Karl Lagerfeld stattete Claudia Schiffer für ein Fotoshooting mit ihren kleinen Kunstwerken aus. Und auch Film- und Theaterproduktionen setzten schon auf Fächer und Masken von Dana Schneider. Anderen dienen sie als besondere Liebesbekundungen. Gelernt hat die Münchnerin ihr Handwerk in Venedig. Doch heute macht ihr die Billigkonkurrenz aus Fernost schwer zu schaffen.
Manche Herren lassen sich nicht lumpen, wenn es darum geht, ihrem Schatz ein besonders persönliches Geschenk zu machen. Zu welcher Gelegenheit oder zu welchem Outfit der Fächer, der kürzlich bei Dana Schneider aus München bestellt wurde, passen soll, hat der Kunde zwar nicht verraten. Aber vom Feinsten sollte er sein: die Stäbe aus exotischem Ebenholz, der Bezug aus Brokat. Ist das edle Fächergestell fertig, soll es sogar noch von einem Juwelier versilbert und der Stoff mit Brillanten besetzt werden. Das wertvolle Stück wird am Ende einen Wert von mehreren tausend Euro haben und dem Liebsten des Auftraggebers mit der geheimnisvollen Aura ausstatten, die den halbrunden Luftwedel seit Hunderten von Jahren umgibt.
Verliebt, eifersüchtig oder wütend? Einst zeigte Frau das mit dem Fächer
Requisiten für die elegante Camouflage sind die Leidenschaft von Dana Schneider seit mehr als zehn Jahren. Die Münchner Textildesignerin hatte es nach ihrem Studium an der Meisterschule für Mode und einigen Berufsjahren per Zufall nach Venedig verschlagen. Dort fand sie einen Job in einer Maskenwerkstatt. Obwohl selber ein eher unprätentiöser Typ, schwärmte sie schon lange für die geheimnisvollen Accessoires aus der Vergangenheit. „Und ich wollte immer etwas mit den Händen machen, nicht nur am PC sitzen“, erzählt die 40-Jährige.
Das außergewöhnliche Handwerk hat Schneider nicht mehr losgelassen. Sie ist Deutschlands einzige gelernte Masken- und Fächermacherin. 2008 eröffnete sie in München einen eigenen Laden: das „il teatro“ mit Masken und Fächern, aber auch Dreispitzhüten, Trauerspitzen, Umhängen und Federboas.

Große Modemagazine wie Cosmopolitan oder Elle haben bei Schneider schon bestellt. Karl Lagerfeld fotografierte Claudia Schiffer mit deren Accessoires. Die ARD klopfte für Spielfilme an, das Wiener Volkstheater für eine Bühnenproduktion und die Münchener Disco P1 bestellte eine große Menge an Requisiten für einen Maskenball.
Doch diese Zeiten sind vorbei. Die Werkstatt in der Lagunenstadt, in der sie gelernt hat, gibt es nicht mehr, erzählt Schneider. Die Billigkonkurrenz aus Fernost hat den beiden Besitzerinnen die Existenzgrundlage genommen. Und auch das il teatro in der Münchner Jahnstraße muss an diesem Wochenende schließen. Denn in Deutschland ist für diese Art von aufwendigem Kunsthandwerk der Boden ebenfalls schon lange nicht mehr golden.
Noch aber stehen handbezogene Stoff- oder Stabmasken in den Regalen, die Modelle à la Commedia dell’arte sind zum Beispiel mit Blattgold und Notenblättern dekoriert, zum Teil zieren Pfauen- und Entenfedern die Stirnpartie. Viele der Fächer sind aus edlen Hölzern gefertigt und mit echter Spitze bezogen. Schneiders ganzer Stolz, ein Fächer aus geschwungenem Wengeholz mit Erpelfedern, kostet knapp 600 Euro. Dahinter steckt Arbeit von zwei bis drei Tagen, vor allem aber ein individuelles Design.
