Leben in Bayern

Die Festung Marienberg in Würzburg, eine der malerischsten Burgen in Bayern. foto: dpa/Daniel Karmann

17.03.2023

Was man über Burgen noch nicht wusste

Eine Würzburger Online-Datenbank zeigt: Viele Vorstellungen übers Mittelalter sind ganz schön verkitscht

Wer an Burgen denkt, denkt oft ans Rheintal, und tatsächlich gibt es wahrscheinlich weltweit nirgends so viele Burgen wie dort. Aber auch Franken hat ein ungewöhnlich dichtes Netz an Burgen. Das zeigt ein Blick in die Burgendatenbank, die seit 2020 als Bestandteil des Internetportals Historisches Unterfranken aufgebaut wird. Über 580 fränkische Burgen sind inzwischen beschrieben. Das Projekt hat zum Ziel, gesicherte Fakten über die einzelnen Burgen zu transportieren und Mythen zu entlarven.

In der Datenbank ist mit ein paar Klicks die Quintessenz akribischer historischer Recherchen abrufbar. „Alle Rechercheergebnisse durchlaufen bei uns eine dreifache Korrektur“, sagt Helmut Flachenecker, Inhaber des Lehrstuhls für Fränkische Landesgeschichte an der Uni Würzburg, auf den die Initiative zur Datenbank zurückgeht. Wer die Einträge liest, erkennt: Das, was wir heute zu sehen bekommen, hat mit dem Urzustand der jeweiligen Burg meist nicht mehr viel zu tun.

Die Würzburger Festung zum Beispiel präsentiert sich dieser Tage in einem frühneuzeitlichen Gewand. Allerdings lässt sich schon im Frühmittelalter eine erste Befestigung schriftlich belegen. Burgen sind im Laufe der Jahrhunderte nicht nur viermal oder fünfmal, sondern oft etliche Male umgebaut und erweitert worden.

Die frühmittelalterliche Befestigung auf dem Marienberg in Würzburg zum Beispiel wurde wohl ab 1201 zu einem festen Schloss umgebaut. Der erste Ausbau unter Bischof Hermann von Lobdeburg zog sich wohl über die gesamte erste Hälfte des 13. Jahrhunderts. 1308 wurde dann der Randersackerer Turm im Südosten der Burg errichtet – und zwar als Sühnebau der Bürger*innen für einen gescheiterten Aufstand. Zwischen 1333 und 1345 entstand ein Wehrgang, im 15. Jahrhundert wurde das Scherenbergtor errichtet.

Was man gemeinhin über Burgen zu lesen bekommt, hat mitunter wenig Niveau. Es füttert beliebte, märchenhaft-romantische Vorstellungen, ist historisch gesehen jedoch ziemlich anspruchslos. Der Blick auf mittelalterliche Burgen wird laut Helmut Flachenecker noch immer von der Burgenromantik des 19. Jahrhunderts geprägt.

In dieser Epoche wurden viele Burgen wieder aufgebaut, um, so der Historiker, ein „heimeliges Mittelalter“ gegen die bösen Strömungen der Gegenwart zu konstruieren. Zur Erinnerung: Das 19. Jahrhundert war von der industriellen Revolution geprägt. Die gebar vielfältige soziale Probleme in ganz Europa.

Ausstellung läuft von Ende März bis Mai

Weil die Faszination am Mittelalter ungebrochen en vogue ist, weiß Flachenecker, dass er bei seinen Vorträgen meist eine arge Enttäuschung bereitet, erwähnt er zum Beispiel, dass Schloss Neuschwanstein mit dem Mittelalter nicht das Geringste zu tun hat. Auch in Blockbustern wie Robin Hood, Netflix-Serien wie Vikings oder Videospielen wie Age of Empires überschreibt die Fiktion schnell die Wirklichkeit.

Darauf machen vom 28. März bis 20. Mai fünf Burgenmuseen in einer Ausstellung im Münchner Infopoint Museen & Schlösser in Bayern aufmerksam. Mit dabei sind die Museen in Würzburg, Burghausen, Coburg, Landshut und Passau.

