Leben in Bayern

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beobachtet eine Vorführung zur taktischen Verwundetenversorgung (links). Notfallmedizin ist ein fester Bestandteil der Ausbildung an der Sanitätsakademie der Bundeswehr. (Foto: loh)

25.07.2025

Wo Leben retten trainiert wird

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) besucht die Sanitätsakademie in München – und sieht Nachholbedarf bei Infrastruktur und Anerkennung

Normalerweise ist die Sanitätsakademie der Bundeswehr bei der Panzerwiese im Norden der Stadt militärisches Sperrgebiet. Wer hinter den Stacheldrahtzaun zu den rund 550 Soldatinnen und Soldaten will, muss im Vorfeld zahlreiche Sicherheitschecks durchlaufen – insbesondere, wenn mit Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) der oberste Befehlshaber der Bundeswehr erwartet wird.

Vor Ort werden die Rucksäcke der Besucher zusätzlich von einem Spürhund der Militärpolizei auf Sprengstoff untersucht. Dann geht es vorbei an einem alten Panzer und einem Militärhubschrauber – der in Wirklichkeit ein umlackierter Polizeihubschrauber ist.

Selbst gemalte Plakate zur Vielfalt in der Bundeswehr

Ziel sind die Unterrichtsgebäude, die Anfang der 1980er-Jahre fertiggestellt wurden. Dort ist auch das Hans-Scholl-Auditorium untergebracht, das neben dem Unterricht für Kommandeursschulungen genutzt wird. Das Betonambiente dürfte viele an ihre Schulzeit erinnern. An den Wänden hängen selbst gemalte Plakate, auf denen die Vielfalt der Bundeswehr etwa in Bezug auf Alter, Glaube und sexuelle Orientierung beschworen wird.

Das ständige Salutieren wirkt auf Außenstehende zunächst etwas befremdlich. Irritierend sind ebenso die vielen Abkürzungen. Wer etwa die Pressestelle erreichen will, muss sich per E-Mail an UstgKdoBwPIZPrOeA wenden. „Daran muss man sich tatsächlich erst gewöhnen“, sagt einer der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Reservisten, der sich eine gewisse Außensicht bewahrt hat.

Plötzlich wird es unruhig: Die Verantwortlichen werden nervös, die Kamerateams kämpfen um den besten Platz und die Pressesprecher scheuchen die Journalisten zur Seite, die nicht zur PR-Abteilung des Ministeriums gehören: Pistorius, gekommen mit einem Jet der Flugbereitschaft, fährt mit seiner Entourage in einem schwarzen Audi A8 vor.

Pistorius wirkt interessiert – oder lässt sich zumindest kein Desinteresse anmerken

Der Verteidigungsminister, dunkelblauer Anzug, weißes Hemd, keine Krawatte, ist gut gelaunt und wirkt interessiert – oder lässt sich zumindest kein Desinteresse anmerken. Nach München gekommen ist er vor allem wegen des Besuchs des Innovationslabors in Erding. Nach einem Shake-hands mit Kommandeur Hans-Ulrich Holtherm trägt er sich ins Gästebuch ein. Darin dankt er derAkademie für ihr Engagement für die Gesellschaft“ und den Soldatinnen und Soldaten für ihre „Einsatzbereitschaft für unseren Staat“. Über die weiteren Sätze herrscht angesichts der unleserlichen Schrift keine Einigkeit.

Danach weicht Pistorius vom Protokoll ab und umarmt eine der Journalistinnen. Es ist die mit ihren 85 Jahren hellwache Fotografin und Dokumentarfilmerin Herlinde Koelbl. In ihrem Bildband Spuren der Macht – Die Verwandlung des Menschen durch das Amt fotografierte und interviewte sie unter anderem Joschka Fischer (Grüne), Gerhard Schröder (SPD), Angela Merkel (CDU) sowie aus Bayern Renate Schmidt (SPD) und Monika Hohlmeier (CSU). Nach ihrem Buch über Pistorius plant sie aktuell eine Fotoausstellung, in der sie neue Bilder des SPD-Politikers zeigen will.

Warum sie sich so auf ihn fokussiert? „Im Gegensatz zu vielen anderen in Berlin ist er interessiert an der Sache und nicht an der Karriere“, versichert sie der Staatszeitung.

Im Anschluss zeigt die Sanitätsakademie durch eine simulierte Beinamputation an einer lebensgroßen Puppe, warum es sie braucht. Zwar erzählt Pistorius die Anekdote, dass ihm am Morgen in Gesprächen mit Münchner Bürgern in einem Café alle versichert hätten, die „SanAk“ zu kennen – doch in Wirklichkeit führt sie eher ein Schattendasein.

Diesen Eindruck versucht Pistorius in seinen zwei fast identischen Pressestatements zu entkräften. Natürlich sei die Beschaffung von gepanzerten Fahrzeugen, U-Booten und Luftverteidigungssystemen dringend notwendig. „Aber zur Verteidigungsfähigkeit gehört im Gefecht auch eine exzellente Sanität.“ Der deutsche Sanitätsdienst und seine Ausbildung genieße weltweit einen guten Ruf. „Gleichzeitig leisten die Institute auch einen enorm wichtigen Beitrag für die gesamte zivilgesellschaftliche Forschung.“

Asbestbelastung in der "Sansibar"

Besonders wichtig ist Pistorius dabei die ABC-Abwehrtruppe, die einen entscheidenden Beitrag zur atomaren, biologischen und chemischen Abwehr leiste.

Der Verteidigungsminister gibt aber auch unumwunden zu, dass bei der Bundeswehr dringend Verbesserungen nötig sind. „Ich war in keiner Kaserne, wo die Infrastruktur kein Problem ist.“ In der Sanitätsakademie mussten etwa Gebäude wegen Asbestbelastung geschlossen werden – darunter auch der beliebte Treffpunkt „Sansibar“.

Daher seien künftig jedes Jahr 20 Prozent mehr Mittel für die Infrastruktur und Millionen für den Standort in München vorgesehen. Auch die immer komplexeren Ausbildungsinhalte sollen vereinfacht werden.

Abschließend präsentiert die Sanitätsakademie ihren größten Stolz: die Grille. Dabei handelt es sich um eine unbemannte Rettungsdrohne, die Verletzte aus Krisengebieten ausfliegen kann und dabei zum Beispiel den Blutdruck misst. „Ja, das ist noch ein Prototyp“, räumt Pistorius ein. Aber weitere Drohnen seien bereits im Bau. Das Problem ist nur, dass es bisher noch keine luftfahrtrechtliche Zulassung gibt. Im Kriegsfall dürfte die Grille also aktuell noch gar nicht starten.

Für Pistorius und sein Ministerialteam bleibt aufgrund der Versäumnisse der letzten Jahrzehnte und der neuen Bedrohungslage also weiterhin viel zu tun. (David Lohmann)

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