Leben in Bayern

Freuen sich, dass es an der Fachakademie für Sozialpädagogik der Armen Schulschwestern in München wieder Präsenzveranstaltungen gibt: Sara-Marie Seyschab, Tanja Zwickl, Emma Schraubstetter und Lena Breitsameter (von links). (Foto: Lucia Glahn)

09.07.2021

"Wir wollen unser Leben zurück"

Unter den Studierenden in Bayern ist die Sehnsucht nach Normalität groß – viele fühlten sich lange in der Debatte um Corona-Bekämpfung und Impfschutz vernachlässigt

An Bayerns Unis war es lange still: Corona hat auch die Studierenden stark ausgebremst. Während in die ersten Hochschulen wieder studentisches Leben einkehrt, schwitzen viele junge Leute aktuell noch in ihren Online-Klausuren. Wie sie die Pandemie erlebt haben und wie sie zur Impfung stehen – die Staatszeitung hat sich unter den Studierenden umgehört

Sommer, niedrige Corona-Fallzahlen und die Semesterferien in Sicht. Auch Bayerns Studierende atmen angesichts der gefallenen Inzidenzzahlen auf. Doch entspannt läuft es für die meisten trotzdem noch nicht. Gerade ist Prüfungsphase, viele Klausuren finden an den Hochschulen statt. Zudem warten viele der jungen Menschen noch auf einen Impftermin. Denn die Sehnsucht nach einem normalen Leben, auch auf dem Campus, ist groß.

Bei Sarah Imhof von der Hochschule München zum Beispiel. Sie hat große Hoffnung, dass sie und ihre Mitstudierenden nun endlich geimpft werden. Mit gutem Grund, denn gerade hat Hochschul-Vizepräsident Klaus Kreulich per Rundmail abgefragt, wer bei einer Impfaktion dabei wäre. Die Hochschule München will im „Wintersemester möglichst wieder Präsenzlehrangebote“ anbieten, wie Kreulich schreibt. Er bezieht sich dabei auf Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU), der „zielgerichtete Impfaktionen für Studierende für mehr Präsenz“ angekündigt hatte. „Die Hochschulen beteiligen sich sehr konstruktiv, einzelne von ihnen, beispielsweise die Universitäten in Augsburg und Regensburg sowie die Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Ansbach, Hof und Ingolstadt, haben bereits gezielte Impfaktionen für Studierende geplant oder durchgeführt“, berichtet ein Sprecher des bayerischen Wissenschaftsministeriums.

„Online-Klausuren bei einer Inzidenz unter fünf – das ist doch absurd“

Die bayerische Landesstudierendenvertretung begrüßt, dass so wieder mehr Möglichkeiten für Begegnungen, Diskussionen und Lernräume am Campus geschaffen werden“, wie Sprecherin Anna-Maria Trinkgeld betont. „Seit drei Semestern haben sich Studierende solidarisch mit betroffenen Personengruppen gezeigt und fast nur im digitalen Raum gelernt und sich ausgetauscht.“ Das sieht auch Imhof so. „Alle aus meinem Freundeskreis haben die Grundeinstellung, sich auf jeden Fall impfen zu lassen“, sagt die 24-Jährige, die sich nach ihrer Bachelorarbeit im Fach technische Redaktion und Kommunikation nun für den Masterstudiengang bewirbt. Imhof sind Präsenzseminare wesentlich lieber. „In den Online-Kursen ist die Hemmschwelle, etwas zu sagen, viel größer.“

Zudem belastete die Studentin, dass Klausuren nur online stattfinden konnten. „Da kam zum Prüfungsstress noch der Druck dazu, dass zum Beispiel das Internet abstürzt.“ Keine unbegründete Sorge. Immer wieder mal kam es vor, dass bei Klausuren etwa der Server zusammenbrach.

„Wir wollen wieder an die Unis und unser Leben zurück“, betont Paul Grumer, der Journalismus an der Hochschule Ansbach studiert. Er ist froh, mittlerweile die erste Impfung bekommen zu haben. Der Fachschaftsleiter organisierte zusammen mit Teamkollegin Eva Erhard im Juni eine Impfaktion für die Studierenden. „Insgesamt hatten wir den Eindruck, dass sie bei der Debatte um Impfschutz und Corona-Pandemie außen vor gelassen wurden“, kritisiert Erhard: „Die Unis und Hochschulen sind seit Langem zu, aber darüber redet niemand.“ Die 24-jährige Journalismus-Studentin erhielt den Immunschutz bereits vor der Impfaktion in einer Hausarztpraxis. „Es war ziemlich schwer, an einen Termin zu kommen“, sagt sie.

Bei der Impfaktion konnten sich nun auch 167 weitere Studierende immunisieren lassen – mit dem Johnson & Johnson-Impfstoff. „Die Plätze waren innerhalb von fünf Minuten komplett ausgebucht“, berichtet Erhard. Auch ein nachfolgendes Angebot hätten viele gerne genutzt.

