Leben in Bayern

Dieser sogenannte Gniedelstein diente zum Glätten von Textilien, Leder und Papier aus der Zeit der Merowinger. (Foto: dpa/ Karl-Josef Hildenbrand)

18.03.2021

"Wir Franken sind praktisch Skandinavier"

Das neu gebildete Königreich Bayern verleibt sich Franken Anfang des 19. Jahrhunderts ein. Dabei haben die Bewohner der Region so gar nichts mit den Menschen im Süden gemein. Denn ihre Vorfahren haben skandinavische Wurzeln

Ob zu Hause, im Bierzelt oder in der Bütt: Gerne betont der Franke, warum er sich so signifikant von den Niederbayern, Oberpfälzern und Oberbayern unterscheidet. Während die Altbayern ihre Wurzeln eher in Südtirol oder im Österreichischen sehen, war die Herkunft der Franken lange wenig erforscht. Die Zeiten, in denen Riva und der Gardasee zu Bayern gehörten, sind längst vorbei. Dafür wurden die diversen fränkischen Herrschaftsgebiete im Jahr 1806 dem Königreich Bayern einverleibt. Doch woher kommen die Franken eigentlich? Wer waren ihre Vorfahren?

"Wir Franken sind praktisch Skandinavier", sagt der Leiter des Knauf-Museums im unterfränkischen Iphofen, Markus Mergenthaler, - und er meint das ernst. Zweifler könnten sich anhand der Sonderausstellung "Als Franken fränkisch wurde - Archäologische Funde der Merowingerzeit" von diesem Sonntag (21. März) an überzeugen lassen, warum die Franken ihren Ursprung so weit im Norden haben.

Rückblick ins 6. Jahrhundert: Aus dem Mittelrheingebiet kommen die ersten Franken in das Land am Main. "Nach dem Sieg über die Alamannen 496 nach Christus und über die Thüringer 531 nach Christus begannen die fränkischen Könige aus dem Geschlecht der Merowinger, das heutige Frankenland zu kolonisieren", erzählt Mergenthaler. Die Merowinger sind das älteste bekannte Königsgeschlecht der Franken und prägten im gallisch-germanischen Raum die Epoche des Übergangs von der Spätantike zum frühen Mittelalter (500 bis 800). Ihren Ursprung hätten sie im skandinavischen Raum.

"Die vornehmen fränkischen Frauen brachten aus dem Rheinland ihre Holzkästchen mit, in denen sie Schmuck und Toilettenartikel aufbewahrten." Davon zeugten die Funde archäologischer Grabungen in sogenannten Reihengräberfeldern, "auf denen die neuen Siedler ihre Toten mit voller Tracht- und Waffenausrüstung bestatteten", erklärt der Kurator.

Mit Bügeleisen und Schlittschuhen im Gepäck

Scheibenfibeln aus Eisen oder Silber, Scheren aus Bronze, aufwendig verzierte Amulette, Ohrenringe und bunte Ketten sind in der Ausstellung zu sehen. Sogar einen Gniedelstein zum Glätten von Textilien, Leder und Papier und abgeschliffene Knochen, die vermutlich als Schlittschuhe genutzt wurden, hat das kleine Museum zusammengetragen.

Mithilfe geomagnetischer Messung spürten Wissenschaftler in den vergangenen Jahren unter anderem in Dörfern um Iphofen im Landkreis Kitzingen Siedlungen aus der damaligen Zeit auf. In Dornheim etwa entdeckten sie Spuren eines sogenannten Grubenhauses, in dem die Menschen seinerzeit lebten und arbeiteten.

"Unter den Funden aus der Verfüllung fanden sich eine ganze Reihe keramischer Gefäßfragmente, die nicht im Maingebiet hergestellt wurden, sondern vom Rhein, genauer aus der Gegend um Mayen/Koblenz stammen und als Importe nach Dornheim gelangten", hält die am Ausgrabungsprojekt beteiligte Archäologin Anja Pütz fest.

"Darunter sind auch Glasfragmente von sogenannten Sturzbechern, die ebenfalls aus dem Rheingebiet kamen und zeigen, dass hier eine gehobene Trinkkultur geschätzt wurde." Tierknochen und Reste verkohlten Getreides zeugten von der Ernährung der Menschen, die vor allem Rind-, aber auch gerne Schweinefleisch aßen, so die Wissenschaftlerin.

Das Museum zeigt zahlreiche in Franken gefundene Exponate der Germanen aus dem Stammesverband der Franken - teils Leihgaben verschiedener Sammlungen. Sie werden in der Schau Fundstücken gegenübergestellt, die im Rheinland entdeckt worden waren.

Die Ähnlichkeit von Verzierungen auf Broschen oder der Form von Waffen wie "Franziska" genannten Wurfäxten sind Mergenthaler zufolge ein Beweis dafür, dass sich die Merowinger irgendwann vom Rhein an den Main aufmachten. Auch die umfangreichen Grabbeigaben mit Muscheln als Fruchtbarkeitssymbol für die Frau oder Pfeilspitzen für den kämpfenden Mann deuteten darauf hin. "Bei Männern ist immer eine Pinzette mit im Grab, denn die haben sich damit rasiert."
(Angelika Resenhoeft, dpa)

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