Politik

Protest gegen Abschiebungen nach Afghanistan. (Foto: dpa)

31.05.2017

Abschiebungen nach Afghanistan stoppen

Unmenschlich, brachial: Die Kritik an der bayerischen Linie bei Abschiebungen nach Afghanistan wächst - erst recht nach dem neuen Anschlag dort. Die Staatsregierung verweist aber auf den Bund

Nach dem verheerenden Anschlag in Kabul mit Dutzenden Toten wächst der Druck auf die Staatsregierung, sich nicht mehr an Abschiebungen nach Afghanistan zu beteiligen. Die Bundesregierung habe zwar einen aktuell geplanten Abschiebeflug gestoppt. "Dieser Stopp muss aber auf unbestimmte Zeit ausgeweitet werden, bis eine Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan vorliegt", verlangte SPD-Landeschefin Natascha Kohnen.

Grünen-Landeschefin Sigi Hagl klagte: "Was für eine zynische Logik: Es bedarf erst eines schweren Anschlags nahe der Deutschen Botschaft, damit die Bundesregierung endlich versteht, dass Afghanistan nicht sicher ist. Ja, es herrscht Krieg. Und es ist kaltblütig und inhuman, Menschen in dieses Land abzuschieben." Es sei eine Schande, dass sich Bayern an vorderster Stelle an diesen Sammelabschiebungen beteilige. "Die Bundesregierung muss die Sicherheitslage in Afghanistan umgehend neu bewerten. Es darf keine weiteren Abschiebeflüge mehr geben."

Auch der Bayerische Flüchtlingsrat forderte einen sofortigen Abschiebestopp. Es könne nicht sein, dass alle anderen Bundesländer Zurückhaltung übten "und nur Bayern brachial abräumt", sagte der Sprecher des Flüchtlingsrats, Stephan Dünnwald. "Keinem einigermaßen vernünftigen Menschen ist diese Bedenkenlosigkeit erklärlich." Ein Sprecher des Innenministeriums sagte zu den Forderungen von Opposition und Flüchtlingsrat, für die Bewertung der aktuellen Sicherheitslage in Afghanistan sei die Bundesregierung zuständig.

Schüler versuchen Ausweisung eines Kameraden zu verhindern

Bisher hat Deutschland in fünf Sammelflügen 106 abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan abgeschoben. Die Abschiebungen sind umstritten, weil sich in Afghanistan der Konflikt zwischen Regierung und radikalislamistischen Taliban verschärft und es landesweit Gefechte und Anschläge gibt. Der Anschlag am Mittwoch nahe der Deutschen Botschaft war einer der schwersten seit Jahren. Ein für Mittwoch geplanter Sammelflug wurde deshalb kurzfristig verschoben.

Der Flüchtlingsrat kritisierte, in Bayern seien in den vergangenen Tagen abgelehnte Asylbewerber aus Afghanistan in Abschiebehaft genommen worden, so dass nun etwa 20 auf die Rückführung warteten.

In Nürnberg versuchten am Vormittag etwa 50 Berufsschüler, die Abschiebung eines 20 Jahre alten Mitschülers zu verhindern. Es habe "unmittelbarer Zwang" angewendet werden müssen, um den Afghanen doch in den Streifenwagen zu bekommen, sagte ein Polizeisprecher.

"Eine unerträgliche Unmenschlichkeit"

SPD-Landeschefin Kohnen sagte mit Blick darauf: "Es reicht. Wenn sogar Schüler ausgewiesen werden, obwohl sie alle Voraussetzungen erfüllen, bei uns in Sicherheit zu lernen, zu arbeiten und zu leben, dann ist das Maß voll. Diese Unmenschlichkeit erträgt niemand mehr." Die Art und Weise, wie Bayern hier vorgehe, sei beispiellos. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisierte die Polizeiaktion. Der junge Mann sei im Klassenzimmer abgeholt und in ein Polizeiauto gesetzt worden. Schüler und Lehrer hätten gegen das Vorgehen protestiert, das aber mit einem "massiven Polizeiaufgebot" durchgesetzt worden sei. "Es ist menschenrechtswidrig und menschenverachtend, wie hier das Bayerische Innenministerium agiert", sagte der bayerische GEW-Vorsitzende Anton Salzbrunn. Der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Bayern Thomas Beyer erklärte ebenfalls:"„Ich appelliere erneut an die Bayerische Staatsregierung ihre harte Haltung gegenüber Geflüchteten aus Afghanistan aufzugeben und sich nicht länger an den Sammelrückschiebungen des Bundes zu beteiligen, sondern einen Abschiebestopp für das in Wahrheit äußerst unsichere Herkunftsland am Hindukusch zu verhängen." Im Handeln der Nürnberger Berufsschüler sieht Beyer einen "spontanen Weckruf, den die Verantwortlichen nicht überhören dürfen". (dpa/BSZ)

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