Leben in Bayern

Blick in die historische Werfthalle. Insgesamt beträgt die Ausstellungsfläche mit mehr als 74 Objekten 8000 Quadratmeter. Fotos: (Foto: Deutsches Museum)

15.09.2022

Von Lilienthals Gleiter bis zum modernen Elektroflugzeug

Die Flugwerft Schleißheim des Deutschen Museums feiert an diesem Wochenende mit vielen Darbietungen ihren 30. Geburtstag

Auf den ersten Blick sind die braunen Teile auf dem Arbeitstisch nur die brüchigen Überreste eines Flügels – „aber für die Geschichte der Luftfahrt haben sie eine einzigartige kulturelle Bedeutung wie beispielsweise die Mona Lisa für die Kunstgeschichte“, schwärmt Helmuth Trischler, der Forschungsdirektor des Deutschen Museums in München. Es handelt sich dabei um Fragmente des sogenannten Normalsegelapparats von Otto Lilienthal aus dem Jahr 1894 - des weltweit ersten Flugzeugs. Irgendwann sollen die Teile des Lilienthal-Gleiters auf der Flugwerft des Deutschen Museums in Schleißheim auch fürs Publikum zu bestaunen sein. Dafür werde dann ein gläserner Sarkophag errichtet mit gleichbleibender Temperatur im Innern, berichtet Helmuth Trischler von den Planungen.

Bisher bekam das Publikum nur einen Nachbau öffentlich zu sehen. Aber bis dahin gibt es für das Team aus Restaurator Mathias Winkler, Projektleiterin Charlotte Holzer und Kuratorin Tatjana Dietl noch eine Menge zu tun. Dabei hilft ihnen auch die technische Entwicklung. Lange Zeit konnten die Forschenden die Funktionsweise von Lilienthals Gleiter nur anhand von dessen Niederschriften studieren. Doch inzwischen gibt es am Fraunhofer-Institut in Fürth eine Art Scanner, mit dem sich regelrecht hineinblicken lässt in das Innere des Normalsegelapparats. „Dadurch lässt sich unter anderem erkunden, wie genau der Konstrukteur die Metall- mit den Holzteilen verbunden hat und wie die maschinelle Steuerung konkret funktionierte“, erläutert Helmuth Trischler.



Für den Forschungsdirektor wird eine der letzten großen beruflichen Aufgaben, die er als Forschungsdirektor des Deutschen Museums mit begleitet, der Ruhestand ist für den 64-Jährigen nicht mehr fern. Mitfeiern kann er in dieser Woche aber noch den 30. Geburtstag der Flugwerft Schleißheim des Deutschen Museums. Der zu einem Luftfahrt-Thema promovierte Historiker war bei diesem Projekt von Anfang an als Kurator mit dabei, hat die Flugwerft mit konzipiert. Auf rund 8000 Quadratmetern Gelände lassen sich inzwischen mehr als 70 Fluggeräte bestaunen. Und auch wenn er inzwischen in der Museumsleitung auch viele andere Aufgaben inne hat – die historischen Flugzeuge liegen ihm noch immer ganz besonders am Herzen, gesteht Helmuth Trischler. Mit Begeisterung erzählt er von den über 80 Jahre alten Messerschmitt-Modellen oder den Senkrechtstartern aus den 1960er-Jahren.

Am Samstag, 17., und Sonntag, 18. September, wird das Jubiläum gefeiert, jeweils von 9 bis 17 Uhr. Zu den bisher rund 3,5 Millionen Besuchern dürften an diesem Wochenende noch einige hinzukommen, denn es sind einige Attraktionen geplant. Der Luftsportverband Bayern wird über dem Freigelände seine Modellflieger kreisen lassen, Luftsportvereine werden ihre Flugzeuge präsentieren. Und auch der Elektra-Trainer – der Prototyp eines Elektroflugzeugs – wird an dem Wochenende in der Flugwerft vorgeführt. Außerdem gibt es Führungen durch die Ausstellungen mit ihren. In der Flugzeugwerkstatt des Museums erklären die Restauratoren des Museums ihre Arbeit, und bei geführten Wanderungen über das Flugplatzgelände kann man viel über die Historie des ältesten noch in Betrieb befindlichen Flugplatzes in Bayern erfahren.Seit 110 Jahren starten und landen in Schleißheim Flugzeuge – und das in wechselvoller Geschichte. Sowohl nach dem Ersten wie auch nach dem Zweiten Weltkrieg befahlen die siegreichen Alliierten, dass die Anlage zurückgebaut werden soll; von Deutschen am Himmel hatten sie erst mal genug. Zweimal wurde die Anlage neu errichtet.



Dass überhaupt an dieser Stelle heute eines der größten Luftfahrtmuseen Deutschlands beheimatet ist, grenzt an ein Wunder. 1982, zehn Jahre vor der Eröffnung, hatte man das Gebäude noch abreißen wollen. Die Bauwerke waren verfallen, nachdem die US-Armee und die Bundeswehr den Flugbetrieb dort eingestellt hatten. Doch Ende der 1980er Jahre wendete sich das Blatt – wofür auch die Platznot des Deutschen Museums mit verantwortlich war. Die Museumsleitung beantragte eine Außenstelle, um seine stetig wachsende Luft- und Raumfahrtsammlung angemessen unterbringen zu können. „Rund 50 Millionen Mark hat das Projekt gekostet“, verrät Helmuth Trischler. Das entspricht nach heutiger Kaufkraft etwa 40 Millionen Euro. Gerade erst ist in Schleißheim die neue Sonderausstellung „Bombenwetter“ eröffnet worden, die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie der Luftkrieg unsere Sprache und unsere Redewendungen beeinflusst hat.
(André Paul)

 

 

Bildunterschriften zu Fotos im Text
1. Hubschrauber der Bundeswehr transportieren die Flugzeuge 1992 vom Fliegerhorst Erding in das damalige Depot in Schleißheim. (Foto: Deutsches Museum)


2. Sie untersuchen in der Restaurierungswerkstatt die Original-Fragmente des Normalsegelapparats von Otto Lilienthal (von links): : Restaurator Mathias Winkler, Projektleiterin Charlotte Holzer und Kuratorin Tatjana Dietl. (Foto: BSZ)

 

 

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