Die Entwürfe macht die gelernte Modegrafikerin selber, die Fächergestelle lässt sie von einem Schreiner anfertigen und befestigt dann den filigranen Stoff daran. „Das ist eine Wissenschaft für sich“, verrät sie. Nur wenn ein Gestell exakt gearbeitet und der Stoff genau passend plissiert ist, dann „fließt“ der Fächer – das heißt, er öffnet sich mit einer kleinen Handbewegung und entblättert sein zuvor gehütetes Geheimnis: das Motiv.
Vor allem Bräute waren typische Kundinnen in Schneiders kleinen Ladens. Viele kamen mit Fotos von ihrem Brautkleid und wollten einen passenden Fächer gefertigt haben. Die wenigsten von ihnen aber werden gewusst haben, dass Fächer zu Zeiten des Barock und Rokoko eher zur Anbahnung von Beziehungen dienten. Ein Fächer gehörte zur Ausstattung einer Dame damals ebenso selbstverständlich wie heute die Handtasche und das edle Smartphone. Die kunstvoll gearbeiteten Stücke waren ausgesprochen wertvoll und ihre Handhabung verlangte einiges Geschick von den koketten Trägerinnen. Sogar eine Art „Fächersprache“ soll es gegeben haben, mit der amouröse Aufgeschlossenheit ebenso angedeutet wurde wie Wut oder Eifersucht.
Auch Masken sind heutzutage vor allem als billige Faschingsdeko gefragt, nur noch selten wollten Kunden von Schneider exklusive Modelle für Bälle und Mottopartys gefertigt haben. Im Venedig des 18. Jahrhunderts hingegen war das Tragen eine Selbstverständlichkeit und staatlich sogar reguliert. Es garantierte den gehobenen Herrschaften, sich innerhalb der Stadt anonym fortzubewegen.
Viele der bei uns bekannten Maskentypen sind der Commedia dell’arte entlehnt. Diese Theaterform entstand im Italien des Mittelalters, die Schauspieler waren bestimmten Charakteren und sozialen Schichten zugeordnet und nahmen das Alltagsleben aufs Korn. Die mit Blattgold und Notenblättern verzierte Augenmaske gehört zu Schneiders liebsten Stücken. Sie entstammt der Rolle der Columbina, der Gespielin des Gauners Harlekin.
Besonders gefragt: die schwarze Pestmaske mit dem langen Nasenfortsatz
Die aber sicher bekannteste Maskenform, die dem Betrachter unwillkürlich einen Schauer über den Rücken jagt, ist die des Pestarztes: Mit einem langen, schwarzen Umhang und einem Gesichtsüberzug mit langem Schnabel wollten sich die Mediziner damals vor der Ansteckung schützen. In dem langen Nasenfortsatz sollen sie Kräuter gestopft haben – gegen den „pestialischen“ Gestank. Auch solche Masken fertigt Schneider, sie sind aus Leder und gefragt. Zu welchem Anlass diese wohl getragen werden? Schneider zuckt mit den Schultern. „Die Kunden binden einem das natürlich nicht unbedingt unter die Nase“, sagt sie und schmunzelt. Aber die Verwendung für erotische Zwecke will sie natürlich nicht ausschließen.
Etwas Wehmut hört man schon heraus, wenn die ehemalige „Überzeugungstäterin“ in Sachen Koketterie und Verhüllung über die bevorstehende Schließung ihres Ladens spricht. Doch die Aufträge werden ihr nicht ausgehen, ihr online-Shop bleibt bestehen – auch in Zukunft wird Dana Schneider also dem Fächer- und Maskendesign treu bleiben. Auf Kundenkontakt muss sie ebenfalls nicht verzichten – allerdings ändert sich die Kundschaft. Schneider: „Inzwischen verdiene ich mein Geld hauptsächlich als Yogalehrerin.“ (
Gabi Peters)
Bild: Dana Schneider dekoriert eine Maske mit Blattgold – später wird diese noch mit Notenzeichen verziert. (Fotos: Peters)
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