Politik

Polizei und psychische Gesundheit: Ab wann darf die Behörde von einer Erkrankung erfahren? (Foto: dpa/Wolfgang Minich)

18.08.2025

Ab wann darf die Polizei von einer psychischen Störung wissen?

Tausende Menschen sind in der Polizeidatenbank INPOL mit dem Hinweis „psychische Störung“ erfasst – oft ohne klare Grundlage. Kritiker wie die Linken warnen vor Stigmatisierung und offenen Datenschutzfragen. Nun sorgt auch die Forderung nach einem bundesweiten Register für psychisch Erkrankte für heftige Debatten

Die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage der Linken erstmals detaillierte Zahlen zur Speicherung sogenannter „personenbezogener Hinweise“ (PHW) in der Polizeidatenbank INPOL vorgelegt. Demnach sind dort aktuell 16.043 Menschen mit dem Vermerk „Psychische und Verhaltensstörung“ erfasst, weitere 3.810 mit dem Hinweis „Freitodgefahr“. Den größten Anteil bildet mit 417.229 Personen der Eintrag „Betäubungsmittelkonsument“.

Offen bleibt dabei, auf welcher Grundlage solche Einträge zustande kommen. Die Regierung räumte ein, nicht angeben zu können, in wie vielen Fällen ärztliche Gutachten oder andere fachliche Bewertungen vorliegen. Auch wie oft Betroffene über die Speicherung informiert wurden oder Löschungen beantragt haben, ist nicht erfasst.

Kritiker sehen darin ein erhebliches Problem. Evelyn Schötz, bayerische Bundestagsabgeordnete der Linken, spricht von „massiven Grundrechtsverstößen“ und einem „System der Stigmatisierung“. Sie verweist auf die Datenschutzgrundverordnung und die ärztliche Schweigepflicht, die hier unterlaufen würden. Ob diese Einschätzung zutrifft, wird auch unter Juristen kontrovers diskutiert.

Sensible Gesundheitsdaten können von zahlreichen Sicherheitsbehörden wie Landespolizeien, BKA, Bundespolizei und Zollkriminalamt direkt eingesehen werden. Nur beim Bundesamt für Verfassungsschutz ist die Nutzung der Daten an die unmittelbare Aufgabenerfüllung gebunden. Damit werden medizinische Informationen ohne externe Kontrolle zu Sicherheitsakten, was erhebliche rechtliche und ethische Fragen aufwirft und das Vertrauen in den Schutz sensibler Gesundheitsdaten untergräbt.

Brisant ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung: Erst vor wenigen Wochen hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ein bundesweites Register für psychisch Erkrankte ins Spiel gebracht – als Konsequenz aus dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) widersprachen umgehend. Menschen mit psychischen Erkrankungen seien nicht gewalttätiger als die Allgemeinbevölkerung, im Gegenteil häufiger Opfer von Straftaten.

CDU unter Beschuss wegen Umgang mit psychischen Erkrankungen

Ob die Bundesregierung Linnemanns Forderung tatsächlich unterstützt, bleibt offen. In der Antwort auf die Anfrage Schötz’ findet sich zumindest keine klare Distanzierung.

Zusätzliche Debatten wirft die Frage nach der Nutzung von Analyseplattformen wie Palantir auf. Das Bundesverfassungsgericht hatte deren Einsatz 2023 stark eingeschränkt, dennoch prüft die Bundesregierung weiterhin die Einführung des Systems „VeRA“. Datenschützer warnen vor Kontrollverlust, sollten hochsensible Daten in private Software fließen.

Fest steht: Mit der Antwort auf die Kleine Anfrage sind erstmals konkrete Zahlen auf dem Tisch. Wie diese bewertet werden müssen – als legitimes Hilfsmittel polizeilicher Gefahrenabwehr oder als unverhältnismäßiger Eingriff in Grundrechte – bleibt eine politische und gesellschaftliche Streitfrage. 

Die Linke fordert gesetzliche Regelungen, die eine pauschale Erfassung psychischer Erkrankungen durch Sicherheitsbehörden verhindern, die Löschung diskriminierender Einträge in Polizeidatenbanken, mehr Fokus auf Therapie und Prävention statt Überwachung, die vollständige Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention sowie den Verzicht auf Plattformen wie Palantir für sensible Gesundheitsdaten. (loh)

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