Leben in Bayern

Manchmal geht es für die Beamten der Wiesnwache auch etwas ruhiger zu. Foto: Lohmann

30.09.2011

Volksfest brutal

Saufen, bis der Notarzt kommt – Die Polizisten der Wiesnwache sind immer wieder schockiert über die Gewaltbereitschaft mancher Betrunkener

Ihre Mitarbeiter machen einen beinharten Job: die Wiesnwache. Denn wenn der Alkoholpegel steigt, wird aus der Gaudi beim Oktoberfest nicht selten Gewalt. Die Beamten bekommen dann alle Hände voll zu tun. Manchmal verbünden sich die Streithähne sogar gegen die Ordnungsmacht. Die BSZ begleitete die Polizisten auf ihrer Streife. Donnerstag, 16 Uhr. Während die Menschen in den Biergärten auf der Wiesn bei strahlendem Sonnenschein ihre erste Feierabendmaß genießen, beginnt für den Einsatzleiter der Bereitschaftspolizei (BePo) Josef Donaubauer und seine Truppe die Arbeit in der temporären Dienststelle. Obwohl es auf der Theresienwiese noch vergleichsweise ruhig zugeht, muss ein Beamter bereits sein zerrissenes Hemd wechseln. „Ein liebessüchtiges Mädchen“, scherzen die Kollegen.
23 Einsatzgruppen mit jeweils sechs bis acht Mann sorgen 17 Tage lang für Ordnung. Eigentlich sei die Anstellung auf dem größten Volksfest der Welt sehr beliebt, doch ab 18 Uhr steige der Alkoholpegel: „Am Wochenende sogar schon ab 12 Uhr und dann führen sich Besoffene auf wie die Tiere“, erzählt Donaubauer.


Randalierende Münchener sind in der Minderheit


Man sehe lediglich die Leute auf den Straßen, aber es sitzen insgesamt noch über 100 000 weitere in den Zelten. Fünf von ihnen sind für das erste Ausrücken verantwortlich: Hausfriedensbruch in der Bräurosl Festhalle. Per Digitalfunk hat die Zentrale Donaubauers Männer als naheste Einheit lokalisiert und ihnen den Einsatzbefehl gegeben. Daraufhin geht alles sehr schnell: Auf dem Weg durch die Massen wird der Gürtel mit Waffe, Handschellen und Schlagstöcken überprüft; Handschuhe werden angezogen und die verdächtigen Personen am Eingang N2 umstellt.
„Zuerst wird mit den Securitys gesprochen, wie die Situation ist, und danach wird weiterentscheiden“, sagt Thomas Kolahsa außer Atem vom Spurten.
Von dem Sicherheitspersonal ist zu erfahren, dass die Familie aus Thüringen ihren Tisch trotz eines Reservierungswechsels nicht verlassen wollte – weil die Bedienung so unfreundlich war. „Die haben noch nicht verstanden, dass auf der Wiesn alle Kellner unfreundlich sind“, stöhnt ein Gendarm aus dem Hintergrund. Dank des klärenden Gesprächs wird immerhin von Seiten der Bräurosl auf eine Anzeige verzichtet. „Münchner, die negativ auffallen, sind eher in der Unterzahl“, versichert Donaubauer.
Er bezieht sich dabei allerdings nicht auf Thüringer, sondern vielmehr auf Australier, Engländer, Franzosen und die 15 000 Italiener. In der ersten Woche habe einer von ihnen in fünf Metern Höhe auf einer Astgabel geschlafen und musste von Polizei sowie Feuerwehr gerettet werden. Kolahsa erinnert sich eine eine betrunkene Australierin auf dem Dach einer Verkaufsbude, die sich auf der Flucht mittelschwer verletzt hat. „Bei Einsätzen auf der Wiesn gibt es nichts, was es nicht gibt“, lacht er.
Aus diesem Grund gehen jedes Jahr französische und italienische Gesetzeshüter mit ihren deutschen Kollegen zusammen auf Streife. Manch einer schaue zwar komisch – wegen der fremden Uniformen. Der Einsatz der Beamten aus den Nachbarländern habe jedoch allein wegen der besseren Verständigung nur Vorteile, weiß Kolahsa.
Um Kommunikation geht es auch beim Präsenz zeigen: Mitten im Gedränge der Wirtsbudengasse hat sich das Team Rücken an Rücken zum so genannten Polizeiigel aufgestellt. Es dauert keine Minute, bis erste Fragen nach Fotos aufkommen. Donaubauer setzt kleinen Kindern seine Dienstmütze auf, posiert für angetrunkene Touristen und erklärt älteren Herrschaften, wo sich der nächste Bratwurststand befindet.
Ein Kollege überragt sie mit seinen 2,05 Metern alle und darf wohl als zusätzlicher Anziehungspunkt verstanden werden. „Eigentlich verstehe ich gar nicht, warum die Leute immer Fotos wollen“, murmelt Kolahsa. Es freue ihn allerdings, wenn er die bayerische Polizei nach außen repräsentieren dürfe und die Bilder anschließend in die ganze Welt transportiert werden.
Außerhalb des Oktoberfests müsse er Parkverstöße ahnden, hier könne man den Menschen helfen. „Daher ist ein Großteil des Publikums positiv eingestellt“, bestätigt Donaubauer. Erst gestern habe seine Mannschaft ein dreijähriges Mädchen auf der Wache unter Freudentränen dem dankbaren Großvater übergeben.
Problematisch wird es jedoch, wenn manche Besucher bereits mittags einen zu hohen Alkohollevel erreicht haben. „Dann wollen die einen trotz Aufforderung nicht aus dem Zelt heraus und die anderen versuchen, gewaltsam hineinzukommen“, weiß Kolahsa.
Manchmal werden die Polizisten ab dem frühen Abend von den Betrunkenen nur freundlich umarmt – nicht selten aber auch von renitenten Besoffenen mit Maßkrügen oder Messern attackiert.
Beleidigungen wie „Drecksau“ seien an der Tagesordnung. „Das muss man über sich ergehen lassen – oder sollte es zumindest“, fasst Kolahsa zusammen. „Vor allem die körperliche Gewalt geht an die Substanz“, ergänzt Donaubauer.