Geschichtsschreibung, so das Credo von Historiker*innen, muss, um objektiv zu sein, auf gesicherten Quellen basieren. Gräbt man nach Quellen von Burgen, fällt manches romantische Bild in sich zusammen. „Die Mehrheit der Burgen zum Beispiel war ziemlich klein“, sagt Flachenecker. Burgen bestehen auch nicht grundsätzlich aus Stein. Nicht selten waren sie hölzern. „Von vielem haben wir jedoch nach wie vor überhaupt keine Ahnung“, so der Forscher.

Weil die Suche nach Quellen so schwierig ist, wächst die Datenbank nur langsam. Immerhin Unterfranken ist inzwischen vollständig erfasst. Kürzlich wurden die Burgen aus der Region Nürnberg eingepflegt. Was eine Burg genau ist, zeigt die Datenbank, lässt sich nicht auf eine einfache Formel bringen.

Burgen zum Beispiel müssen nicht zwingend einen Turm haben. „Manche Burgen verlieren irgendwann auch ihre ursprüngliche Funktion und werden zu Klöstern“, so Helmut Flachenecker. Andere wurden durch ein Kloster errichtet. Dazu gehört die Burg Altenburg im unterfränkischen Untereschenbach. Wohl im 11. Jahrhundert wurde der Vorläufer der noch heute zu besichtigenden Burg Saaleck zum Schutz von Hammelburg durch das Kloster Fulda errichtet. Im 12. Jahrhundert wurde der Bergfried von Burg Saaleck konstruiert. Dazu wurde der Gefängnisturm aus dem 10. Jahrhundert verbaut.

Was Würzburgs Landesgeschichtler innerhalb von drei Jahren mit sehr bescheidenen finanziellen Mitteln aufgebaut haben, ist beachtlich. Noch ein weiteres Jahr, bis zur Emeritierung von Helmut Flachenecker, soll an der Burgendatenbank getüftelt werden. In Kürze wird Interessantes über die Burgen in und um Bayreuth zu lesen sein. Die Quellen sind bereits vollständig bearbeitet, befinden sich aber noch in der Korrektur. Auch in und um Kulmbach gibt es etliche Burgen, exakt 44, die ebenfalls noch beschrieben werden sollen.

Ausweitung auf ganz Bayern ist nicht geplant

Sind alle fränkischen Burgen erfasst, wird die Datenbank abgeschlossen und abgesichert. Eine Ausweitung auf ganz Bayern ist nicht geplant. Gesucht werden kann in der Datenbank je nach Interesse unter verschiedenen Stichpunkten. Lokalhistoriker*innen recherchieren gern nach ihrem Heimatort. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, nach Burgherren zu fahnden. Schließlich kann spezifisch nach dem Inventar von Burgen oder nach Burgennamen gesucht werden.

Die wohl in der Mitte des 11. Jahrhunderts im Landkreis Roth errichtete Burg Abenberg zum Beispiel hat ihren Namen von Graf Adalbert II. von Abenberg. Der Graf war Namensgeber sowohl für die Stadt als auch für die Burg. Gerade diese Burg hat mit der Klischeevorstellung von Burgen recht wenig zu tun, ließ der Graf sie doch aus Holz und Erde errichten.

Eine Holzburg stand wahrscheinlich auch im unterfränkischen Miltenberg. Um 1235 wurde der große Buckelquaderbergfried der Burg wohl als Teil eines Neubaus der Holzburg errichtet. Im Bauernkrieg wurde sie beschädigt, allerdings nicht ganz zerstört. Dies geschah jedoch später im Zweiten Markgrafenkrieg, der im Jahr 1552 ausbrach. Auch Burg Hallburg im Landkreis Kitzingen wurde im Bauernkrieg teilweise zerstört, allerdings wieder aufgebaut. (Pat Christ)
 

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