Leben in Bayern

Häftlinge tätigen am 09.02.2017 in einem Supermarkt innerhalb der Justizvollzugsanstalt in Hof (Bayern) ihre Einkäufe. Foto: Nicolas Armer/dpa

27.03.2017

Thunfisch und Fliegenklatschen: Einkaufen im Knast

Deoroller, Käse und Chips - der regelmäßige Gang zum Supermarkt ist für viele Menschen eine lästige Pflicht. Für Gefangene hingegen ist es oft das Highlight des Monats

Jahrein, jahraus Brot, Margarine und Marmelade zum Frühstück. Zum Trinken Wasser und Tee. Selten Besuche, eine Stunde Hofgang pro Tag - das Leben im Gefängnis ist kein Zuckerschlecken. Umso beliebter sind bei den Insassen die wenigen Möglichkeiten einzukaufen. Ganz oben auf den Einkaufszetteln: Tabak und Kaffee. Direkt danach folgen Süßigkeiten und Kuchen, auch Duschgel und Deoroller gehören zu den Favoriten - und Thunfisch.

"Viele Gefangene machen Kraftsport, da ist der Thunfisch ein proteinreiches Nahrungsergänzungsmittel", erzählt Marco Heinrich. Der selbstständige Edeka-Kaufmann aus dem oberfränkischen Regnitzlosau betreibt den Gefängnisshop in der Justizvollzugsanstalt Hof. Es ist ein sogenannter Sichtkauf: Einmal im Monat räumen Heinrich und seine Mitarbeiter die Regale ein, die Gefangenen schieben wie in einem normalen Supermarkt einen Einkaufswagen durch die Gänge - und rechnen akribisch aus, wie viel Geld sie für ihren Einkauf ausgeben müssen. Denn anschreiben lassen ist nicht.

Viel Geld haben sie ohnehin nicht zur Verfügung: Zwischen 9,64 und 16,07 Euro (ohne mögliche Zulagen) können Gefangene am Tag durch Arbeit verdienen. Von ihrem Lohn dürfen die Insassen 3/7 für den Einkauf verwenden, der Rest kommt auf ein Konto. Nur zu Weihnachten, Ostern und einem anderen Anlass - etwa dem Geburtstag - können Angehörige oder Freunde rund 100 Euro extra für einen größeren Einkauf einzahlen. Nicht-Christen haben drei frei wählbare Termine, wie das Justizministerium erläutert.

Nicht jeder bayerische Knast hat einen eigenen Laden

Nicht in allen bayerischen Gefängnissen gibt es einen Gefängnisladen wie in Hof. "In Bayreuth haben wir einen sogenannten Bestelleinkauf. Die Gefangenen kriegen eine Liste mit unzähligen Artikeln, auf der sie im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten ankreuzen können, was sie haben möchten", erläutert Regierungsdirektorin Maria Anna Kerscher, die als stellvertretende Anstaltsleiterin für Hof und Bayreuth zugleich zuständig ist.

"Dieser Bestellschein wird uns von der Anstalt übermittelt, und wir gleichen ab, ob der Kunde genug Geld hat oder bestimmte Waren für ihn nicht erlaubt sind", ergänzt Lieferant Werner Massak. "Dann wird die Ware zusammenkommissioniert, alles anonymisiert - wir haben keine Namen, sondern nur Buchnummern -, in Kisten gepackt und in einem versiegelten Laster zur JVA gefahren."

Massak hat das Geschäft professionell aufgezogen: Allein in Bayern beliefert der Oberfranke über 20 Gefängnisse, betreibt ein eigenes Logistiklager und beschäftigt bundesweit mehrere Hundert Angestellte.

"Das ist wirklich ein Spezialgeschäft, weil die Sicherheitsvorkehrungen so hoch sind", betont der Händler, der auch mehrere Supermärkte betreibt. Die Regeln sind streng: Kein Alkohol, auch nicht in der Marzipanschokolade oder dem Shampoo. Wegen der als Versteck geeigneten Hohlräume auch keine Kaffeemaschinen. Spitze Nagelscheren sind ebenfalls verboten. "Oder Hefe - da können Sie was Feines zum Trinken ansetzen. Schmeckt zwar nicht, aber macht blöd."

Deoroller verboten: Insassen haben den Alkohol rausgefiltert

"Wir können uns nicht ausmalen, was da alles passiert", bilanziert Massak nach vielen Jahren im Geschäft. "Denn in der JVA spielt eines keine Rolle: Zeit. Da kommt man auf die meisten dummen Gedanken." So hätten Gefangene schon den Alkohol aus einem Deoroller herausgefiltert - was sofort zu einem weiteren Produktausschluss vonseiten der Anstalt geführt habe.

Die kriminelle Energie sei eindeutig vorhanden, berichten Massak und Heinrich unisono. Angst hätten sie zwar keine, aber eine gewisse Distanz zu den Kunden sei in diesem Fall durchaus erwünscht. Zumal die beiden Händler immer wieder auch zum Opfer der Kriminellen werden. "Diebstahl ist überall, auch in der JVA", schildert Heinrich. Deshalb würden die Gefangenen am Ausgang inzwischen komplett gefilzt.

"Sie haben da ja auch Betrüger drin, die können einen um den Finger wickeln, ohne das Sie es merken", erzählt auch Massak. Im Großen und Ganzen aber gebe es wenige Schwierigkeiten. "Ohne Drogen und Alkohol sind die meisten Probleme ja weg. Außerdem sind wir die Guten, wir bringen Tabak, wir bringen Kaffee, wir bringen Lebensmittel - da sind die Jungs von der Einstellung her schon ganz anders." Das scheint zu stimmen: "Abgesehen von Besuchen ist das das Highlight des Monats", bestätigen drei Gefangene in der JVA Hof wie aus einem Mund, während sie ihren Wagen beladen.

Einzig die Preise sorgen hin und wieder für Unmut. Während Heinrich in Hof weitgehend identische Preise wie in seinem Edeka-Laden verlangt, räumt Massak eine "mittlere Preisschiene" ein. Da etwa die Hälfte des Umsatzes auf Tabak entfalle, bei dem die Gewinnmargen sehr gering seien, müsse er ähnlich wie eine Tankstelle kalkulieren. Geka

Info: Einkaufen in bayerischen Justizvollzugsanstalten
Gefangene in bayerischen Justizvollzugsanstalten dürfen auch hinter Gittern regelmäßig einkaufen. Das bayerische Strafvollzugsgesetz sieht vor, dass ihnen ein ausreichendes Sortiment an Nahrungs- und Genussmitteln sowie Produkten zur Körperpflege angeboten wird. Was genau erhältlich ist, ist Sache der jeweiligen Anstalt, wobei die Gefangenen über ihre Vertreter mitwirken dürfen. Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, können vom Einkauf aber ausgeschlossen werden; der Einkauf alkoholhaltiger Getränke ist generell nicht gestattet.

Abgewickelt wird der Einkauf der Gefangenen von selbstständigen Kaufleuten. Entweder gibt es direkt im Gefängnis einen Verkaufsraum oder die Gefangenen bestellen anhand einer umfangreichen Liste, in der die angebotenen Waren aufgeführt sind. Wie oft die Gefangenen im Monat einkaufen können, hängt von der Organisation der jeweiligen Anstalt ab. In der Regel dürften die Gefangenen die Möglichkeit haben, zweimal im Monat einzukaufen, erläuterte das bayerische Justizministerium. (dpa)

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