Betrunkener schläft
Rausch auf Baum aus


Ab 20 Uhr werde zunehmend randaliert und viele Gäste seien durch den Alkohol für Worte nicht mehr empfänglich. Die Polizei ist deswegen selbst nach Festschluss noch bis 2 Uhr in Alarmbereitschaft. „Zu dieser Zeit gibt es keine positiven Einsätze mehr“, klagt der Einsatzleiter und deutet mit dem Kopf in Richtung der vier provisorischen Gefängniszellen. Stiefeln oder mit dem Maßkrug zuschlagen sei für ihn nicht mehr tolerierbar. „Diese Hemmschwelle muss auch bei zwei Promille noch da sein“.
Keine zwei, aber immerhin 1,8 Promille stellen die Schutzmänner bei der folgenden Alkoholkontrolle eines Sechzehnjährigen fest. Dieser hatte sich mit seinen sieben Freunden ausgerechnet den Eingang zur Polizeizentrale für sein Ausnüchterungs-Schläfchen ausgesucht. Die Altersüberprüfung ergab zudem bei einem Begleiter, dass dieser erst 15 Jahre ist.
In solchen Fällen werden meist die Eltern informiert und die Jugendlichen zum Jugendamt gebracht. Dies liegt praktischerweise gleich eine Straße weiter. Kaum hat der Jugendberater vier von ihnen dahin mitgenommen, kommen die anderen Ordnungshüter mit dem nächsten berauschten Minderjährigen. Als Sisyphosarbeit empfindet Donaubauer seinen Job dennoch nicht: „Wir haben sie möglicherweise vor dem Krankenhaus bewahrt und sehen es als erzieherische Maßnahme.“
Ein Blick auf die so genannte Kotzwiese wirkt für Außenstehende hingegen eher ernüchternd: Selbst am Nachmittag ist der Hügel an der Theresienhöhe schon übersät von Alkoholleichen in allen erdenklichen Formationen. Inmitten der Verhaftung eines Drogendealers von Zivilfahndern und dem Ausrücken der Sanitäter berichtet Donauerbauer jedoch, wie „außergewöhnlich“ und „beliebt“ der Dienst auf dem Oktoberfest sei.
Die Einsatzbelastung sei letztes Jahr insgesamt eher rückläufig gewesen, und zur Halbzeitbilanz ist auch Polizeivizepräsident Robert Kopp zufrieden: Im Vergleich zum Vorjahr habe es bislang weniger Gewalt- und Sexualdelikte, berichtet der Beamte. So wird Kolahsa auch im nächsten Jahr zum zehnten Mal wieder zwischen den Festhallen patroulieren. „Privat würde ich aber nie hingehen“, gibt er zum Schluss zu.
(David Lohmann)

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