräumte. „Ich hab’ gespürt, hier findet ein Spiel ohne mich statt, mit dem ich einmal eng verbunden war. Wehmut war da auch dabei.“

2006 hat Schießler das erste Mal Maßkrüge im Garten des Schottenhamel-Zelts gestemmt – bis zu 14 Stück auf einen Satz. „Das war von mir nicht geplant“, erzählt er. Zufällig war er einmal mit dem Schottenhamel-Wirt bei einer Veranstaltung ins Gespräch gekommen. „Kann ich da auch mal arbeiten“, hatte er ihn gefragt und gleich die Zusage bekommen. Seine Einnahmen hat er in den vergangenen Jahren immer seiner Freundin Lotti Latrous überwiesen, die an der Elfenbeinküste ein Hospiz, eine Aids-Beratungsstelle für Frauen und ein Waisenhaus betreibt. Und die Spenden-Aktion wurde bald bekannt: „Es war toll. Die Leute kamen einfach zu mir und drückten mir bis zu 100 Euro in die Hand.“ Aber nicht nur die Gäste, auch die Kollegen unterstützten den Pfarrer mit der Sammlung von Trinkgeldern.

Schießler schwärmt: „Ich habe auf der Wiesn immer wunderbare Gespräche geführt und fantastische Menschen kennengelernt.“ Dabei sei die Arbeit auf dem Oktoberfest „mörderisch, man zählt die Tage rückwärts“, erzählt er. Doch wenn er abends total erschöpft ins Bett gesunken ist, wusste er, dass mit seinem Geld wieder zahlreiche Kinder und Jugendliche die nötigen Medikamente bekommen haben. Dennoch sei die Entscheidung, als Wiesnkellner-Pause zu machen, richtig gewesen. Einerseits stand ein neues Projekt damals an: 2012 startete seine BR-Sendung Pfarrer Schießler, eine neue Folge wird am 22. November ausgestrahlt. Zudem war Lotti Latrous selbst schwer erkrankt. Eine TBC hindert sie daran, heute noch regelmäßig selbst an die Elfenbeinküste zu reisen. „Sie nahm mir eine Last vom Herzen, als sie von sich aus vorschlug, ich solle mir ein neues Projekt suchen“, erzählt Schießler. Mehrere 100 000 Euro Spendengelder hatte er da bereits – auch dank  anderer vielen Aktionen – an Latrous überwiesen.

Lange überlegen musste Schießler nicht, wen er künftig unterstützen wollte. Christian Springer hatte er vor drei Jahren beim Schichtl auf dem Oktoberfest kennengelernt. Alle 14 Tage fliegt der Kabarettist nach Syrien, um mit unermüdlichem Einsatz vor Ort zu helfen. „Ich habe ihm damals angeboten, zu helfen. Nicht nur mit Geld. Es ist auch wichtig, sein Projekt bekannt zu machen“, berichtet Schießler. Seitdem gehen alle seine Einnahmen – darunter die  Gagen vom BR oder anderen Veranstaltungen – an Springers Verein. Und nun auch erstmals das Geld vom Oktoberfest-Einsatz, überkam Schießler doch heuer wieder der innere Ruf „seiner geliebten Wiesn“. Obwohl er eigentlich genug zu tun hätte: Er arbeitet mit einem Ghostwriter gerade an seinem ersten eigenen Buch. „Das wird so eine halbe Biographie“, sagt Schießler. Er will anhand seiner Geschichte zeigen, was die Kirche im Leben eines Menschen bedeuten kann. „Aber natürlich läuft da auch nicht immer alles richtig, und das werde ich auch sagen“, kündigt er an.

17 Tage volle Tische: Heuer bedient Pfarrer Schießler erstmals im Zelt

Doch jetzt steht erst einmal der Wiesn-Einsatz an erster Stelle. Ein Anruf beim Schottenhamel-Wirt genügte und schon hatte der Pfarrer wieder einen Job als  Bedienung. „Ich wollte aber etwas Neues ausprobieren, die vielen Leerzeiten bei schlechtem Wetter im Garten waren mir zu viel“, erklärt Schießler. Deshalb wird er heuer zum ersten Mal auf der Galerie im Zelt arbeiten. Das bedeutet 17 Tage volle Tische. Und neue Aufgaben wie Tische eindecken oder Abrechnung mit dem Wirt. „Das ist mein Jahresurlaub heuer“, betont er.

Schießler ist gespannt auf diese neue Aufgabe. Ein paar Tipps hat er sich bereits geholt und weiß deshalb: Es wird viel Arbeit. Gemeinsam mit seinem ehemaligen Garten-Kollegen Schorsch wird er acht Tische betreuen. „Er ist ein toller Kollege, dem ich voll vertrauen kann“, freut sich Schießler.
Ein kleines Problem allerdings gibt es noch zu lösen, und zwar eines mit seiner Katze Lissi. Denn Schießlers geliebter Stubentiger fordert jeden Morgen pünktlich um fünf Uhr sein Frühstück. „Da hilft es auch nichts, sie dem Bett und Zimmer zu verweisen. Dann steht sie nämlich vor der Tür und maunzt“, verrät er.
(Sabrina Schwenger) Foto: Pfarrer Schießler: Auch als Seelsorger hat der Münchner viele Fans; Schwenger

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