Leben in Bayern

Sonja Hujo ist Koordinatorin des Allgäuer Wünschewagens des Arbeiter-Samariter-Bunds. Seit der Ausgangsbeschränkung gibt es die Fahrten, mit dem ehrenamtliche Helfer Menschen einen letzten Wunsch erfüllen, nicht mehr. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

23.04.2020

Wenn Abwarten keine Option ist

Letzte Wünsche bleiben unerfüllt, Ehrenamtliche können Familien kaum noch entlasten: Begleiter sterbender und schwer kranker Menschen stehen in der Corona-Krise vor großen Problemen. Dazu kommen finanzielle Sorgen

Geduld ist gefragt in Zeiten der Corona-Krise. Doch Sonja Hujo weiß, dass ihre Klienten nicht warten können. Sie ist die Koordinatorin des Wünschewagens beim Regionalverband Allgäu des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB), dessen ehrenamtliche Helfer Menschen am Ende ihres Lebens letzte Wünsche erfüllen: einen Besuch bei der Familie, die Rückkehr an einen liebgewonnenen Ort oder ein Konzert der Lieblingsband. "Seit der Ausgangsbeschränkung gibt es keine Wunschfahrten mehr", sagt Hujo. "Für mich ist das persönlich sehr schwierig."

Doch nicht nur die drei Wünschewagen des ASB in Bayern stehen in Zeiten der Ausgangsbeschränkungen entweder dem Rettungsdienst zur Verfügung oder mangels Funkausrüstung in der Garage. Auch den regelmäßigen Begleitern sterbender und schwer kranker Menschen sowie deren Familien bereitet die Corona-Krise große Probleme.

Das Kinderhospiz St. Nikolaus in Bad Grönenbach (Landkreis Unterallgäu), die einzige stationäre Einrichtung dieser Art im Freistaat, ist zum Schutz der Betroffenen seit dem 20. März geschlossen. Die betroffenen Familien, die dort sonst in wiederkehrenden Aufenthalten begleitet werden, pflegen ihre Kinder zuhause. "Das Schwierige an der Situation ist, nicht zu wissen, wie es weitergeht", sagt Marlies Breher, Vorstandsvorsitzende der Süddeutschen Kinderhospiz-Stiftung, welche die Einrichtung trägt.

Zwar hat der Bayerische Hospiz- und Palliativverband (BHPV) erwirkt, dass Ehrenamtliche in ambulanten Diensten in Ausnahmefällen Sterbende und deren Familien zuhause besuchen dürfen, wie das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege bestätigt. Allerdings seien die Nachfragen diesbezüglich begrenzt, teilt der Vorstand des BHPV mit. "Aktuell haben die Menschen die Botschaft, dass ehrenamtliche Begleitung nicht stattfindet." Eine Situation, unter der nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Helfer zu leiden scheinen, so der Verband.

Die Begleitung aus der Ferne hat Grenzen

Die hauptamtlichen Mitarbeiter der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (AKM) statten in Einzelfällen mit entsprechender Schutzausrüstung betroffenen Familien noch Hausbesuche ab. Diese ambulante Versorgung sei im Moment besonders wichtig, sagt Christine Bronner, geschäftsführende Vorsitzende der Stiftung. "Wir verhindern Klinikaufenthalte und somit die Bindung von Kapazitäten." Die ehrenamtlichen Helfer versuchen derweil, den Kontakt übers Telefon, Video-Anrufe und soziale Medien aufrecht zu erhalten und Familien so zu entlasten.

Doch die Begleitung aus der Ferne hat Grenzen. "Die Hauptentlastung ist normalerweise die Kinderbetreuung in den Familien", sagt Achim Saar, Koordinator des Kinderhospizdienstes bei der Stiftung Bunter Kreis in Augsburg. "Und das ist jetzt einfach nicht möglich." Er sieht in der Corona-Krise eine besondere Belastung für die Familien, zumal auch andere Bereiche der Versorgung eingeschränkt seien. "Wenn zum Beispiel der Termin für die Einstellung des neuen Beatmungsgeräts oder für die Physiotherapie abgesagt wird, versuchen wir zu vermitteln", sagt Saar.

Sorgen bereiten den Hospizdiensten und Einrichtungen im Kinder- und Erwachsenenbereich auch die finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise. Viele von ihnen sind auf Spenden angewiesen. "Der Kampf ums Überleben ist härter geworden", so die AKM-Sprecherin. "Spenden zu akquirieren, ist schwieriger aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Situation." Auch die Süddeutsche Kinderhospiz-Stiftung spricht von einem "starken Spendeneinbruch". Viele Veranstaltungen zur Sponsoren-Werbung habe man absagen müssen, für den laufenden Betrieb seien jährlich aber Spenden von rund einer Million Euro nötig. 

"Und immer wieder stellt sich die Frage: Wie lang geht das noch?", sagt Achim Saar von der Stiftung Bunter Kreis. "Die Hoffnung, sich wiederzusehen, ist ungewiss." Caterina Hertweck, Koordinatorin des ASB-Wünschewagens Franken, hofft zwar, im Mai vielleicht wieder mit Fahrten starten zu können. "Aber wie es den Menschen bis dahin geht, ist nicht vorhersehbar."
(Frederick Mersi, dpa)

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