Leben in Bayern

Ein Instruktor informiert bei einem Selbsthilfekurs des Medizinischen Katastrophen-Hilfswerks in Tuntenhausen über Kochen ohne Strom. (Foto: dpa/Uwe Lein)

25.10.2022

Vorbereitung auf Blackout „aktuell wie nie“

Besuch bei einem Selbsthilfekurs in Tuntenhausen

Erdig schmecke es, sehr natürlich, jemand findet es sogar „saugut“. Nicht alle haben sich getraut, einen Schluck des Wassers zu nehmen, das kurz zuvor noch gelblich in einer Glaskaraffe schwappte. Nun ist es durch einen Damenstrumpf geronnen und durch einen ausgeklügelten Aufbau aus Kies, Quarzsand, Grillkohle und Tuch – und auf den ersten Blick sieht es jetzt klar aus.

Erst nach der Kostprobe führt Katastrophenschützer Detlef Hacker vom Medizinischen Katastrophen-Hilfswerk (MHW) die Teilnehmer des Selbsthilfekurses in den Garten – und lüftet das Geheimnis: Das Wasser stammt aus der Regentonne hinter dem Haus, ein paar tote Insekten und undefinierbare Schwebstoffe schwimmen in der trüben Brühe. Kleine Schrecksekunde bei den Teilnehmenden – dann Überraschung, wie einfach sich in einem Notfall Trinkwasser gewinnen lässt.
Die Sorge um einen Blackout hat die meisten motiviert: Rund 80 Menschen lernen an diesem Samstag beim MHW in Tuntenhausen in Oberbayern Überlebenstechniken: alternative Trinkwassergewinnung, Bevorratung für Notzeiten und Kochen ohne Strom, aber auch erste Wundversorgung und Brandbekämpfung.

Die Menschen wollen vorbereitet sein

„Mich begeistert das total“, sagt Manuela Maria Thaller, die mit ihrem Mann dabei ist. „Wir haben sehr viel gelernt.“ Noch während des Kurses mit dem Shoppen begonnen hat Rolf Müller. Einen Gaskocher und andere Kochutensilien hat er in seinen virtuellen Einkaufswagen geladen. „Ich bin Schwabe, ich bin risikoscheu“, witzelt er über seine Anmeldung zum Kurs. Aber ja: Er wolle einfach vorbereitet sein.

Die Schulung sei sehr gefragt, das Thema „aktuell wie nie“, sagt der Einsatzleiter und Präsident des MHW, Robert Schmitt. „Wenn große Krisen sind, sind die Kurse mehr als ausgebucht.“ Anlässe waren die Atomkatastrophe von Fukushima, die Flut im Ahrtal und nun der Krieg in der Ukraine. „Wir leben in sehr unruhigen und herausfordernden Zeiten.“ Es nütze nichts, „wenn wir die Sirenen wieder einschalten – wenn wir den Bürgern nicht erklären, was sie dann zu tun haben“.

Auch die Politik erteilt Ratschläge

Zivilschutz ist wieder im Blickpunkt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte zum Jahrestag der Flutkatastrophe: „Für mich ist klar, wir brauchen einen Neustart im Bevölkerungsschutz.“ Die Ministerin sprach auch von großen Versäumnissen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. „Wir haben uns zu lange sicher gefühlt.“ Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wendet sich auf seiner Homepage an die Menschen: „Sind Sie fit in puncto Notfallvorsorge? Haben Sie einen Vorrat zu Hause, wenn draußen ein Sturm tobt? Sind Ihre wichtigsten Dokumente griffbereit, wenn ein Feuer oder eine Bombenentschärfung Sie aus dem Haus zwingen?“

Es sei wichtig, dass sich Bürgerinnen und Bürger mit dem Thema auseinandersetzen, sagt MHW-Einsatzleiter Schmitt. „Jeder, der vorbereitet ist und vielleicht auch seinem Nachbarn helfen kann, entlastet uns Einsatzkräfte.“ Bundesweit gebe es dennoch kein vergleichbares Kursangebot wie beim MHW. Schmitt rät: für zwei Wochen Wasser und Lebensmittel daheim, das Auto vollgetankt und ein Radio, das mit Batterien läuft, um Informationen der Behörden zu verfolgen. Denn wenn der Strom wegbleibt, geht nichts mehr: kein fließendes Wasser, keine Toilettenspülung, kein Herd, kein Aufzug, kein Telefon und kein Internet.

Nicht nur die Energieknappheit könnte einen Blackout auslösen, sondern auch Naturkatastrophen oder Wetterextreme, Sabotage oder Cyber-Angriffe. Auch die Behörden stünden vor gravierenden Problemen. Das Digitalfunknetz für Einsatzkräfte könnte zusammenbrechen, wie MHW-Sprecher Matthias Fischer sagt. Die Einsatzfahrzeuge seien deshalb wieder mit analogen Funkgeräten ausgerüstet. Wenn auch Kraftstoff fehlt, wird es brisant. „Man geht unvorbereitet in die kalte Jahreszeit“, warnt Fischer. Die kritische Infrastruktur müsse besser unterstützt werden und es sollten nicht nur Kliniken, sondern auch Altenheime, Feuer- und Rettungswachen mit Notstrom abgesichert sein.

Landkreise arbeiten zusammen

Im südlichen Bayern bereiten sich Landkreise derzeit gemeinsam vor. „Wir müssen uns auf die kritische Infrastruktur konzentrieren“, sagt auch der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch (CSU). Dazu zählten Kliniken, Rettungsdienste, Pflegeheime, digitale Kommunikation, Wasserversorgung, Behörden, Bezahlsysteme und Logistik. „Die Sicherheitslage verschärft sich rasant, wenn die kritische Infrastruktur nicht mehr funktioniert.“

Mancher in dem MHW-Kurs hat schon vorgesorgt: mit Lebensmitteln, Kocher, mancher gar mit eigenem Notstromaggregat – oder mit einem gepackten Rucksack. „Wir haben Notfallrucksäcke zu Hause“, sagt die stellvertretende Landesgeschäftsführerin des ASB, Nadine Naujoks, die mit Mann und zwei Kindern da ist. „Es muss gar keine große Naturkatastrophe sein. Es kann ja einfach sein, dass das Nachbarhaus brennt und man deshalb wegmuss.“ Für sie und ihre Familie sei der Kurs „ein kleiner Survival-Urlaub“. (Sabine Dobel, dpa)
 

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