Leben in Bayern

Eine der vielen DAV-Hütten: Die Winkelmoselalm bei Reit im Winkel. (Foto: Klaus Rose, dpa)

08.05.2019

Verehrer der erhabenen Bergwelt

Unwegsame Hänge, steile Felsen - wozu sich da hochquälen? Erst vor gut 200 Jahren begannen Menschen auf Berge zu steigen. Heute ist Bergsport eine Massenbewegung. Der Alpenverein hat das entscheidend befördert und wird 150 Jahre

Der größte deutsche Sportverein hat bescheidene Wurzeln: 36 Bergbegeisterte fanden sich am 9. Mai 1869 zur Gründungsversammlung im Münchner Gasthaus "Zur Blauen Traube" ein - um die "Durchforschung der gesamten deutschen Alpen" und "die erleichterte Bereisung derselben" voranzubringen. Heute hat der Deutsche Alpenverein (DAV) knapp 1,3 Millionen Mitglieder.

Vor 150 Jahren wollte die Gruppe um den Prager Kaufmann Johann Stüdl, den österreichischen Priester Franz Senn, den Buchhändler Theodor Trautwein und den Studenten Karl Hofmann vor allem die Ostalpen erschließen, für alle, die "reges Interesse für die Alpenwelt" haben.

Ziel sollte sein, "alle Verehrer der erhabenen Bergwelt zu vereinen". Noch im selben Jahr wurden erste Sektionen gegründet, so in Leipzig und Frankfurt. Binnen weniger Wochen hatte der Verein an die tausend Mitglieder. Mit Spenden und Mitgliedsbeiträgen kam der Bau von Hütten und Wegen rasch voran.

Es war der Beginn einer Massenbewegung in Richtung Alpen. Von 1873 bis 1945 gab es einen gemeinsamen Deutschen und Österreichischen Alpenverein (DÖAV). Heute ist der DAV weltgrößter Bergsportverband, die Mitgliederzahl steigt weiter. Wandern, Klettern, Skitourengehen und Mountainbiken boomen. Gut 30 Prozent der Mitglieder gehen in DAV-Hallen klettern, gut 20 000 Kursleiter bieten in 356 Sektionen jährlich rund 165 000 Kurse, Touren und andere Veranstaltungen an. Präsent ist der Verein flächendeckend weit über Bayerns Grenzen und die Alpen hinaus - nördlichste Sektion ist Flensburg.

Mitglieder schätzen Service und Vergünstigungen

Viele Mitglieder schätzen den Service und die Vergünstigungen auf den Alpenvereinshütten quer durch die Alpen. Der DAV übernimmt für Mitglieder weltweit die Rettungskosten, wenn beim Bergsport etwas passiert. Pro Jahr sind es mehr als tausend Mitglieder, die Unfälle bei der Versicherung des DAV geltend machen.

Als ADAC der Berge wurde der Verband vor ein paar Jahren ironisch betitelt. Nicht zuletzt unterstützte der Verband trotz Umweltbedenken die umstrittene Bewerbung Münchens um die Olympischen Winterspiele 2018. Bei der Bewerbung 2022 schwenkte er um und sprach sich dagegen aus. Als Naturschutz- und Sportverband hat der DAV immer wieder Interessenskonflikte zu überbrücken: Erschließen für den Sport - oder schützen für die Umwelt? Neue Skilifte und Schneekanonen lehnt der DAV ab. Um neue Klettersteige gab es hingegen immer wieder Debatten.
Inzwischen baut der DAV so gut wie keine neuen mehr. Auch neue oder größere Hütten wird es trotz des steigenden Andrangs nicht geben. Für Präsident Josef Klenner ist klar: "Wir müssen sorgsamer mit den Alpen umgehen. Der Klimawandel zeigt sich nirgends so wie im Alpenraum."

Der Spagat zwischen Erschließung und Umweltschutz begleitet den Verein seit gut hundert Jahren. In der Weimarer Republik nahm der Verband den Naturschutz in seine Satzung auf und setzte sich für den Erhalt unberührter Gebirgslandschaften ein.

Schon der Bau des - heute oft auf viele Wochen ausgebuchten - Münchner Hauses auf der Zugspitze ab 1894 war heftig umstritten. 1925 protestierten rund 4000 Menschen gegen die weitere Erschließung der Zugspitze mit einer Seilbahn und die damit aus ihrer Sicht einhergehende Industrialisierung der bayerischen Berge.

Zu wenig Frauen in Führungspositionen

Frauen waren anfangs in der Minderzahl. 1874 betrug die Frauenquote im Verein etwa zwei Prozent. Schließlich hatten sich noch bis ins 19. Jahrhundert Damen in schwankenden Tragestühlen in die Berge tragen lassen. Heute sind rund 44 Prozent der Mitglieder Frauen, vor allem an der Spitze könnte die Quote besser sein. "Es gibt zu wenig Frauen in Führungspositionen - das ist nach wie vor so", sagt Klenner.

Die Ursprünge des modernen Alpinismus liegen im 18. Jahrhundert. Vor allem Forschergeist trieb damals die Menschen auf die Berge. Aus naturwissenschaftlichem Interesse lobte um 1760 der Genfer Naturforscher Horace Bénédict de Saussure eine Belohnung für die Erstbesteigung des Mont Blanc aus, die 26 Jahre später gelang.

Auch der DAV, dem anfangs weniger hartgesottene Naturburschen als Professoren und Vertreter des gehobenen Bürgertums angehörten, sah in seinen Anfängen die Wissenschaft und die Kartierung von Gebieten als wichtiges Ziel. Die Vereinszeitschrift solle "ein Brennpunkt alpiner Forschung" sein, hieß es in der ersten Ausgabe. Zugleich entdeckten Sommerfrischler die Alpenregion, die Begeisterung für Natur und Berge stieg - und damit auch der Wunsch, sie zu besteigen.

Früh kam im Alpenverein Antisemitismus auf. Schon in den 1920er Jahren waren Wege mit Hakenkreuzen markiert, auf manchen Hütten stand ein Schild: "Juden unerwünscht". Ab 1933 ließ der Verband sich von der NSDAP in den Dienst nehmen. Kampfgeist, Kameradschaft und Hingabe für den "Gipfelsieg" bis zum Tod passten gut zu den Ideen der Nazis.

"Dass der DAV zur NS-Zeit und schon davor jüdische Mitglieder ausgeschlossen hat, ist uns heute jeden Tag eine Mahnung, dass wir offen und tolerant sein wollen und müssen gegenüber allen - egal welche Herkunft, sexuelle Orientierung, körperliche oder geistige Einschränkung sie haben", sagt DAV-Präsident Josef Klenner heute.

Auch der Profisport prägt den Verband. Er setzte sich für Klettern und Skitourengehen als Olympische Disziplin ein. Beim Klettern wird es nun in Tokio 2020 erstmals olympische Medaillen geben. Die Kader des DAV trainieren längst. "Wir hoffen, dass wir zwei Herren und mindestens eine Dame qualifizieren können", sagt DAV-Sprecher Thomas Bucher. Der Weg nach Olympia ist nicht nur für Athleten hart - er war es auch für die Sportart selbst. "Die Teilnahme an Olympischen Spielen ist für jede Sportart immer noch das Topereignis", sagt Klenner. "Es ist auch eine Frage der Reputation, dazu zu gehören."
(Sabine Dobel, dpa)

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