Leben in Bayern

Die Bundeswehr übt auf junge Menschen offenbar wieder einen größeren Reiz aus. (Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert)

23.05.2025

BSZ-Umfrage: Wie haltet ihr es mit der Wehrpflicht?

Wo bleibt die Gleichberechtigung? Junge Menschen aus Bayern erzählen in einer Umfrage der Staatszeitung, was sie über einen möglichen Zwangsdienst beim Bund denken

Zum „Bund“ zu müssen, ist ihnen fremd: Jugendliche wuchsen in einer Welt ohne Wehrpflicht auf. 2011 wurde sie ausgesetzt. Nun hat die neue Bundesregierung sich darauf verständigt, einen neuen Wehrdienst einzuführen – der vorerst auf Freiwilligkeit beruht. Das könnte sich aber noch ändern, sollten sich nicht genügend Freiwillige finden. Wie wäre es für junge Menschen, würden sie gezwungen, ein halbes Jahr oder ein Jahr zur Bundeswehr zu müssen? Eine Stichprobe ergab: Die Antworten fallen erstaunlich positiv aus.

„Viele sind orientierungslos“

Tyler Volkert aus dem mittelfränkischen Zirndorf würde eine Wehrpflicht gar nicht so schlecht finden. Und zwar aus einem speziellen Grund: Der 18-Jährige sagt, ihm falle auf, dass viele seiner Altersgenossen orientierungslos und undiszipliniert seien. Er selbst stieg nach der Mittleren Reife in eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker ein. Mehrere ehemalige Klassenkameraden, erzählt er, seien bis heute ohne Lehrstelle. Sie leben noch bei den Eltern, fangen vielleicht mal was an – und schmeißen den ganzen Bettel nach ein paar Tagen wieder hin, wenn es ihnen zu unangenehm wird.

Natürlich dient eine Wehrpflicht nicht dazu, sich beruflich zu orientieren. Sie bereitet auf den Ernstfall vor. Und dieser Ernstfall lautet: Krieg. Volkert, dessen Bruder bei der Bundeswehr war, hofft, dass es nicht zum Krieg kommen wird. Sollte es aber zum Schlimmsten kommen, wäre der freiwillige Feuerwehrler bereit, sich für sein Land einzusetzen. Wahrscheinlich aber nicht direkt an der Front: „Eher im Bereich Logistik.“

„Keiner redet darüber, was Frieden bedeutet“

Der 24-jährige Malte Scholz ist gegen Zwangsdienste. „So etwas schränkt junge Menschen ein“, sagt der Vorsitzende der Landesjugendkammer der Evangelischen Jugend in Bayern, der in München Management von Sozial- und Gesundheitsbetrieben studiert. Wäre er jünger und würde er vor die freiwillige Wahl gestellt, wie und wo er sich für sein Land engagieren möchte, würde er nicht zur Bundeswehr gehen. Er würde das Technische Hilfswerk oder die Feuerwehr bevorzugen. Welche Infos den Menschen in Bezug auf den Ukraine-Konflikt durch die Medien zugeführt werden, sieht der gläubige Christ kritisch. Der mediale Fokus liege zu stark auf „Aufrüstung“ und „Krieg“. „Keiner redet darüber, was Frieden, was vor allem ein gerechter Friede, bedeutet“, moniert Scholz. Was bedeutet es in einer veränderten Welt, in der jener Pazifismus, der in den vergangenen Jahrzehnten gelebt wurde, nicht mehr trägt, für den Frieden einzustehen? Malte Scholz sieht, dass es kaum noch Diskursräume gibt, um über solche Fragen ins Gespräch zu kommen.

„Wehrpflicht schränkt die Freiheit ein“

Dass möglicherweise bald jeder, der geeignet ist, Dienst bei der Armee ableisten muss, findet Tamino Möslang nicht gut. „Eine Wehrpflicht schränkt die persönliche Freiheit junger Menschen ein“, sagt der 18-Jährige, der sich im Stadtjugendwerk der AWO Würzburg engagiert. Man sollte die Bundeswehr attraktiver machen: „Aber nicht durch Zwang.“ Die Wehrpflicht wiedereinzuführen, hält er aber auch für schwierig: „Kasernen und Ausbilder fehlen.“ Sollte es dennoch dazu kommen, würde er sich wünschen, dass es wieder die Möglichkeit gibt, sich alternativ sozial zu engagieren, mit einem Zivildienst: „Mein Vater hat das gemacht und sehr gute Erfahrungen damit gesammelt.“

„Warum keine Gleichberechtigung?“

Michaela Büttner aus dem oberfränkischen Pretzfeld hätte keine Angst, zum Militär zu gehen. Eine Wehrpflicht würde die 17-Jährige begrüßen – und zwar auch für Frauen: „Warum soll es hier keine Gleichberechtigung geben?“, fragt sie. Wichtig wäre ihr aber auch, dass man zwischen Wehr- und Zivildienst wählen kann. Dass in nächster Zukunft Krieg droht, glaubt sie nicht. Würde es dennoch dazu kommen und hätte sie den Wehrdienst absolviert, würde sie an die Front gehen, obwohl sie Angst hätte: „Jemand muss das ja machen.“

