Leben in Bayern

Gerichte entscheiden über eine rechtliche Betreuung, zum Beispiel das Amtsgericht in München. (Foto: Matthias Balk/dpa)

30.04.2019

Wenn ein Gericht die Betreuung klärt

Bei rund 177 000 Menschen in Bayern entscheidet ein Gericht über die rechtliche Betreuung. Ob Vermögensverwaltung oder medizinische Behandlungen: Wer rechtzeitig vorsorgt, kann selbst festlegen, wer in Zeiten von Krankheit für einen entscheidet

"Stellen Sie sich einfach folgende Situation vor: Ihr Ehepartner hatte einen Schlaganfall", sagt Richterin Vera Promies vom Amtsgericht München. Er läge auf der Intensivstation. "Die Ärzte möchten mit Ihnen absprechen, wie die weitere Behandlung stattfinden soll. Ob überhaupt weiter behandelt wird." Egal ob Krankheit, Unfall oder Behinderung: Es gibt Situationen, in denen sich Menschen nicht mehr selbst um ihre rechtlichen Angelegenheiten kümmern können.

"Anders als viele Menschen denken, hat ein Ehepartner nicht automatisch das Recht, seinen Ehemann oder seine Ehefrau zu vertreten", klärt Promies auf. Dann kommt ein sogenanntes Betreuungsgericht ins Spiel, das beim Amtsgericht angesiedelt ist. Es entscheidet, wer für den Menschen verantwortlich ist. "Das allerwichtigste Instrument, mit dem man vermeiden kann, eine Betreuung anordnen zu müssen, ist die Erteilung einer Vorsorgevollmacht", erklärt Promies. Das gelte auch für Eheleute.
Rund 177 000 Betreuungsverfahren liefen im vergangenen Jahr in Bayern, wie das Justizministerium auf Anfrage mitteilte. In den vergangenen zehn Jahren blieb deren Zahl auf einem ähnlichen Niveau - und pendelte in etwa zwischen 173 000 und 190 000.

Nach Informationen des Justizministeriums wenden sich in der Mehrzahl der Fälle (rund 60 Prozent) Krankenhäuser oder Heime an das Gericht, damit es über eine Betreuung entscheidet. Nur in vier Prozent der Verfahren war ein Betroffener selbst auf das Gericht zugegangen. In anderen Fällen stellen beispielsweise Angehörige einen Antrag.

Besonders wichtig: die richterliche Anhörung

Sobald das Gericht informiert ist, prüfen die Richter, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine rechtliche Betreuung vorliegen. Für die Entscheidung sei die richterliche Anhörung besonders wichtig, sagt Promies. Die Robe tauscht die Richterin hierfür gegen Jeans und T-Shirt. Im persönlichen Gespräch gehe es darum, sich ein Bild vom Umfeld und der Situation des Betroffenen zu machen. Dafür sucht sie die Menschen häufig in ihrer jeweiligen Umgebung auf - zu Hause, in Krankenhäusern, Altenheimen und Behinderteneinrichtungen.

Sieht Promies Bedarf, stellt sie den Betroffenen einen rechtlichen Betreuer zur Seite. Jemand, der sich beispielsweise um Entscheidungen über medizinische Behandlungen kümmert, Vermögen verwaltet oder Mietverträge auflöst, weil der Betreute in ein Heim ziehen muss.

Bei rund der Hälfte der Fälle in Bayern übernahm die rechtliche Betreuung im vergangenen Jahr ein Familienangehöriger. Findet sich im Verwandtenkreis niemand für diese Aufgabe, wird meist ein Berufsbetreuer bestellt. Mehr als 95 Millionen Euro stellte die Staatsregierung im vergangenen Jahr für die Vergütung der Berufsbetreuer für die mittellosen Betreuten zur Verfügung.

Mehr Geld für die Betreuer?

Derzeit wird auf Bundesebene darüber diskutiert, ob die Betreuer mehr Geld für ihre Arbeit bekommen. Bayern setzt sich laut Justizminister Georg Eisenreich (CSU) seit 2017 dafür ein. "Davon profitieren nicht nur die Betreuer, sondern vor allem die vielen betreuten Menschen in Bayern." Am besten solle die Erhöhung noch im Sommer in Kraft treten.

Durchschnittlich sieben Jahre lang betreut Promies die Betroffenen. Meistens enden die Verfahren mit dem Tod des Betreuten. Bei rund 55 Prozent der Verfahren war das in Bayern 2018 der Fall. Jede fünfte Betreuung wurde aufgehoben, beispielsweise weil sich der Betroffene nach einer schlimmen Krankheit erholt hat.

Die Tendenz gehe dahin, dass die Verfahren immer länger andauern, so Beate Ehrt, Präsidentin des Amtsgerichts München. Sie führt dies auf die zunehmend älter werdende Bevölkerung zurück. Mehr als die Hälfte (57 Prozent) der Menschen, für die 2018 im Freistaat ein neues Verfahren eingeleitet wurde, waren älter als 64 Jahre.
(dpa)

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