Leben in Bayern

Auf in die Berge: Dort dürfte es am Osterwochenende voll werden. (Foto: dpa/Matthias Balk)

31.03.2021

Was tun gegen Besucherströme in den Bergen?

Nach dem Ausflügler-Andrang im Corona-Sommer 2020 wollen Bayerns Tourismusregionen Besucher dieses Jahr besser lenken. Durch Online-Empfehlungen wird das aber immer schwieriger. Helfen sollen nun Schilder, Ranger und bessere Daten

Mit Blick auf die Allgäuer Hochalpen zur Ruhe kommen: Das war auf dem Riedberger Horn im vergangenen Jahr oft nicht möglich. Erklommen in den Vorjahren nie mehr als 300 Besucher pro Tag den 1787 Meter hohen Berg, meldete ein Messgerät des Zentrums Naturerlebnis (ZN) Alpin während des Corona-Winters bis zu 1000 Gipfelstürmer an einem Tag. "Das ist verständlich, die Leute wollen raus", sagt der Leiter des ZN Alpin, Ethelbert Babl.

Doch der wachsende Wunsch nach Freizeit in Bayerns Bergen verursacht während der Pandemie vor Ort viele Probleme. Auf dem Riedberger Horn stören Ausflügler den Lebensraum des gefährdeten Birkhuhns. In Oberbayern blockierten Anwohner im Sommer Straßen aus Protest gegen den Ausflugsverkehr. Der Nationalpark Bayerischer Wald klagte im Dezember über Besucher, die "kreuz und quer" durch das Gebiet liefen - ohne Rücksicht auf geltende Regeln.

Angesichts weiter geschlossener Grenzen, stillstehender Seilbahnen und anstehender Osterferien, stehen die Ausflugsregionen nun vor der Frage: Wie kann der Ausflügler-Ansturm in einem möglichen zweiten Corona-Sommer besser unter Kontrolle gebracht werden?

Der Landkreis Oberallgäu setzt bei der Besucherlenkung auf die Erweiterung eines Konzepts im Naturpark Nagelfluhkette. Unter dem Titel "Dein Freiraum. Mein Lebensraum" werden dort Wanderer, Mountainbiker und Skitourengeher auf mehr als 170 Tafeln nicht nur darauf hingewiesen, welche Bereiche tabu sind. "Wir machen das immer mit der Erklärung, weshalb wir die Leute bitten, bestimmte Bereiche nicht zu betreten", sagt der Vorsitzende des Naturpark-Vereins, Rolf Eberhardt. "Das spricht die Menschen positiv an."

Mehr Ranger werden eingestellt

Zwar habe es im Corona-Jahr 2020 trotzdem "punktuelle Probleme" mit der Besucherlenkung gegeben, sagt Eberhardt. "Es läuft aber erstaunlich gut." Das bayerische Umweltministerium fördert den Landkreis Oberallgäu als erste "Musterregion" in Sachen Besucherlenkung deshalb mit rund 500 000 Euro. Der Tourismusverband Ostbayern setzt unter dem Titel "Respektvoll unterwegs" auf eine ähnliche Strategie. Schilder allein reichten aber nicht, betont Naturpark-Chef Eberhardt. "Es muss auch eine Institution und Personal geben, die das betreut."

In den 19 bayerischen Naturparks sollen daher künftig mehr Ranger unterwegs sein. Je nach Größe des Areals fördert der Freistaat nach Angaben des Umweltministeriums zwei bis vier Stellen mit 90 Prozent der Kosten. Derzeit arbeiteten dort mehr als 40 Ranger, sagt ein Ministeriumssprecher. Knapp 20 weitere Stellen sollen noch besetzt werden: "Das geht kontinuierlich voran."

Dazu kommen nach Angaben des Ministeriums bayernweit mehr als 800 ehrenamtliche Naturschutzwächter und staatliche Ranger in den Nationalparks Bayerischer Wald und Berchtesgaden, im Biosphärenreservat Rhön und am ZN Alpin. Auch Landratsämter in Ausflugsregionen setzen vermehrt Ranger ein. Im Landkreis Garmisch-Partenkirchen zum Beispiel würden drei Halbtagskräfte eingestellt, teilte Landratamtssprecher Stephan Scharf mit.
Oft sind die Ranger aber nicht nur in der Natur, sondern auch im Netz beschäftigt. Viele Ausflügler nutzten Online-Quellen für Tourenempfehlungen, sagt Carolin Scheiter vom Nationalpark Berchtesgaden. "Die Gäste meiden viel begangene Wege, möchten "allein" und "in Ruhe" in den Bergen unterwegs sein und suchen nach "Geheimtipps" - die einige dann wiederum in sozialen Netzwerken teilen." Der folgende Ansturm mache Sperrungen oft unausweichlich.

"Unsere Ranger durchforsten deshalb auch soziale Medien", sagt Ethelbert Babl vom ZN Alpin. Gegebenenfalls würden die Absender gebeten, die problematische Beiträge zu entfernen: "Mit dieser Arbeit wird man aber nie fertig."
Doch die Digitalisierung bietet bei der Besucherlenkung auch Chancen. Die Allgäu GmbH und die Alpenregion Tegernsee-Schliersee arbeiten an digitalen Systemen zur Besucherlenkung - mit Echtzeitdaten zur Verkehr und Parkplätzen. So sollen Besucher schon vor der Ankunft Alternativen suchen können. Das Umweltministerium will Gästen zudem durch Besucherzählgeräte ermöglichen, schon von Zuhause aus zu sehen, wie stark besucht eine Region ist.

Geförderte Projekt "Bayerncloud Tourismus"

Noch einen Schritt früher setzt das vom Freistaat geförderte Projekt "Bayerncloud Tourismus" an. Die Datendrehscheibe soll unter anderem Outdoor-Apps und Tourismus-Plattformen mit so vielen Informationen versorgen, dass sich Voraussagen darüber treffen lassen, wann es wo besonders voll wird. Gleichzeitig sollen Ausflügler schon vor der Abfahrt Alternativen empfohlen bekommen.

Die Entwicklung werde aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen, sagt Guido Sommer vom Wissenstransferzentrum Füssen "Innovative und Nachhaltige Tourismusentwicklung". "Da die benötigten Daten dafür vielfach nicht vorliegen, wird es nach meiner Einschätzung mindestens zwei bis drei Jahre dauern, bis das beginnt zu greifen."

Ein erster Versuch digitaler Besucherlenkung verlief 2020 nur bedingt erfolgreich. Der "Ausflugsticker Bayern" des Wirtschaftsministeriums wurde vor allem in Oberbayern genutzt, wo das Angebot schon zuvor eingeführt worden war. Während dort 1,9 Millionen Mal auf die Plattform zugegriffen wurde, hielt sich das Interesse im Rest Bayerns mit rund 55 000 Aufrufen in Grenzen.

Zwar gebe es auch mit Schildern, Rangern und digitaler Hilfe keine Garantie, dass Besucherlenkung funktioniere, betont der Leiter des ZN Alpin, Eberhardt Babl. Ausflügler fernhalten wolle man trotz des erwarteten Ansturms aber nicht: "Wir wollen auf keinen Fall eine Situation, wo gesagt wird: "Münchner, bleibt zuhause"."
(Frederick Mersi, Sabine Dobel und Ute Wessels, dpa)

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