„Ich fände es nicht schlimm, zu sterben“

Bildschirmarbeit wäre nichts für sie: Winona aus Erding arbeitet gerne körperlich. Momentan schnuppert die FOS-Schülerin in die Forstwirtschaft hinein. Winona liebt außerdem klare Strukturen. „Von daher könnte ich mir durchaus vorstellen, zur Bundeswehr zu gehen“, sagt die 16-Jährige. Sie hätte auch nichts gegen eine Wehrpflicht. Manche jungen Leute fänden es unerträglich, in die Kaserne zu müssen. Ein älterer Mitschüler von Winona war bereits ein halbes Jahr beim Bund – und bezeichnet das als hart: „Zum Beispiel sehr früh aufzustehen, um 7 Uhr beginnt das Training.“ Winona selbst schreckt nicht ab, was der Klassenkamerad berichtete. Würde sie eingezogen und an der Waffe ausgebildet, würde sie wahrscheinlich im Ernstfall auch an die Front gehen, sagt sie. Bei dem Gedanken flackert in ihr keine Angst auf: „Ich fände es nicht schlimm, an der Front zu sterben, dann wäre mein Leben zumindest nicht sinnlos gewesen.“

Winona gehört einer Pfadfindergruppe in Erding an. Heute tauschen sich die Teenager über die Wehrpflicht aus. Unter den jungen Leuten besteht Konsens: Die Wiedereinsetzung wäre eine gute Sache. Die politische Lage, so die einhellige Meinung unter den 15- und 16-Jährigen, rufe förmlich danach. Keiner würde einen besonderen Anreiz oder Ansporn brauchen, um zur Armee zu gehen.

„Verhandlungen mit Putin bringen nicht viel“

Dass sie alle eine ähnliche Perspektive haben, sei jedoch Zufall, betont Johannes: „Es ist nicht so, dass andere Meinungen hier schlecht ankämen.“ Er selbst kenne viele junge Leute, die eher gegen eine Wehrpflicht sind. Alle in der Gruppe bewegt, was in der Ukraine geschieht. Alle versuchen, sich über die Medien ein Bild zu machen. „Ich bin der Meinung, dass wir nicht aufhören sollten, Waffen in die Ukraine zu liefern, denn die Verhandlungen, die es mit Putin gibt, bringen der Ukraine nicht viel“, sagt Johannes. Man müsse Russland zeigen, dass Schluss ist: „Wenn Russland in der Ukraine gewinnt, wissen die, dass sie einfach weitermachen können.“ Sollte die Wehrpflicht kommen, würde der 16-Jährige auf jeden Fall zum Militär gehen: „Ich fände das spannend, außerdem ist es wichtig, dass man mal gesehen hat, wie man mit der Waffe schießen kann.“

„Mir würde es Spaß machen, zu dienen“

Ada, ebenfalls 16, glaubt, dass auch sie im Ernstfall bereit wäre, in den Krieg zu ziehen. Die Wehrpflicht findet sie gut: „Es sollte sie allerdings für alle Geschlechter geben.“ Ihr selbst würde es Spaß machen, zu dienen: „Auch wenn es bei der Bundeswehr bestimmt anstrengend ist.“ Auch Ada ist sich sicher, dass Deutschland früher oder später an einem Krieg beteiligt sein wird: „Die Situationen laden sich überall immer weiter auf.“ Sie teilt die Meinung von Johannes: Gerade weil es sehr wahrscheinlich über kurz oder lang Krieg geben wird, sollte man Erfahrungen bei der Bundeswehr gesammelt haben.

„Ich wäre bereit, für mein Land zu kämpfen“

„Auch ich wäre bereit, im Kriegsfall für mein Land zu kämpfen“, betont der 15-jährige Noah. Dass Deutschland in eine gewaltsame Auseinandersetzung verwickelt wird, hält er ebenso wenig für ausgeschlossen wie Ada und Johannes. Noah sieht mit Sorge die politischen Entwicklungen in den USA. Am Ende treten die Vereinigten Staaten aus der Nato aus: „Eine Wehrpflicht bräuchten wir darum mehr denn je.“

„Ich sehe mich nicht wirklich an der Front“

Sie möchte sich nicht drücken, erklärt die 15-jährige Elisabeth: „Doch ich sehe mich nicht wirklich an der Front.“ Im Kriegsfall würde sie lieber im Krankenhaus mithelfen. Dass es in den nächsten paar Jahren Krieg geben wird, denkt sie nicht. Zumal Deutschland ja nicht auf Krieg aus sei. Im Augenblick jedenfalls fühle sie sich in Deutschland sehr sicher. Doch mittelfristig schließt auch Elisabeth nicht aus, dass es Krieg gibt.

„Ich weiß nicht, ob ich es körperlich schaffe“

Melanie Moltke, 21 Jahre alt, leitet die Pfadfindergruppe. Auch sie hat nichts gegen eine Wehrpflicht einzuwenden. Wobei sie selbst zum Zivildienst tendieren würde: „Ich weiß nicht, ob ich es bei der Bundeswehr körperlich schaffe.“ Prinzipiell würde sie friedliche Lösungen vorziehen. Aber so viele Konflikte, meint sie, ziehen sich schon derart lange hin. Es scheine fast unmöglich, sie friedlich zu lösen. Einfacher wäre es aus ihrer Sicht, Konflikte einzudämmen, wenn sie gerade am Entstehen sind. Oder es am allerbesten erst gar nicht zum Konflikt kommen zu lassen. (Pat Christ)
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll die Mehrwertsteuer in der Gastronomie gesenkt werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
X
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.