Politik

Die Außengastronomie ist sicher, wenn Abstände eingehalten werden, betonen Aerosolexpert*innen. (Foto: dpa/Angelika Warmuth)

23.04.2021

Ab nach draußen!

Im Freien ist die Infektionsgefahr gering – doch die Politik ignoriert das völlig

Endlich steigen die Temperaturen langsam – und die Menschen zieht es wieder vermehrt nach draußen. Doch nächtliche Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Cafés und verrammelte Sportplätze mindern das Outdoor-Vergnügen beträchtlich. Obwohl doch gerade an der frischen Luft die Ansteckungsgefahr um ein Vielfaches geringer ist als in geschlossenen Räumen, wie Aerosolforscher seit geraumer Zeit fast schon mantraartig wiederholen.

„Draußen spielen indirekte Infektionen keine Rolle, da die Aerosolpartikel sich schnell verteilen und durch Luftströmungen abtransportiert werden“, erklärt Christian Kähler, Leiter des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr in München. Und auch direkte Infektion, also die unmittelbare Übertragung von Mensch zu Mensch, komme im Freien kaum zum Tragen, wenn man in Bewegung bleibe und auf Abstände achte, so Kähler. Lediglich wenn man lange dicht zusammenstehe, etwa an Bushaltestellen oder in Warteschlangen, seien gute Masken erforderlich. Für Kähler steht deshalb fest: Durch geeignete Anordnung von Tischen und Stühlen könnte man sogar die Außengastronomie sicher betreiben – auch wenn die Leute dort länger beisammensitzen.

Doch von der Politik werden solche wissenschaftlichen Erkenntnisse ignoriert. Sie spielen bei den Entscheidungen über die geeigneten Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung keine Rolle. Auch ein entsprechender Brief führender Aerosolforscher an die Bundesregierung scheint in Berlin niemanden zu interessieren. Das stößt nicht nur bei Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auf Unverständnis.

Von 7000 Infektionen fanden 6999 drinnen statt

„Es gibt eine Studie, in der 7000 Infektionsfälle nachverfolgt wurden. 6999 davon traten in Innenräumen auf“, verdeutlicht Strömungsexperte Kähler das Aerosolproblem. Fakt sei, dass aber auch in Innenräumen das indirekte Infektionsrisiko mit zunehmenden Luftwechseln und mit zunehmender Raumgröße abnehme. „Schlecht belüftete Schulen und Büros sind kritisch, der kurze Besuch in einem Gartenmarkt ist dagegen unbedenklich.“ Es sei denn, man komme in der Warteschlange an der Kasse mit infizierten Personen lange ins Gespräch. „Und vergisst dabei Abstand zu halten“, erklärt der Professor. Auch eine längere Fahrt im Bus sei ohne die in Bayern vorgeschriebene FFP2-Maske gefährlich. Denn dort könne man sehr leicht die Sitznachbarn infizieren.
Diese Erkenntnisse sind Wasser auf die Mühlen von Niederbayerns Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich (CSU). Heinrich, auch Bürgermeister der Kreisstadt Freyung, wandte sich mit einem Brief an die niederbayerischen Bundestagsabgeordneten, um gegen die vom Bund geplante einheitliche Corona-Notbremse zu protestieren. Seit Jahrzehnten werde mit hohen staatlichen Fördersummen in die Ortszentren investiert, um lebendige Innenstädte zu erhalten, so Heinrich. „All diese Bemühungen der Städtebauförderung und weiterer staatlicher Programme werden gefährdet, wenn der Einzelhandel und die Gastronomie weiter über lange Zeit schließen müssen.“

Und doch: Union und SPD sehen in ihrem Notbremse-Gesetz, das der Bundestag am Mittwoch teils unter heftiger Kritik der Opposition absegnete, lediglich „Click & Meet“ bis zu einer Inzidenz von 150 und bei Werten darüber „Click & Collect“ vor. Öffnungen unter Berücksichtigung von Raumgröße und Belüftungssituation wurden wieder einmal ignoriert. „Stattdessen starrt die Politik beim Inzidenzwert wie das Kaninchen auf die Schlange“, kritisiert Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Handelsverbands Bayern. Bei vielen Händlern mache sich darum Fatalismus breit.

Waren auf der Straße verkaufen

Grünen-Politiker in München kamen schon auf die Idee, Geschäfte könnten nach dem Vorbild der Schanigärten ihre Waren auf der Straße anbieten. Immerhin dürfte das leichter zu organisieren sein als Unterricht im Freien, den jetzt Marcus Weinberg (CDU), familienpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, ins Spiel gebracht hat. Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, bezeichnet das als „Vorschlag zur Unzeit“. Sie fordert endlich Impfangebote für alle Lehrkräfte anstatt ungebetene Ratschläge zur Unterrichtsgestaltung.

Warum aber öffnet man nicht wenigstens Sportplätze für Kinder und Jugendmannschaften? Auch Christof Asbach, Präsident der Gesellschaft für Aerosolforschung, unterstreicht, dass das Risiko von Corona-Infektionen im Freien sehr gering ist. Er betont: Die Gefahren „lauern nicht auf dem Sportplatz“. Der Bewegungsmangel bei Kindern durch Corona indes aber ist dramatisch.
(Ralph Schweinfurth)

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