Leben in Bayern

Lisa Riedner unterstützt die Arbeitsmigranten aus Bulgarien. (Foto: Stumberger)

07.09.2018

Zuflucht unter den Brücken der Stadt

Viele Tagelöhner aus Südeuropa leben in prekären Verhältnissen – manche werden gar um ihren Lohn geprellt

Ismet (47) und Valentin (53) sind verzweifelt. Im Beratungscafé der Arbeiterwohlfahrt in der Münchner Sonnenstraße suchen die beiden Bulgaren Hilfe. Sie treffen sich dort mit Lisa Riedner von der Initiative Zivilcourage, die sich um Menschen aus Südeuropa, die in München Arbeit suchen, kümmert. Ismet und Valentin haben eine Woche lang auf einer Baustelle in Feldmoching im Norden von München geschuftet. Den Lohn dafür aber haben sie nicht bekommen.

Für Ismet und Valentin ist das eine Katastrophe. Sie haben so wenig Geld, dass sie sich keine Bleibe leisten können. Sie schlafen unter der Reichenbachbrücke. Nach EU-Recht dürfen sie sich in Deutschland aufhalten und arbeiten. Anrecht auf Sozialhilfe haben sie nicht. Und eine Wohnung können sie sich in der Stadt mit den hohen Mieten schlicht nicht leisten. So hausen sie mit anderen Kumpels unter der Brücke – mit herbeigeschleppten Matratzen, Stühlen und Tisch vom Sperrmüll. Kerzen und Taschenlampen brennen in der Nacht. Ein kleiner Rollkoffer steht herum. Und sogar eine Vase mit Blumen haben die Männer hingestellt. „Ich bin hier verloren“ sagt Kasimir (43), ein Freund von Ismet und Valentin, und zeigt zur Bekräftigung eine Plastiktüte mit Pfandflaschen. Davon lebt er.

Deutschland ist für südeuropäische Arbeitsmigranten ein beliebtes Ziel. Derzeit leben in und um München rund 13 000 Bulgaren und knapp 18 800 Rumänen, viele davon in prekären Verhältnissen. Da beide Länder Mitglied der Europäischen Union sind, gilt für ihre Bürger die unbeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit. Doch das soziale Netz für diese Menschen aus der „Armutszuwanderung“, wie es im Fachjargon heißt, ist löchrig. Zum Beispiel bei der gesundheitlichen Versorgung. Oder bei Obdachlosigkeit. Denn wer innerhalb der EU über eine Heimatadresse verfügt, gilt nicht als wohnungslos. So hausen die Männer unter Brücken, in Parks, zwischen Gleisen oder am Mittleren Ring.

Am Ende zahlt die Firma – auf Druck einer Initiative

Nicht immer finden die Männer Arbeit. Damit Ismet und Valentin das Wenige bekommen, das ihnen zusteht, will Lisa Riedner von der Initiative Zivilcourage mit ihnen zur Baustelle, auf der die beiden gearbeitet haben, fahren. Sie will mit der Bauleitung reden, damit die Männer ihren Lohn bekommen.

Mit der S-Bahn geht es also nach Feldmoching. Direkt neben der Bahnstrecke soll dort ein Boarding-Haus entstehen. Das Gebäude ist schon weitgehend fertig. Ismet zeigt, wo sie gearbeitet haben: Sie haben beim Innenausbau geholfen, Holzpaletten geschleppt, Kabelschlitze geschlagen. Dann versuchen sie auf der Baustelle den Vorarbeiter zu finden, der ihnen diese Arbeit angeschafft hat – vergebens. Den Namen der Subfirma, die sie angeworben hat, wissen die beiden Bulgaren nicht. Nur dass der Mann „Theo“ heißt.

Im Büro der Bauleitung hört sich der anwesende Ingenieur den Fall der beiden Arbeitsmigranten an. Lisa Riedner übersetzt und sagt auch schon mal resolut: „Das Beste wäre, Sie würden den Männern jetzt ihren Lohn auszahlen!“ Auch dem Bauleiter zeigen Ismet und Valentin, wo und was sie gearbeitet haben. Immerhin wird dadurch klar, welcher Subunternehmer in der Schuld steht.

Der Bauleiter verspricht, sich an die Firma wegen des fehlenden Lohns zu wenden, das könne aber ein paar Tage dauern. Den Männern aus Bulgarien bleibt nichts anderes übrig, als wieder zurück zu fahren – in ihre „Unterkunft“ unter der Reichenbachbrücke.

Diesmal geht die Geschichte gut aus. Eine Woche später teilt Lisa Riedner mit: „Ismet hat mir gestern berichtet, dass der Subunternehmer ihm und seinen Freunden das geforderte Geld ausgezahlt hat.“ Ohne ihre Hilfe hätte das wohl nicht geklappt. Und eine Wohnung aber können sich Ismet und Valentin freilich deshalb nicht leisten.
(Rudolf Stumberger)

Kommentare (1)

  1. Nonsense am 04.10.2018
    die reichenbachbrücke stinkt zum himmel. warum hat niemand mitleid mit den einheimischen? die menschen kommen aus bulgarien rumänien etc und können auch dort hin zurück, als münchner kann man nur dem verfall der eigenen stadt zusehen
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