„Es ist ja klar, dass wir die Pandemie nur mit Impfungen bekämpfen können“, erklärt Grumer. Und präsente Lehrveranstaltungen ermöglichen. Natürlich gebe es auch Studierende, die Online-Kurse gut fänden, meint er. Einfach auch, weil das bequemer für sie sei. „Aber ich persönlich kann mich dabei nicht konzentrieren“, sagt Grumer. Immerhin habe er das Glück, schon im achten Semester zu sein. „Aber für die Erstsemester, die noch keine Kontakte haben, vielleicht neu in der Stadt sind, ist das schon hart.“

Kritisch sieht der Student auch die Organisation der Prüfungen. „Ausgerechnet im Wintersemester, als die Inzidenz extrem hoch war, hatten wir Präsenzprüfungen an der Hochschule. Und nachdem es einen Corona-Fall gab, mussten knapp 100 Studierende mitten in der Klausurphase in Quarantäne.“ Grumer: „Jetzt aber, wo die Inzidenz bei fünf liegt, wird strikt auf Online-Klausuren gesetzt. Das ist doch absurd.“

Er habe das Gefühl, dass die Politik wenig Ahnung habe, wie es den Studierenden geht, sagt Grumer. Dass im Moment schon „fast wieder ein bisschen Normalität“ bei den Studierenden herrscht, wie er sagt. „Wir treffen uns, essen zusammen, spielen Brettspiele oder gehen mal in eine Bar. Das ist eher so ein gemütliches Miteinander.“ Allerdings: Der Studierendenalltag fehle schon. Sich einfach mittags auf dem Campus über den Weg zu laufen und zusammen zu essen zum Beispiel. Zum Glück gehe jetzt zumindest langsam der Hochschulsport wieder los. Grumer: „Allerdings hängt das Angebot auch davon ab, wie viel Lust die Organisatoren haben, ein Hygienekonzept zu entwickeln.“

An der Fachakademie für Sozialpädagogik der Armen Schulschwestern in München finden dagegen jetzt schon Kurse und Prüfungen wieder vor Ort statt. „Grundsätzlich bin ich sehr froh, dass ich wieder hier bin, weil der Kontakt zu den anderen Studierenden mir schon sehr gefehlt hat“, sagt Emma Schraubstetter. „Auch die Motivation, sich anzustrengen, ist größer, wenn man im Kurs sitzt.“ Dabei habe der Online-Unterricht im Großen und Ganzen gut funktioniert, so die 19-Jährige. Die Praxisfächer in Musik oder Bewegung könne man allerdings nicht mehr nachholen. Schraubstetter war im Herbst an Covid-19 erkrankt und lässt nun regelmäßig ihre Antikörper checken. Aktuell sei die Impfung für sie deshalb kein Thema. „Ich genieße es sehr, dass wir wieder raus können, am meisten freut es mich, dass das Vereinsleben wieder losgeht“, sagt die Studentin, die in ihrer Freizeit Trainerin für Geräteturnen ist. Allerdings habe sie Sorge wegen der Delta-Variante. „Im Herbst haben wir Abschlussprüfungen, die möchte ich auf gar keinen Fall online machen.“

„Das Lernen in der Online-Zeit ist mir schon sehr schwergefallen“

Für Kollegin Lena Breitsameter hatten die Online-Kurse nicht nur Nachteile. „Wenn der Unterricht um acht Uhr anfing, stand ich um zehn vor acht Uhr auf“, sagt die 19-Jährige und lacht. Aber natürlich freue sie sich, dass sie ihre Mitstudierenden nun wieder vor Ort treffe und privat wieder etwas mit Freunden unternehmen könne. Beim Thema Impfung ist Breitsameter im Zwiespalt, wie sie sagt. „Einerseits möchte ich schon geimpft werden, andererseits bin ich noch nicht ganz sicher, weil es keine Langzeitstudien dazu gibt.“

Anders sieht das Sara-Marie Seyschab, die bereits zweifach geimpft ist, weil sie nebenbei in einem Heim für Kinder und Jugendliche mit Behinderung jobbt. „Ich war sehr froh über die Impfung, weil ich sehr besorgt war, jemanden im Heim anzustecken“, erzählt die 20-jährige Kurssprecherin, die deswegen fast niemanden mehr traf. Für Seyschab war es anfangs eine Umstellung, wieder jeden Tag in den Kurs zu gehen. „Allerdings ist mir das Lernen in der Online-Zeit schon schwergefallen.“ Belastend fand sie auch die ständige Erreichbarkeit. „Sehr oft haben uns die Lehrer Aufgaben nachgeschickt, das war immer Stress.“ Seyschab genießt es nun, auch am späten Abend wieder ihre Freunde sehen zu können, wenn auch im kleinen Kreis. „Ich will mich noch mit so vielen treffen, das geht im Moment einigen so.“

Ihre Kurskollegin Tanja Zwickl ist ebenfalls bereits geimpft, sie arbeitet nebenbei in einem Kindergarten. „Darüber bin ich froh, denn mein Vater ist vorerkrankt und ich hatte Angst, dass ich das Virus zu Hause einschleppe“, erzählt sie. Und auch sie ist froh, dass sie ihre Kurskolleg*innen nun wieder vor Ort sehen kann. „Aber trotz allem haben wir uns auch online gegenseitig gut unterstützt“, erzählt die 18-Jährige. „Wir haben in unserem Kurs einfach eine gute Gemeinschaft, das hat uns sehr gut geholfen.“ (Lucia Glahn)

Foto (Antonia Schillinger): Paul Grumer und Eva Erhard organisierten an der Hochschule Ansbach eine Impfaktion. Nach fünf Minuten waren alle Termine weg. 

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